Gutachten: BNetzA setzt Zinsen für Netzbetreiber zu hoch an

Eine Animation zeigt Windenergie, Photovoltaik und Stromnetze - Symbolbild für Netzausbau, NetzeingriffeFoto: Eisenhans / stock.adobe.com
Ein Gutachten im Auftrag des Bundesverbandes neue Energiewirtschaft (bne) und des Ökostromversorgers Lichtblick untermauert die Kritik an der geplante Verzinsung für die Strom- und Gasnetzbetreiber.

Dem Gutachten zufolge könnten Stromkunden in der kommenden Regulierungsperiode 800 Millionen Euro Netzentgelte sparen. Erstellt hat das Gutachten Prof. Wein vom Institut für Volkswirtschaftslehre an der Universität Lüneburg. Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen vzbv nutzt die Gelegenheit, seine bereits im August geäußerte Kritik an den Zinsen für die Netzbetreiber neu zu formulieren.

Da das Stromnetz per se ein Monopol ist, legt die Bundesnetzagentur (BNetzA) jeweils für eine Regulierungsperiode von fünf Jahren fest, welcher Eigenkapitalzinssatz zulässig ist. Ziel ist, dass die Unternehmen ihren Eigenkapitalbedarf an den Finanzmärkten decken können. Energiekunden zahlen die Verzinsung über die Netzentgelte. Aktuell liegt der Zinssatz bei 6,91 Prozent. Die BNetzA will für die kommende Regulierungsperiode einen Zinssatz von 4,59 Prozent garantieren. Für die Gasnetzbetreiber würde dieser von 2023 bis 2027 gelten, für die Stromnetzbetreiber von 2024 bis 2028.

Studie: Netzausbau auch bei geringeren Zinsen möglich

Laut dem Gutachten ist es nicht nötig, Zinssätze über das an den Kapitalmärkten erwartete Niveau hinaus festzulegen. Hohe Zinssätze würden die Finanzierung von Betrieb und Ausbau der Leitungen nicht erleichtern. Vielmehr würden sie Anreize schaffen, mehr zu investieren als tatsächlich notwendig sei. Die Investitionen in Netze seien zwischen 2010 und 2019 um 75 Prozent gestiegen. Das liege nicht nur an der Energiewende, sondern auch daran, dass es sich für die Netzbetreiber lohne.

Zudem zeige das Gutachten, dass die von der Bundesnetzagentur vorgeschlagenen Eigenkapitalzinssätze eine klare Obergrenze darstellen müssten. Würde die Behörde ihren Ermessensspielraum zugunsten der Verbraucher nutzen, könnten die Eigenkapitalzinsen für Neuanlagen sogar auf 3,79 Prozent fallen, so das Gutachten. Netz-Investitionen wären für die Betreiber auch dann noch ein lohnendes Geschäft, so das Gutachten. Über die gesamte Regulierungsperiode gerechnet könnten die Kunden so rund 800 Mio. Euro sparen.

„Eine überhöhte Eigenkapitalverzinsung für Netzbetreiber macht den Strom für die Verbraucher unnötig teuer und behindert dadurch den Übergang von fossilen Energieträgern zu sauberem Strom in allen Sektoren“, kommentiert bne-Geschäftsführer Robert Busch. Hohe Zinsen würden nur zu hohen Zusatzgewinnen für die Monopolunternehmen auf Kosten der Verbraucher führen. „Mit den Geschenken an die Netzbetreiber muss jetzt Schluss sein“, fordert Busch.

Frühe Festlegung bezieht überholte Zinssätze mit ein

Auch am Zeitpunkt der Festlegung gibt es Kritik. Ein wesentlicher Referenzpunkt sind nämlich die Zinsen der vorigen zehn Jahre, unter anderem für festverzinsliche Wertpapiere. Diese lagen im Durchschnitt der Kalenderjahre 2011 bis 2020 bei 0,74 Prozent. Allerdings sinken sie stark und seit etwa zwei Jahren ist die Rendite sogar negativ. Würde man die Betrachtung um ein Jahr verschieben, würde der Zinssatz um mindestens 0,25 Prozentpunkte niedriger ausfallen, schätzt der bne. Die Festlegung für die aktuelle Regulierungsperiode sei ebenfalls zu früh erfolgt, sagt Busch

Niedrige Zinsen müssen auch für Netzbetreiber gelten

Obendrein überlege die BNetzA, die Zinsen für die Netzbetreiber während der Regulierungsperiode gegebenenfalls nach oben anzupassen. Das findet Busch vom bne nicht nachvollziehbar. „Bei den vorgeschlagenen Zinssätzen ist jetzt schon mehr als genug Luft, um selbst möglicherweise ansteigende Zinsen in den nächsten Jahren aufzufangen“, sagt er.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert eine deutliche Absenkung der geplanten Eigenkapitalzinssätze um mehr als einen Prozentpunkt. Auch er stützt sich auf das Gutachten von Prof. Wein. „Schon jetzt zahlen Verbraucher:innen in Deutschland die höchsten Strompreise in Europa und auch die Gaspreise steigen aktuell stark an“, sagt vzbv-Energieexperte Thomas Engelke. In der aktuellen Niedrigzinsphase seien den Verbraucher:innen Eigenkapitalzinssätze von 4,59 Prozent für die Unternehmen nicht zu

Verbraucherzentralen: Wenig Wagnis, viel Zuschlag

Neben dem Garantiezins erhalten die Netzbetreiber einen sogenannten Wagniszuschlag. Dieser soll Investitionsrisiken abbilden. Allerdings dürfe er das tatsächliche und zu Marktpreisen bewertete Risiko der Netzbetreiber nicht übersteigen, betont der vzbv. Laut dem Gutachten überschätze die BNetzA allerdings das Risiko im deutschen Strom- und Gasnetz. Sie gewähre daher einen zu hohen Wagniszuschlag. Der vzbv fordert, diesen Zuschlag auf 2,36 Prozent zu senken. Zusammen mit einem niedrigeren Zinssatz käme so eine Entlastung der Verbraucher um 1,1 Milliarden Euro zusammen.

Im Zuge des Konsultationsprozesses hatten sowohl bne als auch vzbv bereits Stellungnahmen formuliert.Das Gutachten in voller Länge ist hier zugänglich.

6.9.2021 | Quelle: bne | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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