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Artikel vom 16.05.2008

Der Dalai Lama:

“Die Welt muss uns helfen”, sagte der Dalai Lama. Aber deutsche Spitzenpolitiker tun sich sehr schwer mit ihrer diplomatischen Hilfe für Tibet. In diesen Tagen ist der geistliche und weltliche Führer der Tibeter wieder in Deutschland - in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Berlin. In Berlin weigern sich der Außenminister und der Bundespräsident, mit dem Dalai Lama zu sprechen.

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Der Druck der chinesischen Regierung, den Dalai Lama nicht zu empfangen, war so stark, dass brutale Menschenrechtsverletzungen in Tibet zweitrangig wurden. Angela Merkel, die trotz Drucks aus Peking schon zweimal in den letzten Jahren mit dem Dalai Lama sprach, weilt in Brasilien. So wird der Friedensnobelpreisträger in Berlin jetzt lediglich den Bundestagspräsidenten, Norbert Lammert, und den Beauftragten der Bundesregierung für Menschrechte, Günther Nooke, treffen. Aber selbst dafür musste sich Lammert am Telefon eine Stunde lang vom chinesischen Botschafter wüst beschimpfen lassen. In Nordrhein-Westfalen trifft Ministerpräsident Rüttgers den Dalai Lama, aber in Bayern ist kein Treffen mit Ministerpräsident Beckstein vorgesehen.

Feigheit vor der Wirtschaftsgroßmacht China

Als sich die Kanzlerin im letzten Jahr mit dem Dalai Lama getroffen hatte, tobte die chinesische Diplomatie ein halbes Jahr lang ganz undiplomatisch. Chinas Angst vor dem buddhistischen Mönch aus Tibet muss riesig sein! Angela Merkel zu den deutsch-chinesischen Irritationen nach dem Besuch in ihrer typischen Coolness: “Wenn wir uns von Chinas Regierung vorschreiben lassen, mit wem wir reden und mit wem nicht, haben wir schon verloren”.

Der Bundespräsident und der Bundesaußenminister ließen jetzt in Berlin erklären, dass sie “aus terminlichen Gründen” den Dalai Lama nicht empfangen könnten. Wie rührend! Das ist natürlich eine diplomatische Ausrede und Feigheit vor der Wirtschaftsgroßmacht China.

Beim jetzigen Zeitpunkt vor Chinas Regierung in die Knie zu gehen, ist exakt das falsche Signal. Denn die letzten Wochen haben bewiesen, worauf China reagiert. Nach der Niederschlagung der Demonstrationen von Tibetern haben alle Druck auf China ausgeübt: Bush, Merkel, Sarkozy, Brown, Japan und die EU. Und siehe da: Der einhellige Druck hat gewirkt und der Dialog zwischen China und Tibetern kam in Gang.

In dieser Situation wäre weiterer Druck notwendig, damit sich die schreckliche Lage der unterdrückten sechs Millionen Tibeter wirklich verbessert. Gespräche der Gespräche wegen und zur Beruhigung der westlichen Welt bringen den geknechteten Tibetern gar nichts. Steinmeier und Köhler geben stattdessen jedoch ein Beschwichtigungssignal. In China werden sich jetzt viele fragen: Meint es die Bundesregierung vielleicht doch nicht so ernst mit ihrer Menschenrechtspolitik?

In den letzten Wochen sind nach Angaben der tibetischen Exilregierung bei den jüngsten Unruhen 203 Tibeter getötet worden, über 1.000 verletzt und über 5.200 verhaftet. Viele Gefangene wurden und werden gefoltert und geschlagen. Tausende Mönche sollen in atheistisch-kommunistischem Sinne “umerzogen” werden. Von den ersten 30 zu lebenslänglich und bis zu 20 Jahren Gefängnis Verurteilten konnten viele während der Gerichtsverhandlung nicht mehr stehen, sie mussten gestützt werden. Als der Dalai Lama die Bilder im Fernsehen sah, konnte er nur noch weinen.

Die derzeitige Lage auf dem Dach der Welt erinnert jeden Tibet-Kenner an die furchtbare Zeit der Kulturrevolution, bei der Chinas Führer auch die Tibeter brutal unterdrückten und eine unvorstellbare Kulturbarbarei auf dem Dach der Welt anstellten. Tausende von Klöstern wurden damals zerstört und viele Mönche getötet.

Nichts wäre jetzt wichtiger als eine Position wie sie 2007 die Bundeskanzlerin einnahm als sie den Dalai Lama im Kanzleramt empfing.

Feigheit vor den Folterern ist das schlimmste Gift für eine erfolgreiche Menschenrechtspolitik. Der Besuch des Dalai Lama steht unter dem programmatischen Motto: “Kein Frieden ohne Menschenrechte.” Mit diplomatischer Leisetreterei ist den Opfern brutaler Menschrechtsverletzungen überhaupt nicht geholfen. Und den Demokraten in China und der Glaubwürdigkeit der Demokratie hierzulande auch nicht.

Fünf Tage ist der Dalai Lama diesmal in Deutschland. Bei seinem letzten Besuch kamen 60.000 Menschen zu seinen Vorträgen. “Deutschland ist meine zweite Heimat”, hat er schon oft gesagt.

Der 72-jährige, der seit fast 50 Jahren im nordindischen Exil lebt, wird vielleicht seine Heimat Tibet nie wieder sehen, aber dennoch ist er von einer doppelten Mission beseelt: Er wird sich weiter für Gewaltlosigkeit einsetzen und auf der ganzen Welt für mehr Menschenrechte und religiöse sowie politische Freiheit in Tibet werben. Zur aktuellen Menschenrechtssituation in seiner Heimat Tibet sagt der Dalai Lama: “Die Lage ist schlimmer als in den 90-igern. Es gibt politische Gefangene, Folter und massive Unterdrückung. Tibet erleidet einen kulturellen Völkermord durch die chinesische Regierung.”

Den meisten Tibetern gilt der Dalai auch heute noch als “Gottkönig”. Seit 1982 habe ich ihn 21mal getroffen und viele Fernsehsendungen mit ihm produziert. Er ist ganz anders als die meisten Christen sich ein Kirchenoberhaupt vorstellen.

“Der Gott zum Anfassen” hat ihn der “Spiegel” genannt. Auf diesen zweifelhaften Titel angesprochen, lacht der Dalai Lama sein gurgelndes Lachen und meint schließlich: “Die Leute im Westen verstehen nicht viel vom Buddhismus. Erstens kennen wir keinen persönlichen Gott und zweitens bin ich ein einfacher Mönch.” Und was denkt er über die meist gebrauchte Anrede für ihn, “Heiligkeit”? “Das ist doch Blödsinn.” Und wenn einer wissen will, ob er “als Gottkönig über heilende Kräfte verfüge” scherzt “Seine Heiligkeit” ziemlich derb: “Wenn ich tatsächlich über Heilkräfte verfügen würde, täte mir mein linkes Knie im Augenblick nicht so weh. Aber das ist leider so.”

Jeder dritte Deutsche hält bei Umfragen den Dalai Lama für “den weisesten Menschen der Gegenwart”. Warum vertrauen dem fremden “Gottkönig” mehr Deutsche als dem deutschen Papst in Rom? Und warum genießt der Buddhismus bei Umfragen in Deutschland mehr Sympathie als das Christentum?

Auf meine Frage, was ihn trotz aller Leiden seines Volkes optimistisch stimme, sagt der lebensfrohe Asket: “Gewalt ist immer irrational. Gewaltfreiheit ist langfristig realistischer.” Deshalb ist sich der Mann zwischen Weisheit und Weltpolitik auch ganz sicher: “Eines Tages wird Tibet frei sein. Wir wollen der ganzen Welt einen neuen, friedlichen Weg zur Freiheit zeigen.” Aber er zweifelt inzwischen selbst, ob er Tibets Freiheit “noch in diesem Leben” erleben wird.

Der Dalai Lama ist ein sanfter Verführer zu mehr menschlichem Glück, d e r Menschenfischer unserer Zeit. Das Thema Liebe ist das Topthema jeder Religion. Der Papst hat dazu eine streng wissenschaftliche Enzyklika geschrieben. Der Dalai Lama sagt zum selben Thema: “Liebe ist, was jeder Mensch von seiner Mutter mitbekommt.” Für diese Einfachheit lieben und verehren ihn die Deutschen und fast die ganze Welt. Er bewegt die Menschen durch Vertrauen und Menschlichkeit.

Der Friedensnobelpreisträger hat auf der ganzen Welt noch viel vor, nicht nur in Deutschland. Der Dalai Lama setzt langfristig auf Chinas Jugend. Diese, so ist er überzeugt, habe “genau so wie die tibetische Jugend Sehnsucht nach Freiheit und Demokratie. In Europa haben wir doch erlebt wie rasch autoritäre Systeme einstürzen können - und zwar mit friedlichen Mitteln.”

Tibets Zukunft

Der Weg des Dalai Lama, gewaltfrei für Freiheit und Frieden zu kämpfen, ist nicht nur für Tibet, sondern für die ganze Welt wichtig. Die Zukunft Tibets könnte ein Modell für eine bessere Welt werden.

Grundlage hierfür kann der Friedensplan sein, den der Dalai Lama vorgelegt hat:

  1. Die Umwandlung ganz Tibets von einem chinesischen Waffenlager in eine entmilitarisierte Friedenszone;
  2. keine weiteren Umsiedlungen von China nach Tibet;
  3. Respekt gegenüber den fundamentalen Menschenrechten und gegenüber den demokratischen Freiheiten des tibetischen Volkes,
  4. Schutz der natürlichen Umwelt Tibets, keine weitere Ausbeutung, keine Atomwaffen und keine radioaktiven Abfälle in Tibet;
  5. Verhandlungen mit China über Tibets Zukunft.

Diesen “Dritten Weg” weist der Dalai Lama als Weg des Ausgleichs und Friedens für Tibet und China. Auch immer mehr junge Chinesen sehen im Dalai Lama einen Freiheitskämpfer, einen, der für Demokratie, Kultur und Spiritualität kämpft.

Dies mag politisch naiv klingen. Und dennoch arbeitet die Zeit für diese “Naiven”. Das Jahr 1989 hat uns diese Erkenntnis deutlicher als je zuvor vor Augen geführt. Die Zeit der Gewalt und Vergeltung kann überwunden werden von einer Zeit der Gewaltlosigkeit und Vergebung. Die Zukunft könnte denen gehören, die - wie der 72-jährige Friedensnobelpreisträger aus Tibet - die Fähigkeit entwickeln, spirituelle Werte mit einer politisch realistisch-pragmatischen Einstellung zu verbinden.

Auf meine Frage, was ihn trotz aller Leiden seines Volkes optimistisch stimme, sagt der lebensfrohe Asket: “Gewalt ist immer irrational. Gewaltfreiheit ist langfristig realistischer.”

Und was denkt der “Gottkönig" der Tibeter über all die Prädikate wie “Heiligkeit” und “Majestät”, die ihm weltweit ständig angeklebt werden? “Das ist doch alles Unsinn. Lieber Freund, wir beide kennen uns jetzt 25 Jahre. Deshalb wissen Sie am besten, dass ich ein einfacher Mönch bin.” Nicht anders erlebe ich ihn immer wieder.

Artikel aus "Readers Edition": http://www.readers-edition.de (Angaben zur Quelle und zum Copyright dieses Artikels hier)

Franz Alt, 16.05.2008

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