© Maximilian Urschl DUH / Demo in Frankfurt vor der IAA
© Maximilian Urschl DUH / Demo in Frankfurt vor der IAA

Es ist Zeit, endlich zu handeln!

Bilanz nach zwei Jahren Dieselgate und zehn Jahren Abgasbetrug: Autokonzerne präsentieren vor allem schmutzige Diesel-SUVs und verweigern Elektro-Pkws

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) demonstrierte zur offiziellen Eröffnung und anlässlichder Rede der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Frankfurter Internationalen Automobilausstellung (IAA) gegen gesundheitsschädliche Dieselabgase und für ‘Saubere Luft in unseren Städten’ sowie ehrliche Spritverbrauchsangaben. Die diesjährige IAA steht sogar noch mehr im Diesel-Abgas als vor zwei Jahren: Als hätte es Dieselgate nicht gegeben präsentierten die Autokonzerne so viele Diesel-SUVs wie nie zuvor.

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH kritisiert, dass Neuvorstellungen bestellbarer Serien-Elektro-Modelle ebenso fehlen wie die seit 20 Jahren angekündigten Serien-Pkw mit Brennstoffzellen. ‘Wo sind die vielen Milliarden Steuermittel der letzten Jahre für die Förderung emissionsarmer PKW mit Brennstoffzellen und Elektro-Antrieb versickert? Die Zahl deutscher Elektromodelle ist 2017 sogar geschrumpft, bei SUVs hat sie sich verdoppelt. Wer erinnert sich noch an das Ziel von einer Million Elektrofahrzeuge in Deutschland bis 2020 als Gegenleistung für die Fördermilliarden und frühere Zusagen der Autokonzerne, viele neue Elektromodelle ab 2016/2017 anzubieten? Wie lange lassen sich die Autoparteien CDU/CSU/SPD im Deutschen Bundestag noch mit unverbindlichen, blumigen Versprechen für ‚viele neue Elektrofahrzeuge‘ ab 2020 bis 2025 abspeisen? Während sich auf der IAA die Elektromobilität weitgehend auf Konzeptstudien mit und ohne Lenkrad beschränkt, erleben wir eine beispiellose Offensive bestellbarer schmutziger Diesel-SUVs. Wir haben bei aktuell mit der ‘Umweltprämie’ beworbenen Diesel-Pkw Überschreitungen der Stickoxid-Laborgrenzwerte auf der Straße um das mehr als zehnfache gemessen. Das ist ein Generalangriff auf die Luftqualität in unseren Städten’, so Jürgen Resch.

Die DUH hat Bundeskanzlerin Merkel aufgefordert, sich nicht nur in politischen Gesprächen ‘stocksauer’ über das Verhalten der Autovorstände Zetsche, Krüger und Müller zu zeigen, sondern zu beweisen, dass sie und nicht die Autokonzerne dieses Land regiert. ‘Die Bundeskanzlerin muss ihren Fehler aus 2015 korrigieren und die Autobauer ultimativ auffordern, ab dem 1.1.2018 nur noch ‚saubere‘ Diesel-Pkw zu verkaufen, die auch auf der Straße und nicht nur im Labor die Abgasgrenzwerte einhalten. Außerdem muss sie den knapp neun Millionen betrogenen Käufern von Euro 5+6 Diesel-Pkw helfen, den aktuell eingetretenen Wertverlust für ihre Fahrzeuge ohne funktionierende Abgasreinigung und die deshalb drohenden Fahrverbote ab 2018 aufzuhalten. Dies geht nur, wenn die Autobauer durch einen von der Bundesregierung verfügten Rückruf dazu verpflichtet werden, diese Betrugs-Diesel technisch so nachzurüsten, dass sie die Euro 6 Abgasgrenzwerte auf der Straße unter allen Fahrbedingungen einhalten. Nur so kann die ‘Saubere Luft in unseren Städten’ erreicht werden, ohne die von den Autokonzernen im In- und Ausland betrogenen Diesel-Käufer ein zweites Mal zu schädigen’, so Resch.

Merkel persönlich hatte im Herbst 2015 auf Anweisung der Autobosse in Brüssel gegen den Widerstand der EU-Kommission und des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments durchgesetzt, dass Diesel-Pkw noch bis 2023 auf der Straße schmutziger sein dürfen als im Labor. Die Folgen dieser Klientelpolitik für die innerstädtische Luftqualität erleben wir heute: Erste Messungen der DUH durch ihr Emissions-Kontroll-Institut (EKI) an Diesel-Pkw, die derzeit mit amtlichem Segen mittels ‘Umweltprämien’ beworben werden, belegen Überschreitungen der Stickoxid-Grenzwerte auf der Straße um mehr als das Zehnfache. Die DUH wird die alarmierenden Abgasmessungen von aktuell mit ‘Umweltprämien’ beworbenen Diesel-Euro-6-Pkw in der kommenden Woche vorstellen.

Seit über zehn Jahren weist die DUH nunmehr darauf hin, dass die Automobilkonzerne mit illegalen Praktiken falsche Spritverbrauchs- und Emissionswerte herbeizaubern. Doch trotz der damit verbundenen Mehrbelastung der Fahrzeughalter und der mit erhöhten Emissionen verbundenen Belastung von Klima und Luftqualität, ergreift die Bundesregierung nach wie vor keine wirksamen Maßnahmen.

Die DUH hat dokumentiert, was aus den vollmundigen Ankündigungen deutscher Politiker zu ‚Änderungen im System der Zulassung und Kontrolle‘ umgesetzt wurde: Nämlich praktisch nichts ( http://l.duh.de/p170914a ). Weder sind unabhängige Kontrollen des Emissionsverhaltens von neuen Pkw auf den Weg gebracht, noch eine wirkungsvolle Abgasprüfung für die Bestandsflotte. Ebenfalls Fehlanzeige: Musterfeststellungsklage oder Verbraucherbeirat im Kraftfahrt-Bundesamt. Die beiden bislang veranstalteten Diesel-Gipfel zeigen deutlich, dass die Industrie die Politik weiter vor sich hertreibt.

‘Die beiden bisherigen Diesel-Gipfel waren nichts als Ablenkungsmanöver vor der anstehenden Bundestagswahl. Kanzlerin Merkel, ihr Verkehrsminister Dobrindt sowie die Länderregierungschefs drücken sich davor, wirklich wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die NO2-Belastung in unseren Städten zu senken. Mit dieser nicht einmal halbherzigen Strategie werden sie weder den Schutz der Verbraucher vor dem Wertverlust quasi neuer Fahrzeuge noch Fahrverbote für Dieselfahrzeuge ab dem kommenden Jahr verhindern’, sagt Dorothee Saar, Bereichsleiterin Verkehr & Luftreinhaltung der DUH.

Neben der Verpflichtung der Automobilhersteller, ab dem 1. Januar 2018 nur noch saubere Diesel-Pkw zu verkaufen und die technische Nachrüstung der 8,7 Millionen Bestands-Diesel der Abgasstufen Euro 5+6, fordert die DUH Regierung und Autokonzerne auch auf, die tatsächlichen Spritverbrauchs- und damit CO2-Emissions-Daten offenzulegen und sich für die Zukunft zu verpflichten, wie in den USA ehrliche Verbrauchsdaten an die Behörden und damit Verbraucher weiterzuleiten.

In den USA kontrolliert die Umweltschutzbehörde EPA Bestands- und Serienfahrzeuge und verhängt harte Sanktionen bei Nichteinhaltung der Werte. Die Verbraucher können sich dort auf die offiziellen Herstellerangaben verlassen. Nicht so hierzulande: Das verantwortliche Kraftfahrt-Bundesamt hat in der Vergangenheit die Angaben der Hersteller ungeprüft übernommen und so den Betrug billigend in Kauf genommen. Falsche Spritverbrauchs- und CO2-Angaben der Automobilhersteller führen mittlerweile zu erhöhten Tankkosten von bis zu 7.000 Euro pro Fahrzeug, über eine angenommene Laufzeit von 200.000 Kilometern. ‘Was wir endlich brauchen, sind behördliche Nachmessungen und wirksame Sanktionen bei dokumentierten Verstößen. Nur so können die rechtswidrigen Manipulationen der Autoindustrie beendet werden,’ sagt Resch. Im Rahmen ihrer GetReal-Kampagne fordert die DUH ein Ende der Verbrauchertäuschung. Ziel ist, sich gegen die irreführenden Praktiken der Autoindustrie im Rahmen der Typzulassung einzusetzen und die Marktüberwachung zu verbessern.

Die Kampagne ‘Get Real – Für ehrliche Spritangaben!’ wird im Rahmen des LIFE-Programms der EU-Kommission gefördert und läuft bis Anfang 2020.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /