© Petra- Pezibear /pixabay.com
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„Gefördertes Tierleid“ – „Vom Beisl bis zum Haubenlokal“

Veranstaltungen der Initiative „Gutes Gewissen – Guter Geschmack“ zeigten, dass Jede/r auf das Wohlergehen der Tiere achten kann

Die Abendveranstaltung ‘Gefördertes Tierleid’ widmete sich dem Aspekt von Fördergeldern aus dem EU-Raum für Betriebe im EU-Ausland, in denen ohne Einhaltung von EU-Normen Massenproduktion mit Umweltzerstörung und massivem Tierleid einhergeht. Gleichzeitig geraten aber heimische Qualitätsbetriebe durch genau diese Billigstkonkurrenz immer mehr unter Druck.

Die Fachtagung ‘Vom Beisl bis zum Haubenlokal’ behandelte das Thema, wie ein achtsamer Umgangs mit Tieren auch in Gastronomiebetrieben berücksichtigt werden kann. Denn derzeit ist es in den meisten Gastronomiebetrieben für den Gast kaum nachvollziehbar, woher der tierischen Produkte stammen. Beiträge von ExpertInnen werden ergänzt durch Berichte aus der Praxis – von LandwirtInnen bis hin zu Spitzengastronomen. Ein weiterer Schwerpunkt wird sein, wie Produkte aus vorbildlichen Betrieben in Gastronomiebetrieben gekennzeichnet werden können. Und: Welchen Beitrag und Unterstützung die öffentliche Hand und Kommunen dazu leisten können.

Der Hintergrund:

Ein glückliches Leben auf der Weide für unsere landwirtschaftlichen Tiere, die uns Milch, Eier, Fleisch liefern? Werbebilder und Slogans wie ‘Bauernhofgarantie, aus eigener Landwirtschaft’ oder ‘vom Bauernladen" sollen eine Idylle vorgaukeln, die es bei unseren Nutztieren nicht gibt – auch nicht in Österreich. ‘Wer Eier, Fleisch oder andere Produkte aus Massentierhaltung konsumiert, nimmt in Kauf, dass dem Tier Schmerzen zugefügt wurden’, betont Eva Persy, Leiterin der Tierschutzombudsstelle Wien (TOW). Etwa wenn Ferkel ohne Betäubung kastriert und Kälbern ihre Hornanlagen weggebrannt werden und Schweinen die Schwänze ohne Schmerzbetäubung gekürzt werden. Die meisten Tiere sehen während ihres kurzen Lebens nie eine Weide, Muttersäue werden einen Teil ihres Lebens in engen Metallgestängen, den sogenannten Kastenständen, so fixiert, dass sie sich nicht einmal umdrehen können.
Das betrifft alles auch die landwirtschaftlichen Tiere in Österreich.

‘Gerade bei der Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren gehen Tierschutz und Umweltschutz Hand in Hand’, erläutert Karin Büchl-Krammerstätter, Leiterin der Wiener Umweltschutzabteilung – MA 22. ‘Je intensiver die Haltung, je stärker der Kraftfuttereinsatz ist, umso größer sind die damit verbundenen Umweltbelastungen.’

Wer Produkte aus Österreich kauft, hat zumindest die Garantie, dass Mindeststandards eingehalten werden, die teilweise etwas höher als in anderen EU-Ländern sind und noch wesentlich besser als in den meisten Nicht-EU-Ländern.

Doch der klare Wille von KonsumentInnen zur Berücksichtigung von Tierwohl und Umweltschutz hat seine Grenzen – denn es geht noch viel schlimmer: Denn derzeit werden auch von Österreich aus Massentierhaltungsbetriebe außerhalb der EU mit öffentlichen Geldern unterstützt, die unsere Mindeststandards betreffend des Tier-und Umweltschutzes weit unterschreiten!

Wer das Fleisch selbst einkauft, kann sich noch informieren und auswählen. Doch in der Gastronomie ist es für den Gast derzeit kaum nachvollziehbar, woher die tierischen Produkte stammen.


‘Gefördertes Tierleid’ im RadioKulturhaus

Impulsreferate von Nicolas Entrup, einem langjährigen Aktivisten in der Tierschutzbewegung und Gründer des Kampagnenbüros Shifting Values und von Josef Plank, dem Generalsekretär der Landwirtschaftskammer Österreich, eröffneten die Veranstaltung.

Nicolas Entrup berichtete zum Thema ‘Internationale Finanzinstitutionen, Exportkreditagenturen und Tierwohl in der Landwirtschaft’. Dabei zeigte er auf, wie mit Hilfe des Finanzsystems auch im EU-Raum öffentliche Mittel eingesetzt werden, um Massenhaltungsbetriebe im EU-Ausland zu finanzieren, die milliardenfaches Tierleid verursachen – beispielsweise mit Kastenstandhaltung von Zuchtsauen, Masthühnerhaltung oder Käfighaltung von Legehennen. Darüber hinaus verursachen ebendiese Betriebe auch massive Umweltschäden. Die Folgen sind Behinderung statt Förderung der Umstellung auf tiergerechtere Systeme, unfairer Wettbewerb und nicht zuletzt Verbrauchertäuschung im heimischen Markt.

Josef Plank berichtete aus der Sicht aus der Landwirtschaftskammer Österreich die Auswirkungen dieses Systems auf die heimischen Landwirtschaftsbetriebe – die unter Einhaltung von Umwelt- und Tierhaltungs-Mindeststandards mehr und mehr in einem ungleichen Wettbewerb mit diesen ausländischen Billigstproduzenten bestehen müssen.

Danach diskutierten in einer Gesprächsrunde Nicolas Entrup und Josef Plank gemeinsam mit Karin Büchl-Krammerstätter, der Leiterin der Wiener Umweltschutzabteilung – MA 22 und Friedhelm Boschert, dem Vorstandsvorsitzenden von Oikocredit Austria, einer internationalen Genossenschaft, die Mikrofinanzinstitutionen, Kooperativen sowie kleine und mittlere Unternehmen im Globalen Süden refinanziert. Bei der Vergabe von
Unterstützungen durch Oikocredit ist unter anderem auch die Einhaltung von Tierhaltungs-Mindeststandards eine Voraussetzung. Moderiert wurde von Johannes Kaup (Ö1).

"Gutes Gewissen – Guter Geschmack: Vom Beisl bis zum Haubenlokal’

Die Fachtagung ‘Vom Beisl bis zum Haubenlokal’ am 9. November im Impact Hub Vienna widmete sich dem Aspekt des Tierwohls und des Umweltschutzes in Gastronomie- und Tourismusbetriebe.
Zu Beginn zeigte Steffen Entenmann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Humboldt-Universität zu Berlin ‘Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung’ auf – so der Titel eines Gutachtens, das für den Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik beim deutschen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erstellt wurde.
Laut Entenmann sei die Leidensfähigkeit der Tiere und ihr Recht auf Schutz vor vermeidbaren Schmerzen gesellschaftlich durchgängig anerkannt und werde zunehmend eingefordert. Auch werden die Forderungen nach Leidensfreiheit zunehmend erweitert um die Erwartung, dass angeborene Verhaltensmuster ausgelebt werden können. Und die gesellschaftliche Einstellung zur Landwirtschaft werde sich in Zukunft noch stärker wandeln.
Vor diesem Hintergrund seien die derzeitigen Haltungsbedingungen in wesentlichen Teilen nicht zukunftsfähig. Tierschutz müsse ein stärkerer Bestandteil der Agrarpolitik und der Förderung werden – und gleichzeitig sei eine neue Kultur von Fleischproduktion und Fleischkonsum notwendig: weniger und besser.

Entenmanns Leitlinien für eine zukunftsfähige Tierhaltung aus Sicht des Tierschutzes:

Zugang zu verschiedenen Klimazonen, vorzugsweise Außenklima
Angebot unterschiedlicher Funktionsbereiche mit verschiedenen Bodenbelägen
Angebot von Einrichtungen, Stoffen und Reizen zur artgemäßen Beschäftigung, Nahrungsaufnahme und Körperpflege
Angebot von ausreichend Platz
Verzicht auf Amputationen zur Anpassung an Haltungssysteme
Routinemäßige betriebliche Eigenkontrollen
Deutlich reduzierter Arzneimitteleinsatz
Hoher Bildungs-, Kenntnis-und Motivationsstand der im Tierbereich arbeitenden Personen
Stärkere Berücksichtigung funktionaler Merkmale in der Zucht

Erweiterte Tierschutzstandards verursachen allerdings hohe Kosten – und der nötige Umbau könne nicht von der Landwirtschaft alleine getragen werden. Daher brauche es ein Gesamtkonzept zur Finanzierung der notwendigen Veränderungen und klare Signale an die Land- und Ernährungswirtschaft. Mit dem Ziel: Zum Weltmarktführer für moderne, tierwohl-und umwelt-orientierte Nutztierhaltung zu werden.

Der Land- und Seewirt Klaus Dutzler
Als zweiter Impulsreferent berichtete Klaus Dutzler aus der Praxis: Er betreibt mit seiner Frau den Betrieb ‘Seewirt’ am oberösterreichischen Gleinkersee sowie eine angeschlossene Landwirtschaft mit Rinder- und Schweinehaltung. ‘In unserem Betrieb werden nur Tiere verarbeitet, die ein artgerechtes Leben geführt haben: Das heißt Schweine und Rinder in Freilandhaltung, alles kontrolliert und biozertifiziert’, so Klaus Dutzler. ‘Wir schlachten und verarbeiten alle Tiere selbst ,Nose to tail‘, also eine nachhaltige Verwertung des gesamten Tieres und nicht nur von wertvolleren Einzelteilen. Tierwohl auf der einen Seite geht Hand in Hand mit höchster Qualität des Produktes Fleisch. Dank Kooperationen mit Bio-Bauern der Umgebung können wir in einem Gasthaus mit oft über 1000 Gästen pro Tag, diese hohe Qualität über die gesamte Saison anbieten.’

Dutzlers These lautet: ‘Tierwohl spielt in der Gastronomie aktuell keine Rolle. Die hohen Nebenkosten, die schwierigen steuerlichen Rahmenbedingungen sorgen dafür, dass vor allem bei den ,Produkten‘ gespart wird. Dabei gäbe es vielfältige Gründe, das Tierwohl in den Mittelpunkt zu rücken. Auch Nutztiere müssen ein artgerechtes Leben führen können. Tierwohl sorgt auch für eine bessere Qualität des Produkts – es schmeckt besser.’

Aus eigener Erfahrung weiß der ‘Seewirt’ hingegen: ‘Gastronomie, die das Tierwohl in den Vordergrund rückt, hat besseren Kontakt zum Gast. Die Gäste sind zufriedener und kommunizieren das auch.’ Wichtig seien dabei Transparenz und Glaubwürdigkeit. ‘Dass ein Wirt Tierwohl ernst nimmt, muss ,bewiesen werden‘, damit es nicht zur Marketingmasche wird.’

Ein möglicher Weg, glaubwürdig zu belegen, dass ‘Tierwohl ernst genommen wird, sei die Bio-Zertifizierung des Angebots oder Teilen davon. Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Kooperation mit LandwirtInnen der Umgebung: ‘Hier kann der Wirt selber überprüfen, wie mit Tieren umgegangen wird. Landwirte können direkt liefern und so auch eine höhere Wertschöpfung für sich erzielen.’

Vorbilder vor den Vorhang

Ein weiterer Programmpunkt bei der Fachtagung war ein ‘Speed-Dating’ mit Betrieben und Initiativen, die bereits Schritte für ein besseres Tierwohl gesetzt haben – oder auch weitere planen. Stationen im Rahmen dieses ‘Speed-Datings’:

Das Programm ‘ÖkoKauf Wien’
Die Dachmarke ‘Bio Austria’
Peter Altendorfer, Bürgermeister der Biogemeinde Seeham
Steffen Entenmann von der Humboldt-Universität zu Berlin
Josef Floh von der Gastwirtschaft Floh
Der Haubenkoch Christian Petz vom Lokal Gusshaus
Klaus Dutzler, Journalist, Land- und Seewirt
Das Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser und der ‘Natürlich Gut-Teller’
Die Initiative ‘Land schafft Leben’
Das Programm ÖkoBusinessPlan der Wiener Umweltschutzabteilung – MA 22
Die Initiative animal.fair
Die ‘Vegane Gesellschaft’
Der ‘Verein gegen Tierfabriken’
Die NGO ‘Vier Pfoten’
Michael Wurzer von der Zentralen AG der Österreichischen Geflügelwirtschaft



Am Nachmittag wurde dann in vier Workshops inhaltlich an möglichen Modellen und Verbesserungen für das Tierwohl im Zusammenhang mit Gastronomiebetrieben gearbeitet: Ziel ist es, Strategien, Impulse und Lösungen für Bewusstseinsbildung zu entwickeln und damit eine Verbesserung der Situation von Tieren in der Lebensmittelproduktion zu unterstützen.


Gutes Gewissen – Guter Geschmack

Die gemeinsame Initiative ‘Gutes Gewissen – Guter Geschmack’ der Wiener Umweltschutzabteilung – Magistratsabteilung 22 und der Tierschutzombudsstelle Wien hat es sich zum Ziel gesetzt, die Auswirkungen unseres Lebensmittelkonsums auf Umwelt, Tier und Mensch aufzuzeigen und gemeinsam Lösungsvorschläge für mehr Tier- und Umweltschutz in der Lebensmittelproduktion zu entwickeln.
Die Rahmenbedingungen des globalen Marktes für Lebensmittel und insbesondere Fleisch sind komplex, die rechtlichen Vorgaben – wie Hygienebestimmungen – werden immer umfangreicher. Die Handlungsspielräume jedes/r Einzelnen erscheinen auf den ersten Blick enger zu werden. Gleichzeitig gibt es eine wachsende Aufmerksamkeit für die Beziehungen zwischen Mensch-Umwelt-Tier und die ethischen Handlungsoptionen dazu.

Anliegen ist, bewusst zu machen, dass jede und jeder Einzelne sowohl die Möglichkeiten als auch die Verantwortung hat, mit seinen Entscheidungen und Handlungen auf das Wohlergehen von Tieren zu achten – seien es Landwirte, Lebensmittelproduzenten, der Handel oder KonsumentInnen. Dabei gilt es, Menschen in allen genannten Bereichen anzuregen, etwas zu einer positiven Veränderung beizutragen, um die Lebenssituation der Tiere und die Umwelt zu verbessern.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /