Das Denken auf den Kopf stellen
Erstens: Für die globale Energieversorgung der Zukunft gibt es keine alleinige Patentlösung. Zweitens: Jeder muss mit dem Energiesparen bei sich selbst anfangen. Das sagt der Diplom-Ingenieur Gerd Heilscher, Stiftungsprofessor der Solarstiftung Ulm/Neu-Ulm an der Hochschule Ulm. Wer sich in Zukunft Energie noch leisten können will, muss jetzt schleunigst umdenken. Das gilt für Verbraucher ebenso wie für die Energieversorger. Denn alle sitzen im gleichen Boot.
Bis 2020 soll in Deutschland den Anteil Regenerativer Energien am Gesamtenergieaufkommen auf 20 Prozent ansteigen. Gleichzeitig soll die Energieeffizienz um 20 Prozent erhöht und der Ausstoß des Klima schädlichen Kohlendioxid (CO2) um 20 Prozent gesenkt werden. Um das zu erreichen, müssen nach Ansicht von Gerd Heilscher, Stiftungsprofessor der Solarstiftung Ulm/Neu-Ulm, parallel mehrere Wege beschritten werden: Einerseits muss die eingesetzte Energie besser ausgenutzt werden. Andererseits müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher beginnen, ihr Verbrauchsverhalten zu überdenken. Und Maßnahmen ergreifen, ihren Verbrauch zu senken.
Eines der Hauptprobleme beim Thema Energieeffizienz liegt derzeit in der Struktur der deutschen Energieversorgung. „Wir haben mehrere zentrale Großkraftwerke und ein riesiges Energienetz“, erläutert Heilscher. Allein für den Transport gehe enorm viel Energie verloren. Von 100 Prozent Kohle kommt so am Ende nur 70 Prozent Energie beim Verbraucher an. Beim Strom – also auch der Kernkraft – sieht es noch dramatischer aus: lediglich 36 Prozent der eingesetzten Energie gelangen laut Heilscher bis zur häuslichen Steckdose. Also: 100 Prozent Energie rein – 36 Prozent raus. Nicht wirklich effizient.
Für die einzelne Verbraucherin und den einzelnen Verbraucher bedeute Energieeffizienz, dass er seine Denkweise komplett auf den Kopf stellen müsse. „Die Überlegungen dürfen nicht mehr beim Ölscheich beginnen, sondern in der eigenen warmen Wohnung“, verdeutlicht er auf anschauliche Weise, was an der bisherigen Haltung vieler Energieverbraucher problematisch war. Und noch ist. Denn trotz rasant steigender Energiepreise reagieren die meisten noch immer recht träge beim eigenen Verbrauchsverhalten.
Ab sofort müsse die Grundfrage lauten: Was kann ich tun, um möglichst wenig Energie zu benötigen? Welche Maßnahmen, Verhaltenänderungen, Verbrauchsoptimierungen kann ich selbst in die Hand nehmen, statt weiterhin lediglich die Klage gegen eine „böse“ Energie-Lobby und „geldgierige“ Ölscheichs zu führen?
An diesem Punkt sieht Heilscher auch die Energieversorger in der Pflicht. Sie müssten durch so genannte intelligente Zähler und detailliertere Verbrauchsinformationen den Verbrauchern helfen, „Stromfresser“ und Wärmeverluste zu identifizieren. Eine pauschale Gegenüberstellung des Ein-Jahres-Verbrauchs durch simple Vorher-Nachher-Zahlen wie in den bisherigen Rechnungen reicht da nicht mehr aus. Seine Vorstellungen gehen sogar so weit, dass zukünftig eine direkte Interaktionsplattform zwischen Verbraucher und Energieversorger besteht. So könnten beide schneller und direkter miteinander interagieren und entsprechende kurz-, mittel- oder langfristige Anpassungen einleiten. Und zwar genau dort, wo es am meisten bringt. Effizient eben.
Wird dann der effizientere Einsatz von Energie mit der verstärkten Gewinnung dieser noch benötigten Energie aus Regenerativen Quellen wie Sonne Wind oder Wasser kombiniert, setzt eine Art Kumulationsprozess ein: Die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern sinkt parallel zum Energieverbrauch, gleichzeitig werden die Regenerativen Energien aufgrund der verstärkten Nachfrage und der fortschreitenden Technologieentwicklung konkurrenzfähig (und damit günstiger). Ihre Akzeptanz steigt, die Unabhängigkeit von Energieimporten auch, und Deutschland kann die zukunftsfähigen Technologien auch noch exportieren. Das ist ökonomisch attraktiv, schafft Arbeitsplätze und kann – richtig eingesetzt – zudem zum globalen Frieden beitragen.
Autorin: Petra Forberger, solarportal24
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