© Ulrike Leone auf pixabay / Atomkraftwerk
© Ulrike Leone auf pixabay / Atomkraftwerk

Klimaschutz geht nur ohne Atomenergie

Warum Kernenergie als „grüne“ Energieform nicht in Frage kommt

Die sogenannte Taxonomie-Verordnung schafft EU-weite wissenschaftlich fundierte Regeln, und definiert, welche wirtschaftlichen Tätigkeiten als ökologisch nachhaltig zu bewerten sind und welche nicht. Das soll 'Greenwashing' bei Investitionen verhindern und zu mehr Glaubwürdigkeit und Transparenz beitragen. Jedoch gehen die Meinungen der Mitgliedstaaten, ob Kernenergie nachhaltig ist oder nicht, auseinander. Daher hat das Klimaministerium eine Studie bei Prof. Sigrid Stagl, einer anerkannten Expertin im Bereich der Umweltökonomie, beauftragt, die eine objektive Beurteilung von Kernenergie im Zusammenhang mit den Kriterien der Taxonomie-Verordnung gewährleistet.

In dieser aktuellen Studie wurde wissenschaftlich sehr fundiert und seriös die Frage untersucht, ob Kernenergie im Rahmen der EU-Taxonomie als grüne Investition in Frage kommen könnte. Genau dazu ist seit geraumer Zeit eine Debatte ausgebrochen, durch die die jahrzehntelange Pro und Contra Atomkraft-Diskussion nun eine neue Facette erhält, wonach vor allem von Atomkraft-Befürwortern die Klimaschutztauglichkeit von Kernkraft ins Treffen geführt wird.

Die Studie gibt fundiert Aufschluß, warum Atomkraftwerke nicht "grün" sind und soviel schon vorweg: Kernenergie ist laut Klimaschutzminsterium „weder eine nachhaltige Form der Energieversorgung noch stellt sie eine tragfähige Option zur Bekämpfung des Klimwandels dar."

Link zur Studie


Zur Ausgangslage:

Im Juni 2020 wurde eine richtungsweisende gesetzliche EU-Bestimmung verabschiedet, mit dem sperrigen Namen „EU-Taxonomie Verordnung für ökologisch nachhaltige Tätigkeiten“. Darin werden Kriterien formuliert, um bestimmen zu können, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist (Taxonomie) und um damit den Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition ermitteln zu können. Sie ist ein zentraler Rechtsakt, der durch Förderung privater Investitionen in grüne und nachhaltige Projekte einen Beitrag zum Europäischen Grünen Deal leisten soll. Dazu sind v.a. Investmentfonds zu zählen, die ein Finanzprodukt als ökologisch vermarkten wollen.

Wichtig für die Überprüfung der Tauglichkeit von Kernenergie sind für die Bewertung v.a die sechs EU-Umweltziele heran zu ziehen, die in der EU-Taxonomie-Verordung expliziert angeführt sind:

(1) Klimaschutz; (2) Anpassung an den Klimawandel; (3) nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresresourcen; (4) Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft; (5) Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung; sowie (6) Schutz und Wiederherstellung der .

Außerdem gilt das übergeordnete EU-Prinzip „do no significant harm“ für die Überprüfimg der EU-Umweltziele, was etwa bedeutet, dass Kernenergie keine negativen Folgen auf eines oder mehrere Umweltziele nach sich ziehen darf.

Angesichts der großen Bandbreite der Überprüfung der Tauglichkeit von Kernenergie und unter Berücksichtigung all dieser Aspekte, liefert diese Studie erstmals umfassende Ergebnisse und deutliche Schlußfolgerungen.

Mit der vorliegenden Studie konnte durch Überprüfung und Auswertung fundierter internationaler Daten zu jedem einzelnen der sechs EU-Umweltziele nachgewiesen werden, dass Kernenergie nicht als „grüne“ Investion angenommen werden darf. Auch wenn Kernenergie relativ geringen Ausstoß von Kohlstoffdioxid (Co2) aufweist, was dazu angeregt haben dürfte, Kernenergie in der Klimadiskussion in zunehmender Weise als sauber und umweltfreundlich dar zu stellen. Aber wie Univ.Prof. Sigrid Stagl, Autorin der Studie, deutlich aufzeigt: das reicht bei einer sorgfältigen Überprüfung nicht aus, denn „ Kernenergie ist Teil des Systems und ist daher nicht als "Brückentechnologie“ geeignet.
Als das schlagendste Argument sieht sie, dass Atomkraftwerke zunehmend als volkswirtschaftliche Mehrbelastung von nationalen Haushalten anzusehen sind. Sämtliche derzeitigen Atomkraftwerke, die es in der EU gibt, sind nur durch staatliche Unterstützung zu finanzieren.

Es muss immer auch darauf hingewiesen werden, so die Studien-Autorin, dass eine sichere und auf Jahrhunderte hinaus dauerhafte Entsorgung hochaktiver, radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente nach wie vor ungelöst ist. Selbst in Finnland, wo mit enormem finanziellen Aufwand an solch einer Lösung gearbeitet wird, sind Ergebnisse noch in weiter Ferne.

Nukleare Sicherheit

Schwere Unfälle mit weitreichenden Auswirkungen können nach wie vor nicht ausgeschlossen werden. Der vielfach vorgenommene Vergleich von Energieträgern an Hand von Unfalltoten pro erzeugter Kilowattstunde (KWh) ist irreführend. Dabei werden nicht nur die Unbewohnbarkeit weiter Land­striche auf Generationen außer Acht gelassen, sondern auch die tatsächlichen Schadens­kosten. Diesbezüglich sei auf die Arbeiten des Institut de Radioprotection et de Sûreté Nucléaire (IRSN) verwiesen, das für einen schweren Unfall in Frankreich Folgekosten von über 400 Milliarden Euro errechnete.

Komplementarität der Kernenergie

Laut Klimaschutzminsterin Leonore Gewessler stimmt die gängige Behauptung nicht, dass „sich erneuerbare Energieträger und Kernenergie bei der Strom­erzeugung ergänzten, da Strom aus Kernenergie die Variabilität der Verfügbarkeit erneuer­barer Energieträger ausgleiche. Dies ist unrichtig. Kernkraftwerke können nur sehr bedingt im Lastfolgebetrieb betrieben werden und sind für häufige und rasche Lastwechsel vollkommen ungeeignet“. Angesichts der hohen Fixkosten von Kernkraftwerken würde sich die Unwirt­schaftlichkeit bei Lastfolgebetrieb weiter erhöhen. Somit ist bei einem verstärkten Einsatz von Kernenergie von einer Verdrängung von erneuerbaren Energieträgern auszugehen, nicht von einer Ergänzung.

Technologische Entwicklung

Laut Klimaschutzministrium, ist angesichts der rasch zu erfolgenden Dekarbonisierung der Energiesysteme, die Hoffnung auf baldige Entwicklung/Realisierung neuer Technologien, sei es zur nuklearen Stromerzeugung, sei es zur Behandlung hochaktiver, radioaktiver Abfälle oder abgebrannter Brennelemente, nicht gerechtfertigt. Trotz hoher staatlicher Förderung und jahrzehntelanger Forschung und Entwicklung sind die bislang erzielten Fortschritte eher als bescheiden einzustufen. Baldige technologische Durchbrüche sind nicht zu erwarten. Darüber hinaus wäre dieser Hoffnung auf technologischen Fortschritt die technologische Entwicklung bei erneuerbarer Energieträgern und Speichertechnologien entgegenzuhalten.

Für den Klimaschutz bedeutet das:

Die Kernenergie ist zu teuer, ein deutlicher Ausbau dauert viel zu lange und die Nachteile wiegen viel schwerer als die geringeren CO2-Emissionen.
Für Klimaschutzministerin Gewessler darf daher „die Kernenergie auch nicht als gesamteuropäische Antwort auf den Klimawandel oder als gemeinsames Anliegen dargestellt werden“. Sie gibt sich zuversichtlich angesichts des Umstandes, dass unter den derzeitigen 27 EU Mitgliedstaaten neben Österreich eine deutliche Mehrheit entweder aus Atomenergie bereits ausgestiegen sind oder den Ausstieg planen.


Weiterführende Quellen:

EU-Taxonomie Verordnung: Nachhaltiges Finanzwesen: Kommission begrüßt Annahme der Taxonomie-Verordnung durch das Europäische Parlament Pressemitteilung der Europäischen Kommission, Brüssel 18. Juni 2020.

Link zur Studie von Univ.Prof Sigrid Stagl


Karin Neckamm für OEKONEWS



Verwandte Artikel:


Artikel Online geschaltet von: / neckamm /