©  Laden eines Elektroautos
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Projekt „Electrific“: Vernetzte Navigation für E-Fahrzeuge und mehr

TH Deggendorf und Universität Passau gestalten Zukunft der Elektromobilität

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Hochschule Deggendorf (THD) und der Universität Passau arbeiten im Rahmen des EU-Programms ‘Horizont 2020’ gemeinsam daran, die Nutzung von Elektrofahrzeugen für Endverbraucher attraktiver und nachhaltiger zu gestalten. Einfachere Ladevorgänge, längere Batterielebenszeiten und eine bessere Integration des Stromnetzes, auch hinsichtlich erneuerbarer Energien, stehen dabei im Mittelpunkt. Das interdisziplinäre Projekt ‘Electrific’ mit Partnern aus ganz Europa ist auf drei Jahre angelegt.

Die Reichweite der Batterie ist häufig die Schwachstelle der Elektroautos. Dies liegt auch am Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer. Ein Beispiel: Ein Fahrer muss am nächsten Tag die Kinder zur Schule bringen, anschließend zur Arbeit, dann zum Supermarkt und noch zur Reinigung. Der Fahrer hat bereits einen bestimmten Ablauf im Kopf und neigt dazu, die Batterie vor Fahrtbeginn vollständig zu laden und auf dem Heimweg schnell nachzuladen. Doch beides wirkt sich langfristig negativ auf die Lebensdauer der Batterie aus.

Die Forscherinnen und Forscher arbeiten im Rahmen des EU-Projekts ‘Electrific’ gemeinsam an einem intelligenten Navigationssystem, dem ‘Advanced Driver Assistance System’ (ADAS). Folgende Fähigkeiten soll das System haben:

- Es schlägt dem Fahrer batteriefreundlichere Ladezeitpunkte und –orte vor. Zum Beispiel an der
Tankstelle neben der Reinigung, wenn die Batterie tatsächlich geladen werden muss.

- Das System bezieht aktuelle Informationen aus dem Elektrizitätsnetz mit ein. Es zeigt dem Fahrer
eine Route auf, mit der er möglichst viel Strom aus erneuerbaren Energiequellen nutzen kann.

- Es berechnet die Lastkurve des örtlichen Elektrizitätsnetzes und die Wetterprognosen, um starke
Spannungsschwankungen im Netz zu verhindern. Denn sollten 2020 tatsächlich eine Million
Elektroautos auf deutschen Straßen fahren, könnte das Stromnetz instabil reagieren oder gar
ausfallen, wenn die Fahrerinnen und Fahrer gleichzeitig aufladen.

Auslastung des Stromnetzes, Qualität des Stroms, optimaler Ladezeitpunkt – diese Informationen kombiniert das Passauer Team und schickt sie dem intelligenten Navi. Die Forscherinnen und Forscher entwickeln lernfähige Algorithmen, die dann – je nach Informationslage – Entscheidungen treffen und diese wiederum an veränderte Situationen auch anpassen können.

So könnte das Navi dem Fahrer empfehlen, bei seiner Route die Wetterdaten zu berücksichtigen: Wenn mittags um 14 Uhr am Supermarkt die Sonne scheint, kann es möglicherweise sinnvoll sein, früher als geplant nachzuladen. Denn der Prozentsatz an Solarenergie an der Ladestation wäre dann deutlich höher, der Strom, der in der Batterie landet, umweltfreundlicher. Während der Fahrer einkauft, kann die Batterie nachgeladen werden.



Das Forschungsteam aus Deggendorf arbeitet an batterieschonenderen Ladeprozessen und Prozessen zur Optimierung der Batterie-Alterung. ‘Kennt man den Fahrer eines Fahrzeuges und sein Nutzungs-Verhalten bzw. seine Anforderungen, so kann man den Ladestress für die Batterie senken’, erklärt Prof. Dr. Andreas Berl, Projektleiter von ‘Electrific’ an der THD. Aufbauen kann Prof. Berl mit seinem Team auf das im Projekt E-WALD gewonnene Know-How. Die notwendigen Daten werden mittels des an der THD entwickelten und in den Fahrzeugen des Flottenbetreibers E-WALD-GmbH verbauten InCarApp Fahrerassistenzsystems gesammelt und analysiert. Die Pilot-Versuche werden in drei europäischen Regionen (Bayerischer Wald, Šumava in Tschechien und Barcelona in Spanien) durchgeführt.

Passau untersucht Integration ins Stromnetz

Prof. Dr. Ing. Hermann de Meer erläutert das Passauer Teilprojekt folgendermaßen: ‘Für uns stehen vier Dimensionen der Optimierung im Vordergrund: Zum einen suchen wir nach technischen Lösungen, die besonders batteriefreundlich sind. Daneben soll der Ladevorgang insgesamt netzfreundlicher werden, damit eine Zunahme der E-Mobilität sich nicht nachteilig auf die Stabilität des Stromnetzes auswirkt. Ein Schwachpunkt der E-Mobilität ist bisher auch die Integration erneuerbarer Energien, auch hier wollen wir Lösungen und Steuerungsmöglichkeiten aufzeigen. Viertens beziehen wir das Interesse der Fahrer mit ein, insbesondere die Frage nach den passenden Anreizen.’

Damit die Fahrerinnen und Fahrer die Vorschläge annehmen, arbeiten Expertinnen und Experten aus der Psychologie und der Wirtschaftsinformatik an psychologischen und ökonomischen Anreizmechanismen. Dazu zählen etwa Boni und Preisrabatte an den Ladestationen.

Im EU-Projekt ‘Electrific’ haben sich insgesamt elf europäische Partner zusammengeschlossen, die Elektromobilität gemeinsam attraktiver und nachhaltiger gestalten wollen. Zum Projektkonsortium zählen:

- GFI ADELIOR (Belgien) als Koordinator
- Universität Mannheim
- Technische Hochschule Deggendorf
- E-WALD GmbH
- Universität Passau
- FREEMIND CONSULTING (Belgien)
- Technische Universität Prag (Tschechische Republik)
- has-to-be GmbH (Österreich) – Expertise Ladeinfrastuktur Backend
- Agencia de Ecologia Urbana de Barelona Consorcio (Spanien)
- Bayernwerk AG – Energieversorger / Kooperationspartner E-WALD GmbH
- e-Šumava (Tschechische Republik)


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /