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Rio+20: Nachhaltiges Wirtschaften ein Muss

Globale Mindeststandards und gleiche Wettbewerbschancen ein wichtiges Ziel - Umweltpioniere und nachhaltige Produktion in Europa damit absichern

Heute, Mittwoch, beginnt die mit großer Hoffnung verbundene Welt-Konferenz Rio+20. Gleichzeitig wird befürchtet, das zu wenig fix beschlossen wird.

Von den Grünen wird die Umweltsprecherin und Vorsitzende des Umweltausschusses im Parlament, Christiane Brunner, teilnehmen. "Die Erwartungen wären natürlich sehr hoch. Gleichzeitig fürchten viele, dass zu wenig rauskommt. 99 Prozent der TeilnehmerInnen an dieser Konferenz würden alle notwendigen Maßnahmen für eine "Rettung" unseres Planeten ohne Umschweife ergreifen. Aber die wirkungsvolle Umsetzung liegt an dem EINEN Prozent der verantortlichen PolitikerInnen", erläutert Brunner. Sie betont, mit welchen Zielen sie nach Rio gefahren ist: "Wir erwarten, dass sich die Weltgemeinschaft zu verbindlichen Zielen verpflichtet. Damit eine "green economy" auf den Weg gebracht wird, die den Namen auch verdient, mit verbindlichen Zielen und entsprechender Finanzierung. Außerdem sollten die weltweiten Subventionen von fossiler Energie - mit satten 700 Milliarden USD jährlich - eingestellt werden. Für alle Länder sollte es dafür einen verpflichtenden Ausstiegsplan geben."

"Für die Industrie ist Rio+20 eine neuerliche Gelegenheit, die anderen Regionen der Welt ins Nachhaltigkeitsboot zu bringen und über internationale Mindeststandards auch in Ansätzen ein 'Level-Playing-Field' und damit gleiche Wettbewerbschancen für alle zu schaffen", betont der Vize-Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Mag. Peter Koren, anlässlich des Starts der Welt-Nachhaltigkeitskonferenz in Rio. "Die Europäische Industrie als globaler Umweltpionier und die damit verbundene vorbildhafte Produktion in Europa gilt es abzusichern und als globale Benchmark zu etablieren", so Koren. Die Europäische Union sollte sich daher auch zur Absicherung der Wettbewerbsfähigkeit Europas dafür einsetzen, dass ein globaler Mindeststandard für nachhaltiges Wirtschaften fixiert werde. "Die hohen Umweltstandards und die hohen Kosten einer derart umweltfreundlichen und energieeffizienten Fertigung könnten sich ansonsten als entscheidender Wettbewerbsnachteil für Europa in einer globalisierten Welt entpuppen", sagte Koren.

Aus Sicht der IV könnte Rio einen Beitrag zur Etablierung globaler Mindeststandards leisten. Eine Voraussetzung dafür ist es, die Umweltagenden innerhalb der Vereinten Nationen - etwa durch Schaffung einer UN-Umweltorganisation - zu stärken. Auch das Energiesystem sowie der Umgang mit Rohstoffen müssen einer globalen Transformation unterworfen werden, mit dem Ziel eine effizientere Nutzung von Energie und stofflichen Ressourcen zu erreichen. Ein Fehler aus Sicht IV ist es, dass sich die Beratungen in Rio diesmal schwerpunktmäßig um neue "Green-Jobs" drehen, "wichtiger und klüger wäre es die gesamte Wirtschaft nachhaltiger zu gestalten", betont Koren.

Auch Petra Bayr, SP-Nationalrätin und Bereichssprecherin für globale Entwicklung, wird an der Rio +20
Konferenz als Delegierte der internationalen Umweltschutzorganisation GLOBE teilnehmen. Bayr fährt mit wenigen Erwartungen nach Rio: "Ich fürchte, dass es in Rio zu keinem Durchbruch in der internationalen
Politik in Sachen nachhaltiger Entwicklung kommen wird. Kurzfristige Interessen dominieren das Handeln viele Akteure. Was wir brauchen, ist aber Weitsicht über mehrere Jahrzehnte hinweg. Nur so können wir
nachhaltige Entwicklung von einem Modebegriff zu einem neuen Paradigma aufwerten."

Nichtsdestotrotz hat sich Bayr für Rio viel vorgenommen: "Weit oben auf meiner Agenda steht der Einsatz für unkontaktierte Völker im Amazonas. Ich werde in vielen Gesprächen, unter anderem mit brasilianischen und peruanischen Abgeordneten, auf die Rechte und Bedürfnisse der unkontaktierten Völker im Amazonas hinweisen. Deren Lebensraum ist durch den Abbau von Rohstoffen bedroht. Die betroffenen Staaten sind aufgerufen, klare Schutzzonen einzurichten und diese auch zu sichern."

Im brasilianischen Parlament hat sich vor kurzem eine Freundschaftsgruppe mit Österreich gegründet, deren Vorsitzende Bayr treffen wird. "Es ist eine große Chance für mich, die Vorsitzende der brasilianisch-österreichischen Freundschaftsgruppe des Parlaments zu treffen. Das gibt mir die Möglichkeit zu einem intensiven Austausch", zeigt sich Bayr erfreut.

Auf der Konferenz Rio +20 wird der Startschuss für die Erarbeitung der Post-"Millennium Development Goals"-Ära gegeben. In "Sustainable Development Goals" sollen Ziele für nachhaltige Entwicklung formuliert werden. "Dabei müssen Fragen von Bevölkerungswachstum und sexuellen Rechten eine zentrale Rolle einnehmen - und ich habe mir vorgenommen, in Rio diesen Aspekt wo immer es mir möglich ist, in die Diskussion einzubringen", so Bayr.

Zum heutigen Auftakt des Rio+20-Gipfels meldet sich auch die Dreikönigsaktion - Hilfswerk der Katholischen Jungschar gegen das umstrittene Staudammprojekt Belo Monte im brasilianischen Bundesstaat Pará zu Wort. Sie fordert einen sofortigen Baustopp und den Ausstieg von Andritz aus dem Projekt.

"Belo Monte hat mit grüner Energie, wie die am Rio+20 Gipfel vertretenen Regierungen die Wasserkraft bezeichnen, nichts zu tun", sagt Anna Maria Hirtenfelder von der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar. "Der Rio+20-Gipfel steht unter dem Motto 'Die Zukunft, die wir wollen': doch eine Zukunft mit Vertreibung und
Umweltzerstörung im Namen der Grünen Wirtschaft wollen wir bestimmt nicht". Die Dreikönigsaktion solidarisiert sich mit den Protesten die in den vergangenen Tagen in Rio de Janeiro und im Staudammgebiet stattgefunden haben, wo Hunderte AktivistInnen am 15.6. die Baustelle besetzt haben. Die Gruppen fordern die brasilianische Regierung auf, das Projekt sofort zu stoppen. Auch in Deutschland wurde heute vor der brasilianischen Botschaft in Berlin und vor dem Firmensitz der Voith Hydro - die so wie die österreichische Andritz AG auf satte
Profite aus dem Belo Monte-Deal hofft - protestiert."

Die Rio+20-Forderungen, die von über 30 österreichischen Umwelt-und Entwicklungsorganisationen am 15.06.2012 an BM Niki Berlakovich und Staatssekretär Wolfgang Waldner übergeben wurden, zeigen klar,
dass die schönen Worte am Konferenztisch und die gelebte Realität im krassen Gegensatz zueinander stehen. Es ist nicht zu rechtfertigen, dass für österreichische Firmen innerhalb der Grenzen Österreichs andere Standards herrschen als außerhalb der Landesgrenzen. So mag die Andritz AG vielleicht im Inland ein Vorzeigeunternehmen sein, aber in Brasilien und anderswo beteiligt sie sich an Unrechtsprojekten. Auch die brasilianische
Regierung, die Gastgeberin des UN Gipfels ist, sollte sich überlegen, wie diese Gegensätze überwunden werden könnten und 'Green Economy' zu einer Wirtschaftsweise werden kann, die zu Wohlstand für alle im
Sinne eines guten Lebens innerhalb der ökologischen Grenzen beiträgt.

Erst wenn wir sehen, dass am Ende der Verhandlungstage ein rechtlich bindendes Rahmenwerk geschaffen wurde, können wir davon ausgehen, dass es sich bei den starken Worten der Regierungen nicht nur um
Lippenbekenntnisse handelt."
Die Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar ist in Rio mit Daniel Bacher vertreten und beteiligt sich vor Ort an der Vernetzung zivilgesellschaftlicher Organisationen im Einsatz für Menschenrechte und den Schutz der natürlichen Ressourcen.

Umweltminister Berlakovich hat seine Teilnahme an der Rio+20 Konferenz kurzfristig abgesagt."Ich fahre nicht zum Feiern und zum Jubeln nach Brasilien", sagt der Minister in einem Interview für die Tageszeitung ÖSTERREICH (Donnerstag-Ausgabe). "Das Abschlussdokument wurde bereits vor Beginn der Konferenz vorgelegt, es gibt somit nichts mehr zu verhandeln. Das ist ein Gipfel der vergebenen Chancen", betont Berlakovich. Der Minister weiter: "Flüge, Hotels etc. - das hätte sich summiert. Ich fliege nicht zu einer Konferenz, die schon zu Ende ist, bevor sie begonnen hat. Die Menschen hätten dafür kein Verständnis, die Leute wollen Ergebnisse sehen."


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /