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BayWa r.e | Auf einem Teil der Himbeerfarm werden noch konventionelle Folientunnel zum Schutz der Beeren genutzt. Aufgrund der guten Erfahrungen soll nun die gesamte Plantage mit Solarmodulen abgedeckt werden, dies entspricht einer Anlagengröße von 3 Megawatt.

© BayWa r.e | Auf einem Teil der Himbeerfarm werden noch konventionelle Folientunnel zum Schutz der Beeren genutzt. Aufgrund der guten Erfahrungen soll nun die gesamte Plantage mit Solarmodulen abgedeckt werden, dies entspricht einer Anlagengröße von 3 Megawatt.

Himbeeren unter Solarmodulen statt unter Folientunneln

Vor allem im Obst- und Weinbau hat die Kombination von landwirtschaftlicher Produktion und der Solarstromerzeugung großes Potential. Eine Himbeerfarm in den Niederlanden zeigt, wie dies funktionieren kann. In Deutschland ist die Agrophotovoltaik noch im Pilotstadium und kommt eher schleppend voran.

Folienbogentunnel sucht man auf mehreren Reihen der Himbeerplantage von Landwirt Piet Albers in Babberich im niederländischen Gelderland vergeblich. Stattdessen sind die Himbeersträucher auf 2,50 Meter Höhe mit Solarmodulen überdacht, welche die empfindlichen Pflanzen vor zu viel Regen und Hagel schützen sollen und gleichzeitig Strom produzieren. Dazu entwickelte der Solarprojektentwickler BayWa r.e. ein spezielles Montagesystem. In diese sind die zwei Meter langen Solarmodule integriert. Sie neigen sich jeweils 10 Grad nach Osten und Westen und überdachen jeweils zwei Reihen Himbeersträucher. „Die Aufnahmen für die Drähte, an denen die Pflanzen nach oben ranken sind schon integriert“, beschreibt Edgar Gimbel, Head of Power Plant Engineering bei der BayWa r.e. Solar Projects den Aufbau.

Semitransparente kristalline Solarmodule

Zwischen den Modulreihen wurde jeweils ein schmaler Abstand gelassen. Dieser fungiert quasi als Kamin, der feuchte Luft abführt und damit der Schimmelbildung an den Beeren vorbeugt. Daran hängt noch ein kleines Netz, das den Regen streut und verteilt. Auf diese Weise soll eine Schädigung der Himbeeren, welche am Rand der Lücke hochwachsen, durch schwere Regentropfen verhindert werden. Damit genügend Licht zu den Pflanzen durchkommt, wurden speziell angefertigte semitransparente kristalline Module verwendet. Hierbei sind die Solarzellen mit einem größeren Abstand zueinander zwischen zwei Glasscheiben laminiert. Auf diese Weise lassen sie etwa 25 Prozent des Sonnenlichts zu den Himbeeren durch. Um herauszufinden, wie sich die Verschattung auf den Ertrag auswirkt, wurde ein Teil der Himbeeren mit normalen Standardmodulen überdacht, welche nur etwa zehn Prozent des Lichts durchlassen. Der Rest der Pilotfeldes ist mit üblichen transparenten Folienbogentunneln bestückt.

Sonnenbrand der Pflanzen wird verhindert

Die ersten Ergebnisse sind positiv: Zwar sind die Erträge unter den semitransparenten Modulen (Leistung 150 kW) um circa 20 Prozent geringer als unter den Folientunneln, berichtet Gimbel. Unter den klassischen Modulen mit 175 kW gingen dagegen die Erträge aufgrund der Verschattung um die Hälfte zurück. Ein positiver Nebeneffekt ist jedoch, dass so ein Sonnenbrand der Pflanzen verhindern werden kann, den sie bekommen, wenn sie mit Folientunneln überdacht sind. „Ein positiver Nebeneffekt ist auch, dass die Erntearbeiten berechenbarer und kontinuierlicher durchgeführt werden können, weil die Durchschnittstemperatur unter den Modulreihen rund 5 Grad Celsius geringer ist. Auf diese Weise können Erntespitzen mit schlechten Preisen vermieden werden“, sagt Gimbel. Auch können die Erntearbeiter so auch zur Mittagszeit arbeiten, weil die Temperaturen in der Plantage erträglicher sind. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Modulaufständerung 30 Jahre lang hält, die Folientunnel jedoch alle sechs Jahre ausgewechselt werden müssen.

Ernteerträge sollen weiter optimiert werden

Nächster Schritt ist nun, die gesamte, drei Hektar große Himbeerplantage von Piet Albers mit Solarmodulen zu überdachen, dies entspricht dann einer Anlagengröße von 3 Megawatt (MW). Um die Ernteerträge weiter zu optimieren sollen Module verwendet werden, die noch etwas mehr Licht durchlassen. „Wir arbeiten momentan an der Entwicklung neuer semitransparenter Halbzellen-Module mit einer Lichtdurchlässigkeit von 33 Prozent“, sagt Gimbel. Er geht davon aus, dass damit künftig die Erträge nicht mehr als 10 Prozent unterhalb derer liegen, die unter Folientunneln erreicht werden. Zwar wird die PV-Anlage dann auch etwas weniger Strom liefern, doch laut der Einschätzung von Gimbel, werden die Solarstromerträge für Landwirt Piet Albers auch dann noch genügend attraktiv sein. Er verweist darauf, dass im Moment jedoch noch keine Berechnungen zu den PV-Erträgen der Testanlage vorliegen, weil derzeit noch kein Netzanschluss möglich ist.

Trend zu niedrigeren Anlagen

Auch in Deutschland wird die Agrophotovoltaik im Obst- und Weinbau als aussichtsreich gesehen, allerdings wurde bisher kein Projekt in der Dimension der Anlage in Babberich realisiert. Das bisher größte und bekannteste Pilotprojekt wurde auf einem Drittel Hektar Ackerfläche eines Demeter-Hofs der Hofgemeinschaft Heggelbach (Landkreis Sigmaringen) im Rahmen des Forschungsprojekts „APV-RESOLA“ realisiert. Dort wurden kristalline bi-faziale Glas-Glas Solarmodule in fünf Meter Höhe über Winterweizen, Kartoffeln, Sellerie und Kleegras aufgeständert. „Doch mittlerweile geht der Trend eindeutig Richtung niedrigere Anlagen“, sagt Benedikt Ortmann, Global Director Solar Projects bei BayWa r.e. „Wir sehen ein geringes Potenzial für Agro-PV bei Anlagen wie in Heggelbach, weil diese zu teuer, zu aufwendig, uninteressant für die Landwirtschaft und zu schlecht in die Landschaft integrierbar sind“, kommentiert Ralf Heineken, Sprecher des baden-württembergischen Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft. Bei Sonderkulturen wie Obst- und Wein sieht er ein „prinzipiell hohes Potential“, allerdings seien derzeit noch „wirtschaftliche und technische Fragen offen“.

Qualitätssteigerung beim Wein durch Agro-PV

„Agro-PV passt sehr gut zu Dauerkulturen wie dem Obst- und Weinbau und bietet viele Vorteile“, sagt Ulrich Mayr, Fachbereichsleiter Sorten und Öko-Anbau beim KOB Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee in Bavendorf (Ravensburg). So verweist er auf die hohen Investitionskosten in Höhe von 22.000 Euro pro Hektar für Hagelschutznetze im Erwerbsobstbau am Bodensee, die durch Agro-PV Anlagen ersetzt werden könnten. Im Weinbau biete Agro-PV neben dem Hagel- und Frostschutz auch den Vorteil, dass der Alkoholgehalt gesteuert werden könne. Zunehmend hätten nämlich Winzer das Problem, dass sich die Weinernte aufgrund des Klimawandels um drei bis vier Wochen verfrühe und die Weine einen zu hohen Zucker- und Alkoholgehalt haben, ihnen jedoch die Säure und innere Reife fehle. Zudem käme es aufgrund der extremen Hitze zunehmend zu Sonnenbrandschäden an Trauben.

Geplante Pilotversuche in Rheinland-Pfalz und Bayern

Jedenfalls hofft Mayr darauf, in absehbarer Zeit ein bereits vor über zwei Jahren geplantes Pilotprojekt gefördert zu bekommen. Hierfür ist nun das Land am Zug. Alexander Möndel, Geschäftsbereichsleiter Bioökonomie & Nachwachsende Rohstoffe beim Ministerium ländlicher Raum zeigt sich grundsätzlich offen, unterstreicht jedoch seine Präferenz für die Erprobung von Anlagen mit organischer Photovoltaik, unter anderem weil diese deutlich lichtdurchlässiger als kristalline Module seien und sich auch besser ins Landschaftsbild integrierten. Dagegen stehen allerdings der derzeit geringe Wirkungsgrad und die kurze Haltbarkeit der organischen PV. Pilotversuche zur Agro-PV sind nun auch in Rheinland-Pfalz im Obst- und Weinbau geplant sowie in Bayern.

In einer Bundesratsinitiative forderte das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie den Bund dazu auf, „innovative Versuchsanlagen im Bereich Agro-PV zu ermöglichen, um Auswirkungen auf die Akzeptanz in der Bevölkerung, das Landschaftsbild und die Landschaftsverträglichkeit zu evaluieren“. Der Antrag wurde Ende September 2019 in die Ausschüsse verwiesen.  

Quelle

Der Bericht wurde von
der Redaktion “energiezukunft“ (Hans-Christoph Neidlein) 2020 verfasst – der Artikel darf nicht
ohne Genehmigung
 weiterverbreitet
werden! | energiezukunft |
Heft 27 / 2019 | „Europas Energiewende“ | Jetzt lesen Download

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