Vor dreissig Jahren am 8.8.1978

Deutsche Umwelt- und Gesundheitsschützer hoffen auf neue Erkenntnisse des Bundesverfassungsgerichts

Vor 30 Jahren am 8.8.1978 urteilte das deutsche Bundesverfassungsgericht letztmals grundsätzlich über die Nutzung der Atomenergie. Damals sagte das BVerfG im legendären Kalkar-Urteil, dass ein Restrisiko unter Umständen hinzunehmen sei. Wenn also der Eintritt eines katastrophalen Unfalls nur etwa einmal pro hunderttausend Jahren zu befürchten sei, müsse dies die Gesellschaft ertragen, da sie ja auch große Vorteile aus der Nutzung der Atomenergie habe. Im Urteil vom 8.8.1978 stehen dann wegweisende Sätze, die sich vielleicht erst beim zweiten Lesen erschließen:

‘Hinzu kommt dabei, daß die Abschätzung künftiger Schäden nur auf Annäherungswissen beruht, das nicht volle Gewißheit vermittelt, sondern durch jede neue Erfahrung korrigierbar ist und sich insofern immer nur auf dem neuesten Stand unwiderlegten möglichen Irrtums befindet. Ungewißheiten jenseits dieser Schwelle praktischer Vernunft haben ihre Ursache in den Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens; sie sind unentrinnbar und insofern als sozial-adäquate Lasten von allen Bürgern zu tragen.’

Nach Ansicht von uns Umwelt- und Gesundheitsschützern ist es überfällig, dass das Bundesverfassungsgericht im Lichte der Erfahrungen von Harrisburg (28. März 1979), Tschernobyl (26.4.1986) und New York (11.9.2001) zu einer neuen Erkenntnis kommt. Die abzusehenden Risiken der Atomanlagen für die Menschen in Deutschland sind viel größer als noch im Jahr 1978 geglaubt. Unsere Grundrechte auf gesundheitliche Unversehrtheit, Leben und auch Eigentum sind massiv bedroht. Hinzukommt, dass die Gesellschaft nicht auf die Nutzung der Atomenergie angewiesen ist. Im Jahr 2007 trug sie in Deutschland nur noch 22,1 Prozent zur Stromversorgung und 5 Prozent zur Gesamtenergieversorgung bei.

Im September 2006 haben die fünf gegen die Atommüll-Lagerung in Gundremmingen klagenden Nachbarn getragen durch den Verein FORUM Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik e.V. Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Dem schlossen sich auch Kläger gegen die Zwischenlager in Ohu (bei Landshut in Niederbayern) und Grafenrheinfeld (bei Schweinfurt in Unterfranken) an. Wir warten seitdem auf den Beschluss des BVerfG, ob es diese Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung annimmt.

Quelle:
FORUM Gemeinsam gegen das Zwischenlager

GastautorIn: Raimund Kamm für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /