Niedertemperatur-Fernwärme: Handbuch zeigt Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit

Fernwärme-Leitung halb eingegraben im Boden - vielleicht mit Grüner FernwärmeFoto: stock.adobe.com / © struvictory
Das Fraunhofer IEE hat zusammen mit dem AGFW und europäischen Forschungspartnern ein Handbuch erstellt, das zeigt, wie bestehende Fernwärme-Systeme umgerüstet und neue Niedertemperatur-Netze geschaffen werden können.

Auf 170 Seiten stellen die Experten sowohl technische als auch wirtschaftliche Erkenntnisse über Niedertemperatur-Fernwärme dar. Anhand von Fallbeispielen zeigen sie, dass Niedertemperatur-Fernwärme unter vielfältigen Bedingugnen machbar und wirtschaftlich sinnvoll ist. Das Handbuch ist in Englisch verfasst und hat 170 Seiten. Es kann über die Webseite des Fraunhofer-Verlages kostenlos heruntergeladen werden. Auch eine gedruckte Version ist erhältlich.

Niedrige Temperaturen könnten viel Geld sparen

Dabei geht es um Netze mit durchschnittlichen Temperaturen von 70 Grad und weniger. Diese haben verschiedene Vorteile, wie die Experten in dem Buch erläutern. Die niedrigen Temperaturen erleichtern die Nutzung vieler Wärmequellen, wie zum Beispiel Abwärme oder Erdwärme. Wärmepumpen und Solarthermieanlagen arbeiten bei niedrigen Temperaturen effizienter. Unter Umständen können die Versorger auch flexible Kunststoffrohre anstelle von Stahlrohre verwenden. Für vorhandene Rohre sinkt durch die niedrigere Temperatur die Belastung. Die Wissenschaftler:innen kommen zu dem Schluss, dass man durch Niedertemperatur-Fernwärme so europaweit 14 Milliarden Euro jährlich sparen könnte.

Keine Abstriche beim Komfort und Legionellenschutz

In einem weiteren Kapitel zeigen die Expert:innen anhand von Fallbeispielen, dass die Temperaturen in aller Regel ausreichend sind, um Legionellen im Warmwasser unschädlich zu machen. Sollte das einmal nicht der Fall sein, können Versorger oder Immobilienbesitzer zusätzliche Maßnahmen ergreifen.

Für die Heizung der Räume wie gewohnt reicht das Temperaturniveau ebenfalls. Dass die Vorlauftemperatur bei energetischen Sanierungen in der Regel sinkt, macht die Umstellung auf Niedertemperatur-Fernwärme noch einfacher.

Maßnahmen für die Umstellung auf Niedertemperatur-Fernwärme

Darüber hinaus nennen die Expert:innen im Handbuch Maßnahmen, um den Umbau bestehender Fernwärme-Netze zu bewerkstelligen. Dazu zählen etwa die sorgfältige Analyse des Temperaturbedarfs der Kunden im Vorfeld oder das frühe Einbinden der lokalen Politik und der Öffentlichkeit. Bei der bei Steuerung und Regelung der Systeme bietet die Digitalisierung neue Möglichkeiten. Der Campus Lichtwiese der TU Darmstadt dient als Fallbeispiel, um mögliche Fallstricke bei der Niedertemperatur-Fernwärme darzustellen.

Das Fraunhofer IEE hat zum Handbuch insbesondere eine detaillierte Untersuchung bestehender Niedertemperatur-Systeme beigetragen. Im Handbuch selbst sind 15 Projekte dargestellt. Diese stehen allerdings für knapp 140 Beispielprojekte, die die Fraunhofer-Forscher:innen unter die Lupe genommen haben.

Die ausgewählten Fallbeispiele spiegeln die eine große Bandbreite bei der Gestaltung dieser Systeme. Sie unterscheiden sich zum Beispiel nach den verfügbaren Wärmequellen oder den Anforderungen der Abnehmer. Zugleich zeigen sie, dass die regulatorischen Bedingungen der Niedertemperatur-Fernwärme mitunter entgegenstehen. Mit langen Amortisationszeiten muss man allerdings rechnen – das gilt allerdings auch bei Hochtemperatursystemen. In einigen der untersuchten Fälle liegen die Kosten der Niedertemperatur-Systeme um bis zu zehn Prozent unter denen konventioneller Lösungen.

Viel Kompetenz und Erfahrung bei Wärmenetzen

Das Handbuch ist im Rahmen des „TS2 Annex“ des Technology Collaboration Programme zu Fernwärme und -kälte der Internationalen Energie-Agentur IEA entstanden. In dem Projekt haben Forschungsinstitute aus Dänemark, Deutschland, Großbritannien, Norwegen, Österreich und Schweden zusammengearbeitet. Aus Deutschland waren neben dem Fraunhofer IEE die Universität Kassel, die TU Darmstadt und die Hochschule für Technik Stuttgart beteiligt. Der Fernwärmeverband AGFW hat das Projekt unterstützt.

„Die Klimaziele im Gebäudesektor lassen sich nur mit Hilfe der Niedertemperatur-Fernwärme erreichen. Unser Handbuch weist den Weg dahin: Es zeigt Versorgern, der Politik und anderen Interessierten, wie sich solche Netze unter unterschiedlichsten Randbedingungen realisieren lassen“, sagt Dietrich Schmidt, Abteilungsleiter Strom-Wärme-Systeme am Fraunhofer IEE.

Heiko Huther, Leiter Forschung & Entwicklung des AGFW, begrüßt ebenfalls die Fertigstellung des Handbuchs. „Die Temperaturabsenkung ist für die Einbindung erneuerbarer Energien in Fernwärme-Netze ein wichtiges Thema. Die hier gesammelten Case Studies vermitteln Erfahrungswerte und helfen so bei der weiteren Entwicklung.“

Niedertemperatur-Nutzungen werden auch in der Praxis häufiger. Das zeigt auch ein Beispiel aus Hamburg.

8.9.2021 | Quelle: Fraunhofer IEE | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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