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WikiCommons | Phil MacDonald -CC BY-SA 4.0

© WikiCommons | Phil MacDonald -CC BY-SA 4.0 | Die Umgebung von Bełchatów in Polen leidet sehr unter Kohleabbau und -verstromung.

Polen beschließt (verspäteten) Kohleausstieg

Immerhin, nun hat auch Polen den Kohleausstieg beschlossen. 2049 soll Schluss sein. Zumindest für den Abbau der Kohle. Für Klima und Wirtschaft jedoch kommt der Ausstieg sehr spät.

Anfang August gab es Meldungen, dass Polens Regierung unter der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) einen Geheimplan entwickelt habe, bis 2036 aus der Kohle auszusteigen. Die taz berichtete. Doch die in Polen mächtigen Kohlegewerkschaften liefen Sturm gegen die Pläne. Nun einigten sie sich auf eine Beendigung des Kohleabbaus im Jahr 2049. Bis dahin gibt es weiter kräftige Subventionen für die Kohlewirtschaft und ihre Beschäftigten. Wie lange die Kohlekraftwerke selbst noch laufen ist weiterhin unklar.

Die PiS hat inzwischen erkannt, dass Kohleabbau und -verstromung sich wirtschaftlich nicht mehr lohnen. Vor allem der Steinkohlebergbau ist in Polen zunehmend defizitär. Aus immer tieferen Schichten muss die Kohle gefördert werden. Das ist teuer und die Qualität der Kohle leidet. Die Betreiber von Kohlekraftwerken importieren vermehrt Steinkohle die günstiger und besser ist.

Auch die Kohlekraftwerke selbst werden gegenüber Erneuerbaren Energien immer unrentabler. Darüber hinaus sind viele der Kraftwerke veraltet und sorgen für schlechte Luft. 33 der 50 dreckigsten Städte Europas liegen in Polen. Dazu tragen die Kohlekraftwerke ebenso bei wie die vielen Haushalte, die nach wie vor mit Kohle heizen.

Die Stimmen der Kohle-Leute sind wichtig für die PiS

Doch ein Kohleausstieg 2036 – und damit zwei Jahre früher als bislang in Deutschland vorgesehen – wurde von der Regierungspartei schnell wieder ad acta gelegt. Denn die PiS ist abhängig von den Stimmen der Kohle-Gewerkschaften und ihrer Bergleute. Vor den Präsidentschaftswahlen im Juni hatten die Gewerkschaften Werbung für Andrzej Duda, den PiS-Kandidaten gemacht, nachdem ihnen sichere Arbeitsplätze versprochen wurden. Seit 2015 ist die PiS in Polen an der Macht.

Zwar hatten die Kohle-Gewerkschaften ursprünglich einen Ausstieg aus dem Kohleabbau 2060 gefordert, aber mit den nun getroffenen Vereinbarungen können die Gewerkschaftler gut leben. So sollen die Bergleute ihre Jobs bis zur Rente behalten oder, wenn dies nicht möglich ist, hohe staatliche Unterstützungen erhalten. Auch wird es viel Geld für den Strukturwandel geben. Geld das für einen sozial verträglichen Kohleausstieg sorgt. Doch ob das nicht auch mit einem früheren Kohleausstieg machbar ist, ist Gegenstand der Debatte.

Dave Jones, Energieexperte des unabhängigen Think Tanks Ember kritisierte gegenüber Climate Home News: „In welcher Weise war der Steuerzahler in den geheimen Verhandlungen repräsentiert? Damit haben sie einen Blankoscheck unterzeichnet.“  Die Mehrheit der polnischen Bevölkerung spricht sich inzwischen für einen wesentlich früheren Kohleausstieg aus. Die klimatischen und gesundheitlichen Folgen der Kohleverstromung werden immer mehr Menschen bewusst. Langanhaltende Dürreperioden und Hitze trafen auch Polen in der jüngeren Vergangenheit. Und jährlich sterben etwa 45.000 Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung.

Ein Kohleausstieg bis 2035 wäre ohne Probleme machbar

Doch mit dem beschlossenen Kohleausstieg wurde lediglich eine laute Minderheit berücksichtigt. Dabei hatte Greenpeace in Polen unlängst analysiert, dass selbst unter einem Business-as-usual-Szenario ein Kohleausstieg bis 2035 problemlos machbar wäre, auch wenn Polen aktuell noch 75 Prozent seines Stroms aus Kohlekraftwerken bezieht. Ein Ausstieg bis Mitte des kommenden Jahrzehnts sei dabei schon aus wirtschaftlichen Belangen geboten.

Dazu kommentierte Joanna Flisowska von Greenpeace Polen gegenüber euractiv: „Es ist klar, dass ohne neue Rettungsleinen und Subventionen die Kohle auch in Polen in einer absolut ausweglosen Situation ist.“ Anstatt die Realität zu verzerren solle sich die Regierung darauf konzentrieren, den Übergang zu sauberen Energien zu beschleunigen und den Ausstieg aus der Kohleförderung bis spätestens 2030 voranzutreiben, forderte sie. Ungeachtet des nun beschlossenen Ausstiegdatums glauben Experten fest daran, dass ein Ende der Kohle weitaus früher kommen wird.

Die Mittel für Strukturwandel und soziale Abfederung in den betroffenen Kohleregionen Polens indes, will die Regierungspartei PiS auch aus EU-Geldern bestreiten. Das Abkommen zum Kohleausstieg liegt nun der EU-Kommission vor. Zwar hat Polen mit dem angekündigten Ende der Kohleverstromung einen wichtigen Schritt für das Ziel eines klimaneutralen Europas 2050 gemacht, doch ob die EU bis dahin weitere Kohle-Subventionen unterstützt ist fragwürdig.

Die EU schränkt Subventionen für die Kohle rechtlich immer weiter ein. Der Bergbau muss bereits seit letztem Jahr auf Hilfen der EU verzichten. Ab 2025 dürfen keine Kohlekraftwerke mehr unterstützt werden, die in Sicherheitsbereitschaft laufen. Ohne staatliche Unterstützung geht die Kohlekraft etwa in Spanien ihrem Ende entgegen. Lediglich Deutschland und künftig vielleicht auch Polen, halten die Kohleverstromung mit staatlicher Unterstützung künstlich am Leben.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion “energiezukunft“ (mf) 2020 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | energiezukunft | Heft 28 / 2019 | „Urbane Energiewende“ |  Jetzt lesen | Download | (Bild: Phil MacDonald / WikiCommons, CC BY-SA 4.0)

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