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Was wir wirklich für mehr Elektroautos brauchen

Die Zeichen stehen auf Strom, soviel scheint fix. Aber es ist noch einiges zu tun – Eine OEKONEWS-Ansichtssache von Chefredakteurin Doris Holler-Bruckner

Im Augenblick wächst der Absatz von Elektrofahrzeugen in Europa rapid, und zwar so stark, dass wir demnächst sogar schneller als China sein könnten. Das ist einem Bericht des Londoner Automobilforschungsunternehmens Jato Dynamics zu entnehmen. Erstmals seit 2015 haben die Verkäufe von Elektrofahrzeugen in Europa im ersten Halbjahr des heurigen Jahres jene von China übertroffen, trotz der Coronakrise. Es gingen zwar die Verkäufe von Fahrzeugen generell stark zurück, aber die Prognosen gehen für das zweite Halbjahr 2020 weiterhin von einem Anstieg der Verkaufszahlen aus.

Caren Alt | Das Team der SONNENSEITE fährt den elektrischen ID3 Max. Foto: Manuel Kögel, Bigi Alt und Franz Alt
Caren Alt | Das Team der SONNENSEITE fährt den elektrischen ID3 Max. Foto: Manuel Kögel, Bigi Alt und Franz Alt

So machten Elektrofahrzeuge im Juli 18% des europäischen Pkw-Volumens aus, ein absoluter Rekord: „Der Juli 2020 war ein Rekordmonat für EV-Zulassungen in Europa, mit einem Volumenanstieg von 131% gegenüber dem Vorjahr auf 230.700 – das ist erste Mal, dass diese Fahrzeuge von mehr als 200.000 Verbrauchern in einem einzigen Monat gekauft wurden.“ meint Jato. In den Zahlen sind zwar auch Plug-In-Hybrid-Fahrzeuge enthalten, aber der Markt boomt, soviel ist fix.

„Schließlich zeigten auch die reinen Elektroautos (BEV) ermutigende Ergebnisse. Die Zulassungen stiegen von 23.400 Einheiten im Juli 2019 auf 53.200 nur ein Jahr später, und das Angebot stieg von 28 verschiedenen Modellen auf 38.“

1 von 5 Neuzulassungen waren elektrifizierte Fahrzeuge

Elektrofahrzeuge waren im August sogar die Rettung der Branche. Laut JATO-Daten haben Verbraucher in ganz Europa 188.700 Elektrofahrzeuge gekauft, das ist ein Anstieg von 121% gegenüber August 2019. Ohne E-Fahrzeuge hätte die Branche ein ziemliches Dilemma erlebt: Bereits im August waren 21,4% aller Zulassungen elektrisch. Ein neuer Rekord für die Branche.

Jato stellt außerdem fest, dass Regierungen in unterentwickelten Elektrofahrzeugmärkten einen zentralen Plan brauchen, um das Wachstum zu katalysieren und ein optimales Umfeld zu schaffen, damit das Verbrauchervertrauen gestärkt wird, indem ein Umstieg so einfach wie möglich gestaltet wird.

Dazu ein Input aus der Praxis, aus dem elektrisch Fahren im Alltag, als Präsidentin des Bundesverbands nachhaltige Mobilität. Es braucht nicht nur Subventionen für neue Elektroautos, solange diese bei der Anschaffung teurer als fossil betriebene Fahrzeuge sind.

Notwendig sind entsprechende höher Belastungen von jenen, die weiterhin mit diesen „Stinkern“ unterwegs sind. Der Otto Normalverbraucher kauft sonst ein „billiges“ Fossilfahrzeug und entscheidet sich damit für Jahre in die falsche Richtung. Die neue ab Oktober geltende motorbezogene Versicherungssteuer in Österreich ist ein richtiger Weg.

Laden einfach nutzerfreundlich gestalten

Die Zahl der öffentlichen Langsam- und Schnellladestellen liegt weltweit derzeit bereits bei rund 870.000, wobei China hier mit einem Anteil von rund 60% ebenfalls vorne ist. Also eigentlich genug Ladestationen, sollte man meinen. Aber das Laden scheitert manchmal in der Praxis durch einen etwas komplizierten Zugang, wie ich aus persönlicher Erfahrung weiß.

teslamotors.com | Tesla S
teslamotors.com | Tesla S


Tesla, in den letzten 10 Jahren zum weltweit größten Hersteller von Elektrofahrzeugen geworden, zeigt hier einen positiven Weg: Es ist verdammt einfach, mit einem Tesla kreuz und quer durch Europa unterwegs zu sein. Es ist nicht nur die Reichweite, das große Plus ist das Netz von Superchargern, den Tesla Schnelladestationen, die nicht nur bei jenen Model X und Model S das Laden einfach machen, bei denen die Ladekosten in den Anschaffungskosten enthalten waren, sondern es z.B. den Model 3 Fahrern einfach machen, weil die Abrechnung der Kosten über das Auto und nicht über unterschiedliche Anbieter der Ladestationen erfolgt. Der Preis der Ladung ist im übrigen bekannt.

Im Unterschied dazu ist das unterwegs sein in ganz Europa mit anderen Elektrofahrzeugen nicht ganz so einfach: Immer noch sind nur die wenigsten vollends barrierefrei, z.B. mit einer Bankomatkarte, oder ohne das (manchmal bei schlechtem Internetempfang nahe einer Ladestation umständliche) Herunterladen einer App des Betreibers oder mit zig verschiedenen Ladekarten usw. freischaltbar.

Erst vor kurzem hatte ich selbst wieder so ein Erlebnis in einem unserer Nachbarländer: Die Ladestation war mit keinem meiner Anbieter (Ich habe etwa 8-10 Karten und einige Apps) kompatibel und trotz mehrfacher Versuche schafften wir es nicht, mit der App des Anbieters die Ladung in Gang zu bringen! Die Hotline war nach 18:00 Uhr nicht mehr besetzt. Auch „regionale“ Hilfe durch zwei Einheimische half nicht, sie schafften es auch nicht!!

Ein weiteres Wirr-Warr sind Es ist ein Preisdschungel, auch teilweise international. Meiner Meinung nach ist eigentlich nur eine Abrechnung nach kWh wirklich seriös. Und wenn jemand nicht mehr lädt und die Ladestation verparkt , so zahlt er eben im Anschluss eine Parkgebühr. Es kann nicht sein (tatsächlich passiert!!), dass eine Ladestation weit weniger liefert als angeschrieben und dass man dafür dann noch dazu nach Ladezeit zahlen muss. Die Preisunterschiede sind horrend- bis zum 3-fachen! Nicht nur Österreich, sondern auch andere EU-Länder sind hier übrigens säumig: Die EU Richtlinie über den „Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe“, schreibt vor, dass in der Umsetzung in nationales
Recht insbesondere auf einen eindeutigen und einfachen Preisvergleich geachtet werden soll!

Eine Lösung dazu bietet übrigens die chargeprice.app.

Ein Vergleich aus der fossilen Welt: Haben Sie schon eine Tankstelle gesehen, bei der der Preis nicht angeschrieben ist und bei der ich mehr dafür zahlen muss, wenn ich nicht aus dem gleichen Bundesland komme und dort tanken will?

Ein weiterer Nachteil vieler bestehender Schnellladestationen ist, dass sie nicht überdacht sind. An die Errichter von Ladestationen: Seid ihr schon mal bei strömendem Regen bei einer Schnelladestation gestanden? Als positives Highlight sind hier viele der Ella-Stationen zu nennen, oder jene von Fastned, und natürlich der Ladepark von Bäckermeister Roland Schüren in Hilden.

Und dazu wiederum der „fossile“ Vergleich: Wieviele Tankstellen gibt es ohne Überdachung?

Auch beim Laden zuhause gibt es noch manchmal Hürden. Einige der Mitglieder des Bundesverbands nachhaltige Mobilität können viel davon erzählen: Schon einmal in einem Wohnbau eine Lademöglichkeit eingerichtet und die Zustimmung aller Miteigentümer oder Mieter eingeholt? Das ist notwendig, wenn ich eine Wohnung habe und in meiner Garage laden will. Dieses Problem dürfte zum Glück bald der Vergangenheit angehören. Deutschland hat bereits ein entsprechendes Gesetz beschlossen, eine Änderung in Österreich dürfte noch heuer kommen.



Der große Hit von Elektroautos ist natürlich das (zumindest lokal immer gegebene) vollends emissionfreie Fahren. Leise sind sie außerdem. Der Umstieg in Städten kann mit entsprechender Citymaut forciert werden, wie z.B London vorzeigt. Wenn aber der ÖV schneller oder gleich schnell als eine Autofahrt ist oder die Parkgebühren in der Stadt entsprechend teuer sind, macht eine Autofahrt meist sowieso keinen Sinn.

Es braucht mehr Reichweite meinen Sie?

Das ist wirklich kein großes Problem, weil die ganz große Mehrheit sowieso nie lange Strecken fährt. Österreichs Autofahrer legen im Schnitt 34 Kilometer pro Tag zurück. Die große Mehrheit aller neueren Elektroautos hat außerdem eine Reichweite von mehr als 400 km.

Fotolia.com | arsdigital
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Ein wichtiges Thema ist auch, dass wir nur Strom aus erneuerbaren Energien laden sollten. Ein Umstieg auf einen Ökostromanbieter ist ein Muss. Beruhigend ist, dass das anscheinend, zumindest in Österreich, bereits voll bei den E-Fahrzeugfahrern und -fahrerinnen angekommen ist. Eine kleine Umfrage unter den Mitgliedern des Bundesverbands nachhaltige Mobilität zeigte auf: 98,5 % von ihnen sind auf grünen Strom umgestiegen und mehr als 70% haben bereits eine Photovoltaikanlage am Dach. Sie verstehen, wohin es gehen soll!

Vielen von ihnen gebührt übrigens ein großes DANKE, denn sie haben uns in den letzten Jahren immer wieder bei dabei unterstützt, das elektrische Fahren mehr unter die Menschen zu bringen. Sie sind die wahren Helden – weil Mundpropaganda die beste Propaganda ist und sie mit ihrem Einsatz gezeigt haben, dass Elektrofahrzeug fahren einfach möglich ist.

In diesem Sinne: Auf Vollspeed für mehr Elektrofahrzeuge!

Quelle

Die OEKONEWS-Ansichtssache wurde von der Chefredakteurin Doris Holler-Bruckner „oekonews.at“ 2020 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden!

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