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DAV/Marco Kost | Der Gepatschferner gehört zu den Gletschern, die am schnellsten Schmelzen.

© DAV/Marco Kost | Der Gepatschferner gehört zu den Gletschern, die am schnellsten Schmelzen.

Gletscherbericht 2018/19: Schwund gebremst, doch der Schein trügt

Gletschermessdienst des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) präsentierte aktuelle Daten

Gletscherbilanz für 2018/2019: Rund 94 Prozent der österreichischen Gletscher sind erneut kleiner geworden, so der Gletscher-Messdienst des Österreichischen Alpenvereins. Allerdings sind im Untersuchungszeitraum die Eisriesen weniger stark abgeschmolzen, als in den Vorjahren. Diese Bremsung ist jedoch lediglich auf die im niederschlagsreichen Winter aufgebaute Schneereserve zurückzuführen, eine Trendwende ist nicht in Sicht.

„Ja, wir brauchen Gletscher!“, betont Alpenvereins-Vizepräsidentin Ingrid Hayek im Rahmen einer digitalen Video-Präsentation des aktuellen Gletscherberichtes. „Ähnlich wie bei Literatur, Umgangsformen oder Mozart ist es auch bei den Eisriesen: Diese sind nicht für unser rein physisches Überleben notwendig – sondern für unseren Geist und unseren Intellekt.“ Und wie es in wissenschaftlicher Hinsicht mit den heimischen Gletschern bestellt ist, das bilanziert seit 129 Jahren der Gletscherbericht des Österreichischen Alpenvereins. 

Von 92 untersuchten Gletschern sind 86 – also rund 94 Prozent – kleiner geworden. Der mittlere Rückzugsbetrag von 84 sowohl 2018 als auch 2019 vermessenen Gletschern betrug -14,3 Meter – eine deutliche Reduktion des Längenverlustes gegenüber den beiden Vorjahren. Fünf Gletscher veränderten sich in ihrer Länge praktisch nicht, einer der Gletscher wies sogar einen geringfügigen Vorstoß auf. Diese Ergebnisse sind jedoch keinesfalls als grundlegend verbesserte Bedingungen für das „ewige Eis“ zu werten – im niederschlagsreichen Winter aufgebaute Schneereserven schützten Teile der Gletscher vor ihrer Abschmelzung und bremsten den Gletscherschwund somit etwas ein.

Das Gletscherhaushaltsjahr 2018/19 charakterisieren die Experten erneut als sehr gletscherungünstig. Es reiht sich nahtlos in eine langanhaltende Periode außerordentlich gletscherungünstiger Bedingungen ein – das ist ein Effekt des herrschenden Klimawandels.

Keine Trendwende, nur eine temporäre Verlangsamung des Rückzugs

86 von den 92 untersuchten Gletschern waren im Rückzug. Der mittlere Rückzugsbetrag betrug 14,3 Meter und lag damit unter dem Wert des Vorjahres mit 17,2 Metern und sehr deutlich unter dem Extremwert des Jahres 2016/17 mit 25,2 Metern.

„Dass sich fünf Gletscher praktisch nicht verändert haben und einer sogar geringfügig vorgestoßen ist, kann als Besonderheit gewertet werden“, erklärt Gerhard Lieb, einer der beiden Leiter des Gletscher-Messdienstes. „Die schon seit Jahrzehnten andauernde Rückzugstendenz der Gletscher wurde jedoch keinesfalls gebremst“.

In den meisten Fällen lagen die Enden dieser Gletscher unter Altschnee aus dem vorangegangenen Winter – was das Eis etwas schützte – aber auch lokale topographische Gegebenheiten am Eisrand erklären diese scheinbar gletschergünstigen Werte.

„Beim einzigen vorstoßenden Gletscher fand auch nicht wirklich ein aktives Vorstoßen der Eismassen statt – es wurde mehr ein ‚nach vorne Kippen‘ des Eisrandes dokumentiert.“

Der Schein trügt demzufolge. „Die Gletscher wirken eingefallen, man sieht es ihnen vielfach optisch auch an, dass sie gletscherkundlich gesehen schlecht ernährt werden“ erklärt Lieb. Man findet das auch in Formulierungen einiger Messberichte: Formulierungen wie „ausapernde Felsstufen“, „fortschreitender Eiszerfall“, „zunehmende Schuttbedeckung“ oder „in Schollen zerbrochenes Eis“ beschreiben den aktuellen Zustand der Gletscher. Gletschermesser berichteten zudem, dass sich alpine Wegeverhältnisse durch den Gletscherschwund deutlich verschlechtert haben.


10 stärkste Rückgänge 2018/2019 – Längenverluste in Metern

  1. Bärenkopfkees (Glocknergruppe, Salzburg) – 86,9            
  2. Ochsentaler Gletscher (Silvrettagruppe, Vorarlberg) – 86,7
  3. Schweikertferner (Ötztaler Alpen, Tirol) – 86,3
  4. Karlingerkees (Glocknergruppe, Salzburg) – 71,7
  5. Pasterze (Glocknergruppe, Kärnten) – 60,0                        
  6. Weißseeferner (Ötztaler Alpen, Tirol) – 50,0
  7. Alpeinerferner (Stubaier Alpen, Tirol) – 42,7
  8. Berglasferner (Stubaier Alpen, Tirol) – 37,8
  9. Diemferner (Ötztaler Alpen, Tirol) – 31,4
  10. Gepatschferner (Ötztaler Alpen, Tirol) – 30,0

Der einzige Gletscher mit Vorstoß: Maurerkees, Glocknergruppe (+2,2 m)

 

Weitere Infos

 

 

Raich (l), Archiv DAV (r) | Gletscherveränderungen lassen sich auch anhand von Fotos dokumentieren: Links Einweihung der Alten Prager Hütte 2019; Rechts die Hütte um 1894.
Quelle

DAV / Deutscher Alpenverein 2020 |  Gletschermessdienst des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) präsentierte aktuelle Daten 2020

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