© Markus Distelrath auf Pixabay / Atomkraftwerk
© Markus Distelrath auf Pixabay / Atomkraftwerk

EU-Parlament fordert Aussetzung des Starts Atomkraftwerks Ostrovets in Belarus

Bedenken hinsichtlich häufiger Notabschaltungen und Ausfälle -Störfälle schon in der Anlaufphase - Schwere Sicherheitsbedenken - Atomausstieg als beste Lösung

Das Kernkraftwerk befindet sich in der Nähe der baltischen EU-Mitgliedstaaten, und Belarus muss die internationalen Standards für Kernenergie einhalten. Die Abgeordneten äußern ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Sicherheit des Kernkraftwerks Ostrovets in Belarus und fordern die Aussetzung des kommerziellen Starts, der im März erfolgen soll.

In einer mit 642 gegen 29 Stimmen bei 21 Stimmenthaltungen angenommenen Entschließung kritisiert das Parlament die hastige Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Ostrovets und den anhaltenden Mangel an Transparenz und offizieller Kommunikation hinsichtlich der häufigen Notabschaltungen des Reaktors und des Geräteausfalls.

Trotz herausragender Sicherheitsbedenken begann die Anlage am 3. November 2020 mit der Stromerzeugung, ohne die Empfehlungen des EU-Peer-Reviews 2018 und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) vollständig umzusetzen.
Die EU-Parlamentarier fordern die Kommission auf, eng mit den belarussischen Behörden zusammenzuarbeiten, um den Start der Anlage zu verzögern, bis alle Empfehlungen für EU-Stresstests vollständig umgesetzt sind und alle erforderlichen Sicherheitsverbesserungen vorliegen.

Die Abgeordneten fordern Belarus außerdem nachdrücklich auf, die internationalen Standards für nukleare Sicherheit und Umweltsicherheit vollständig einzuhalten und auf transparente Weise mit den internationalen Behörden zusammenzuarbeiten.

SPÖ-EU-Abgeordneter Günther Sidl erklärt dazu: "In unmittelbarer Nähe zur EU, nur etwa 45 Kilometer von der litauischen Hauptstadt Vilnius entfernt, soll jetzt der neue Problemreaktor in Ostrovets ans Netz gehen und das trotz massiver Sicherheitsbedenken. Schon während des Baus gab es Berichte über Qualitätsmängel, Empfehlungen der internationalen Atomenergiebehörde wurden nicht umgesetzt und der Prüfbericht der "European Nuclear Safety Regulators Group (ENSREG)" steht noch aus. Dass Belarus dennoch unbeirrt am Hochfahren festhält, ist eine Gefahr für die Sicherheit der EU. Wir müssen unbedingt auf die Klärung aller offenen Fragen und die Umsetzung der Empfehlungen der internationalen Sicherheitsbehörden bestehen."

Sidl stellt fest: "Die Zukunft der Energiegewinnung liegt ganz klar bei erneuerbaren Energieträgern. Kernenergie ist eine Technologie der Vergangenheit. Sie ist nicht sicher, nicht wirtschaftlich und nicht nachhaltig. Als SPÖ setzen wir uns für einen europaweiten und globalen Atomausstieg ein."

Keine europäischen Sicherheitsstandards

"In unmittelbarer Nähe der EU will Belarus im März zwei neu errichtete Problemmeiler in Vollbetrieb gehen lassen, die schon im Testbetrieb durch Störfälle aufgefallen sind. Atomkraft ist absolut der falsche Weg, und wenn er so beschritten wird, dann ist das noch dazu hochgefährlich und verantwortungslos. Wir müssen jetzt alles unternehmen um dieses riskante Vorhaben zu bremsen, bis wir mehr über die Sicherheit des AKW Ostrovets wissen. Erfüllen sich unsere Befürchtungen und die Meiler in Belarus entsprechen tatsächlich in keiner Weise europäischen Sicherheitsstandards, dürfen diese Reaktoren nicht ans Netz gehen", betont Angelika Winzig, Delegationsleiterin der ÖVP im Europaparlament.

"Die Folgen nuklearer Störfälle machen nicht an den Grenzen halt. Und diese potenzielle Quelle radioaktiver Verseuchung liegt nur 50 Kilometer von der litauischen Hauptstadt Vilnius entfernt und im unmittelbaren Einzugsbereich von Polen, Litauen und Estland. Mit Sorge sehen wir, dass die Verantwortlichen in Belarus offensichtlich keine Lehren aus dem verheerenden Atomunfall in Fukushima gezogen haben, der sich im März zum zehnten Mal jährt. Auch die Frage der Endlagerung des Atommülls ist noch nicht einmal im Ansatz geklärt", sagt Winzig.

"Die baltischen Staaten und Polen haben bereits klargestellt, dass sie keinen Strom aus den Gefahrenmeilern in Ostrovets beziehen werden. Wir müssen zudem dafür werben, dass die Atomkraft grundsätzlich mehr und mehr an Gewicht verliert. Unsichere Problemmeiler darf es gar keine mehr geben, weder in der EU noch in der Nachbarschaft. Atomkraft ist keine Zukunftsenergie", meint Winzig.

Hintergrund

Das von der russischen Gruppe Rosatom errichtete Kernkraftwerk Ostrovets liegt 50 km von Vilnius (Litauen) entfernt und in unmittelbarer Nähe zu anderen EU-Ländern wie Polen, Lettland und Estland.

Der Stromhandel zwischen Weißrussland und der EU wurde am 3. November eingestellt, als das Ostrovets-Werk an das Stromnetz angeschlossen wurde. Dies folgte der gemeinsamen Entscheidung der baltischen Staaten vom August 2020, den kommerziellen Austausch von Elektrizität mit Weißrussland einzustellen, sobald das Ostrovets-Werk in Betrieb genommen wurde. Die Abgeordneten stellen jedoch fest, dass Strom aus Weißrussland weiterhin über das russische Netz in den EU-Markt gelangen kann.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /