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Unsplash.com | Antonio Garcia | Chile Solarkraftwerk

© Unsplash.com | Antonio Garcia | Chile Solarkraftwerk – Solarkraftwerk in der Region Antofagasta im Norden Chiles.

Carbon Tracker-Prognose: Weltweiter Siegeszug Erneuerbarer Energien bis 2050

Solar- und Windkraftanlagen haben das Potenzial, den weltweiten Energiebedarf hundertmal zu decken. Bis 2050 werden fossile Kraftwerke komplett durch Erneuerbare Energien ersetzt, prognostiziert Carbon Tracker – im Stromsektor sogar schon bis 2035.

23.04.2021 – Immer mehr Studien kommen zu dem Schluss, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Erneuerbare Energien die gesamte Energieversorgung auf der Welt decken. Die Ergebnisse der aktuellen Analyse „The Sky’s the Limit“ vom Thinktank Carbon Tracker gehen jedoch noch einen Schritt weiter.

Demnach können die Erneuerbaren Energien bereits bis 2050 fossile Kraftwerke auf der ganzen Welt komplett ersetzen. Bei einer Fortsetzung der aktuellen Entwicklung würde der Stromsektor sogar schon bis zum Jahr 2035 ausschließlich durch regenerative Anlagen gespeist. Haupttreiber dafür seien die stark sinkenden Kosten der erneuerbaren Technologien.

Die Analysten haben außerdem errechnet, dass Solar- und Windkraftanlagen den weltweiten Energiehunger rein theoretisch hundertmal decken könnten. Im Gegensatz zu Kohle, Erdöl und Erdgas stehen Solar- und Windkraft praktisch in unendlicher Menge zur Verfügung und könnten schon in wenigen Jahrzehnten die gesamte Welt mit sauberer Energie versorgen. Dies würde auch die Entwicklung neuer Technologien wie die Elektromobilität oder die Produktion von grünem Wasserstoff vorantreiben.

Eine neue Epoche

„Wir betreten eine neue Epoche, vergleichbar mit der industriellen Revolution“, sagt Kingsmill Bond, Energieanalyst bei Carbon Tracker und Leitautor der Studie. „Die Energiepreise werden fallen und die Verfügbarkeit für Millionen weiterer Menschen steigen, vor allem in Ländern mit einem niedrigen Einkommen.“

Außerdem werde sich die globale Geopolitik deutlich verändern. Schließlich endet für die Länder die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. „Saubere Erneuerbare Energien bekämpfen den katastrophalen Klimawandel und befreien den Planeten von der tödlichen Verschmutzung“, so Bond weiter.

Im Jahr 2019 hat der globale Energieverbrauch 65 Petawattstunden (PWh) betragen, also 65.000 Terawattstunden. Gemessen an der aktuellen Technologie könnte die Welt schon jetzt mehr als 5.800 PWh pro Jahr produzieren – allein durch die Solarkraft. Das ist genauso viel, wie zur Verfügung stünde, wenn in einem gesamten Jahr alle bekannten fossilen Energiereserven ausgeschöpft werden.

Zusätzlich könnten Onshore- und Offshore-Windkraftanlagen weitere 900 PWh im Jahr produzieren. Das sind zusammen 6.700 PWh – und damit 103-mal so viel, wie 2019 weltweit verbraucht wurden.

Viele Erneuerbare längst wettbewerbsfähig

Die Carbon Tracker-Analyse zeigt außerdem, dass bereits jetzt rund 60 Prozent der weltweiten Solarkapazität sowie 15 Prozent der Windkraftanlagen gegenüber fossilen Energien wirtschaftlich produzieren können. Bis zum Jahr 2030 werden es dann 100 Prozent aller Solaranlagen sowie mehr als die Hälfte der installierten Windkapazität sein.

Harry Benham, Mitverfasser der Studie und Vorsitzender des Thinktank Ember-Climate, betont, dass die Welt nicht die gesamten erneuerbaren Ressourcen nutzen muss. „Schon ein Prozent wäre genug, um die gesamte Nutzung fossile Energien zu ersetzen.“ Jedes Jahr befeuern wir die Klimakrise, indem der in drei Millionen Jahren versteinerte Sonnenschein in Form von Kohle, Erdöl und -gas verbrannt wird – während wir nur 0,01 Prozent des täglich zur Verfügung stehenden Sonnenscheins nutzen.

Für einen ausreichenden Ausbau der Solarenergie, der die weltweite Energienachfrage deckt, müssten 0,3 Prozent der Landflächen genutzt werden – und damit weniger als derzeit durch fossile Energien in Anspruch genommen wird. So ist beispielsweise das größte Ölfeld der Welt, Ghawar in Saudi-Arabien, rund 8.400 Quadratkilometer groß und produziert umgerechnet rund 0,9 PWh pro Jahr. Würden auf der gleichen Fläche Solaranlagen installiert, könnten zukünftig etwa 1,6 PWh erzeugt werden.

Schwellenländer haben das größte Potenzial

Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass die Schwellenländer aufgrund ihrer hohen Solar- und Windpotenziale gemessen an ihrer Energienachfrage die größten Chancen haben. Viele bauen gerade erst ein eigenes Energiesystem auf, weswegen der direkte Einstieg in Erneuerbare besonders lukrativ ist. So beträgt Afrikas Anteil am globalen Erneuerbaren-Potenzial 39 Prozent.

Jedoch entfaltet eine beschleunigte Energiewende auch in Deutschland ein enormes Potenzial, betont Kingsmill Bond. Schließlich profitieren jene Länder vom Ausbau der Erneuerbaren besonders stark, die eine hohe Abhängigkeit von fossilen Energieimporten verzeichnen – und dazu zählt Deutschland. Hierzulande ist das technologische Potenzial von Wind- und Solarenergie immerhin 23-mal so groß wie die gesamte fossile Energieproduktion – wenngleich die erneuerbaren Ressourcen verglichen mit anderen Ländern eher gering sind.

Deutschland als Prüfstand für neue Technologien und Ideen

Deutschland war in der frühen Phase der weltweiten Energiewende führend – was damals mit sehr hohen Kosten verbunden war. Inzwischen sind die Kosten jedoch stark gesunken, weswegen die Bundesrepublik nun ihr Potenzial viel besser ausschöpfen kann. In den letzten Jahren sei Deutschland gewissermaßen ein „Prüfstand für neue Technologien und Ideen“ gewesen, sagt Bond. Wenn diese hier gelöst werden, können sie weltweit funktionieren. „Damit positioniert sich Deutschland als führend im zukünftig globalen Energiesystem“, so Bond.

In den letzten Jahren ist weltweit vor allem das ökonomische Potenzial der Solarenergie immer größer geworden. Die Kosten sind seit 2010 um rund 18 Prozent gesunken – jedes Jahr. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Branche weitaus schneller als alle bisherigen Energietechnologien wächst: in der letzten Dekade um durchschnittlich 39 Prozent pro Jahr. Jedes zweite Jahr wurde die installierte Kapazität verdoppelt.

Und die Windkraft ist auf einem ähnlichen Erfolgspfad in den letzten Jahren. In der letzten Dekade sind die Preise im Durchschnitt um neun Prozent pro Jahr gesunken und die Kapazität um 17 Prozent pro Jahr gestiegen. Das erhöht die Effizienz von Solarpanelen und Windturbinen weiter, wodurch auch die Kosten immer stärker sinken.

Erkannt hätte das laut des Reports auch die Finanzwirtschaft. So haben im vergangenen Jahr erstmals Unternehmen, die im Bereich der sauberen Energien angesiedelt sind, mehr Geld durch öffentliche Angebote eingesammelt als fossile Firmen.

Jetzt ist die Politik gefragt

Deshalb gehen die Autoren der Studie davon aus, dass der Schlüssel eines Wandels nun politisch ist. Davon unabhängig werde das Wachstum weiter an Fahrt aufnehmen, da immer mehr Länder die Potenziale der Erneuerbaren Energien erkennen. So hätten Solaranlagen auf der ganzen Welt im Jahr 2019 bereits 0,7 PWh erzeugt und Windkraftanlagen 1,4 PWh.

Die drei Haupttreiber eines Wandels seien damit erstens die Ökonomie – die Geschichte habe gezeigt, dass günstige Energieformen schnell erschlossen werden –, zweitens der Klimawandel – auf den immer mehr Länder mit einer strikteren Umwelt- und Klimapolitik reagieren – sowie drittens die Unabhängigkeit von Energie. Derzeit leben 80 Prozent der Weltbevölkerung in Ländern, die von den Importen fossiler Brennstoffe abhängig sind. Durch Erneuerbare Energien könnten die Kosten reduziert, lokale Jobs geschaffen und die Abhängigkeit im Allgemeinen reduziert werden.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion “energiezukunft“ (jk) 2021 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | energiezukunft | Heft 29 / 2019 | „Urbane Energiewende“ |  Jetzt lesen | Download

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