Sie hatte vor der Wahl etwas versprochen, was sie tatsächlich nach der Wahl nicht halten konnte: “Keine Zusammenarbeit mit der Linkspartei”. Dieses Versprechen musste die hessische SPD-Vorsitzende brechen, wenn sie ein anderes, inhaltliches, Versprechen halten wollte: Eine bessere Schulpolitik, Mindestlöhne sowie eine Politik gegen Atomkraft und für Erneuerbare Energien. Dafür wurde sie schließlich gewählt.
Andrea Ypsilanti nahm ihr eigenes Wahlprogramm ernster als ihre Abgrenzungsstrategie zur Linken im Wahlkampf. Ihren Fehler hatte sie nicht nach der Wahl gemacht - wie ihr viele unterstellen - sondern vor der Wahl. Im Wahlkampf hatte sie - mit Rücksicht auf Kurt Beck - die Linken so ausgegrenzt wie es die anderen Parteien auch taten. Das war falsch und undemokratisch. Unser Wahlsystem sieht nämlich vor, dass alle Parteien, welche die Fünf-Prozent-Hürde überspringen, demokratisch gewählt sind. Das Wahlrecht kennt kein Zwei-Klassen-Parteiensystem.
Es spricht nicht für die demokratische Reife der etablierten Parteien, eine neue, unbequeme Partei einfach ausgrenzen zu wollen. Gewählt ist gewählt! Und alle demokratisch gewählten Parteien sollten untereinander gesprächsbereit und eventuell auch koalitionsbereit sein. Alles andere ist schlicht eine Missachtung des Wählerwillens. Wenn die SPD ihr Verhältnis zur Linkspartei nicht endlich normalisiert, kann sich das jetzige Hessen-Desaster bald im Saarland, in Nordrhein-Westfalen und auf Bundesebene wiederholen.
Vor der Wahl bedächtiger mit Koalitionsaussagen umgehen, zumal der Wahlausgang absehbar war. Aber die Bundes-SPD macht in Bezug auf die Bundestagswahl schon wieder den nächsten Fehler, wenn sie im Bund für 2009 eine Koalition mit der Linken grundsätzlich ausschließt. Das glaubt jetzt sowieso niemand mehr und außerdem ist es machtpolitisch dumm. Es gibt schließlich eine Wählermehrheit links von der Mitte
Eine Partei aber, die nicht an die Macht will, gibt sich selbst auf. Wahlen werden in Demokratien zu dem Zweck durchgeführt, dass Parteien durch Regierungsbildung die Geschicke einer Gesellschaft bestimmen können und dazu brauchen sie die Macht und die Mehrheit - was immer sie vor der Wahl gesagt haben. Wieder einmal waren die Wähler klüger als die Parteistrategen.
Ihr Versuch, sich zur Wahl zu stellen, Frau Ypsilanti, war riskant, aber mutig und richtig. Er entsprach dem Wählerwillen. Und ihr rechtzeitiger Rückzug verdient Respekt.
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Franz Alt, 08.03.2008
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