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bigstock | EpicStockMedia | Schnell, schnell, schnell – obwohl alles, auch die klimapolitische Vernunft, dafür spricht, ist ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen für den Verkehrsminister ein Angriff auf den "gesunden Menschenverstand".

© bigstock | EpicStockMedia | Schnell, schnell, schnell – obwohl alles, auch die klimapolitische Vernunft, dafür spricht, ist ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen für den Verkehrsminister ein Angriff auf den "gesunden Menschenverstand".

Regierung verabschiedet Klimaschutzbericht 2018

Die „Klimalücke“, die Deutschland im kommenden Jahr droht, beträgt nun auch regierungsoffiziell acht Prozentpunkte. Das Kabinett nahm den Klimaschutzbericht 2018 an. Mehr und mehr verhagelt der Bereich Verkehr die Bilanz.

Wenn es um Kritik an der Klimapolitik der Regierung geht, werden Bilder aus dem Bereich Verkehr immer beliebter. Der heute vom Bundeskabinett verabschiedete Klimaschutzbericht 2018 sei ein „Klima-Bummel-Bericht“, meint der Linken-Abgeordnete Lorenz Gösta Beutin. Nötig sei jetzt ein „Klima-Kickstart“, nicht nur, weil der Start in den Kohleausstieg bis 2022 „viel zu langsam“ sei. Deutschland benötige auch ein Autobahn-Limit bei Tempo 130. Weniger Geschwindigkeit heiße kleinere Motoren, weniger Spritverbrauch und weniger Klimagase.

Der Fokus auf den Verkehr ist nicht zufällig: Mit jeder Emissionsbilanz, die die Bundesregierung zu ziehen hat, wird das Klimaproblem auf den Straßen größer: Von 1990 bis 2020 sank der CO2-Ausstoß im Verkehr nur um insgesamt fünf bis sechs Millionen Tonnen und damit praktisch überhaupt nicht.

Selbst diese Quasi-Null-Bilanz droht diesmal verfehlt zu werden, warnt der aktuelle Klimaschutzbericht. So seien die Fahrleistungen höher und die Effizienzsteigerungen bei den Pkw geringer als noch vor Jahren angenommen.

Weil die Emissionen in den anderen Sektoren stärker sinken, steigt der Anteil des Verkehrs: Lag er 1990 noch bei gut 13 Prozent an den gesamten Emissionen Deutschlands, beträgt er heute knapp 18 Prozent und wird 2020 über 19 Prozent erreichen, sagt der Bericht. Und dabei werden die Emissionen, die durch den  Ausbau der Elektromobilität entstehen – kaum ein E-Auto fährt mit 100 Prozent Ökostrom –, bislang sogar noch der Energiewirtschaft zugeschlagen.

„Eine Debatte über die Platzierung von Messstellen hilft der Verkehrswende nicht weiter und lenkt vom eigentlichen Problem ab: Die Emissionen im Verkehr sind unbestreitbar schlecht für unsere Gesundheit und schlecht für das Klima“, kritisiert Henrik Maatsch von der Umweltstiftung WWF.

Gerade im Verkehrs- und im Gebäudesektor müssten die Emissionen nun endlich drastisch sinken, statt zu steigen. Dazu fordert der WWF die schnelle Verabschiedung eines Klimaschutzgesetzes, das für alle Sektoren verbindliche Maßnahmen zur Treibhausgasreduktion festschreiben müsse.

Für Anton Hofreiter, den Grünen-Fraktionschef im Bundestag, zieht sich das klimapolitische Versagen durch das ganze schwarz-rote Kabinett: „Herr Altmaier versagt beim Ausbau von Wind- und Sonnenenergie, Herr Seehofer kümmert sich überhaupt nicht um Klimaschutz beim Bauen und Wohnen, Frau Klöckner ist untätig im Bereich Landwirtschaft und Herr Scheuer versucht offensichtlich, Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr aktiv zu sabotieren“, holt Hofreiter zum Rundumschlag aus.

Scheuer stellt Verkehrskommission etwas breiter auf

Nun – Verkehrsminister Andreas Scheuer hat jetzt ein wenig auf die massive Kritik an seinem Umgang mit der Verkehrskommission reagiert. Laut Medienberichten will der CSU-Minister die Opposition im Bundestag in das Gremium einbinden. So wurden der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Cem Özdemir (Grüne), und seine Stellvertreterin Daniela Kluckert (FDP) in die sogenannte „Beratende Kommission“ der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität eingeladen. Abgeordnete von Union und SPD sitzen schon in der Kommission.

In das Untergremium der Verkehrskommission, aus dem der Vorschlag für Tempo 130 lanciert worden war, soll laut Handelsblatt nunmehr auch Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Telekommunikationsverbands Bitkom, einziehen. Scheuer begründete das mit dem Ziel, mithilfe der Digitalisierung den Verkehr effizienter zu gestalten und so Emissionen einzusparen. Verbote oder eine Verteuerung des fossilen Verkehrs, etwa durch Maut oder bei der Kfz-Steuer, lehnt der Minister nach wie vor ab.

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„Klimalücke“ bei acht Prozent

„Bis 2017 konnten in Deutschland die Treibhausgas­emissionen (ohne Landnutzungs­änderungen und Forstwirtschaft) um 27,7 Prozent gegenüber 1990 auf 905 Millionen Tonnen CO2 gesenkt werden. Das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 sollte einen Beitrag im Umfang von 62 bis 78 Millionen Tonnen CO2 zur Erreichung des 40-Prozent-Ziels erbringen. Nach einer Studie des BMU vom Oktober 2017 ist davon auszugehen, dass mit den bis dahin umgesetzten Maßnahmen bis 2020 eine Minderung der Treibhausgas­emissionen um etwa 32 Prozent gegenüber 1990 erreicht wird. Dies wird zu einer Lücke zur Zielerreichung von etwa 8 Prozentpunkten führen.“
(aus dem Klimaschutzbericht 2018)

Quelle

Der Bericht wurde von
der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude) 2019 verfasst – der Artikel
darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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