Wie die EU-Kommission die RED II ändern will

Fassade des Berlaymont-Gebäudes in Brüssel, nachts illuminiert mit der Schriftzug "Green New Deal"Foto: Lukasz Kobus, © European Union 2021
Ein wichtiger Baustein des Green Deal der EU ist eine Novelle der Erneuerbare-Energien-Richtlinien (RED II)
In der vergangenen Woche hat die EU-Kommission unter dem Label "Fit for 55" zahlreiche Richtlinienänderungen vorgeschlagen, um das Ziel von 55 Prozent Treibhausgasminderung bis 2030 zu erreichen. Neben einem Dutzend anderer Gesetzgebungsverfahren legte die Kommission einen Entwurf zur Änderung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) vor. Die Solarthemen-Redaktion erklärt wichtige Details:

Genau zwei Wochen, nachdem am 30. Juni die zweieinhalb-jährige Frist zur Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) für die EU-Mitgliedsstaaten abgelaufen ist, hat Kommissionschefin Ursula von der Leyen in der vergangenen Woche den Entwurf für die Richtlinien-Novelle vorgestellt. Er ist Teil des Maßnahmenpaketes, das unter dem klangvollen Namen „Fit for 55” die Maßnahmen beschreibt, mit denen die EU ihr neues Klimaziel erreichen will (vgl. SolarthemenPlus vom 14.7.2021).

40 % Erneuerbare bis 2030

Als übergeordnetes Ziel definiert der Entwurf der zu novellierenden RED II nun im ersten Paragraphen 40 Prozent Anteil erneuerbarer Quellen am gemeinsamen Endenergieverbrauch aller EU-Staaten. Bislang liegt die Messlatte bei 32 Prozent. Was in der medialen Berichterstattung der vergangenen Woche teilweise unterging: Natürlich kann die EU-Kommission allein keine Gesetze machen. Und so muss dieses übergeordnete 40-Prozent-Ziel ebenso wie alle Details des tausende Seiten starken Fit-for-55-Maßnahmenpaketes nun erst das langwierige Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Europäisches Parlament und die Regierungen der Mitgliedsstaaten können jeden einzelnen Punkt verschärfen oder verwässern oder ganz streichen. Dennoch setzt die Kommission mit ihren (bislang nur auf englisch) bereits in Gesetzesform formulierten Vorschlägen die Themen. Und unter Federführung des stellvertretenden Kommissionspräsidenten Frans Timmermans hat sie damit auch Pflöcke eingerammt. Beispielsweise im Bereich Wärme, der in der RED II bislang eher vernachlässigt wurde.

RED II: Mehr Erneuerbare für Wärme und Kälte

Neu ist die Vorgabe, dass jeder Mitgliedsstaat den Anteil der erneuerbaren Energien im Wärme- und Kälte-Sektor um mindestens 1,1 Prozent pro Jahr bis 2030 steigern soll. In Ländern, wo ausreichend Abwärme zur Verfügung steht, soll der Gesamtanteil um mindestens 1,5 Prozent wachsen, wobei Abwärme für maximal 40 Prozent des Zuwachses angerechnet werden dürfte. Maßstab ist jeweils der durchschnittliche jährliche Zuwachs in zwei Fünf-Jahres-Perioden: 2021 bis 2025 und 2026 bis 2030.

Jährlich 2,1 Prozent mehr Erneuerbare in der Fernwärme

Ein noch schärferes Tempo sollen nach dem Willen der EU-Kommission die Fernwärmebetreiber bei der Decarbonisierung ihrer Netze vorlegen. Statt des bisherigen Ziels einer 1-prozentigen Steigerung des CO2-neutralen Anteils sollen Erneuerbare und Abwärme künftig auf nationaler Ebene um 2,1 Prozent pro Jahr in den Wärmenetzen zulegen. Zugleich will die EU-Kommission in einer anderen Richtlinie, der Energieeffizienzrichtlinie, genau vorschreiben, was unter einem effizienten Wärme- bzw. Kältenetz zu verstehen ist. Für diese modernen Netze soll es gewisse Sonderrechte geben.

EU-Kommission will Third Party Access

So soll der Betreiber eines effizienten Netzes sich eher dagegen wehren können, dass interessierte Dritte für ihre Solar-, Geothermie- oder Wärmepumpenanlagen Zugang zum den Fernwärmeleitungen beanspruchen. Ansonsten will die Kommission den sogenannten „Third Party Access“ für Erzeuger erneuerbarer Wärme in allen Wärme- und Kältenetzen ab 25 MW thermischer Leistung zum Standardfall machen. Und zwar sobald alte Heizwerke ersetzt werden müssen, die Erzeugungskapazität ausgebaut wird oder neue Wärmekunden direkt beliefert werden wollen.

Freilich ist auch für klassische Netze eine Reihe von Ausnahmen vorgesehen, aufgrund derer Netzmonopolisten anderen den Zugang verweigern können. Sie müssten dann allerdings die Gründe dafür bei der Aufsichtsbehörde – in Deutschland voraussichtlich die Bundesnetzagentur – dezidiert nachweisen. Solche Begründungen könnten sein, dass der Endkundenpreis exorbitant stiege oder dass der Energieproduzent die technischen Anforderungen des Netzes nicht erfüllt.

49 Prozent der Gebäudeenergie bis 2030 regenerativ

Für den Endenergieverbrauch in Gebäuden setzt die EU-Kommission ein gemeinsames Regenerativ-Ziel: 49 Prozent aller Strom- und Wärmeverbräuche im Gebäudesektor sollen 2030 aus erneuerbaren Quellen stammen. Wobei Brüssel für Bioenergie wesentliche strengere Nachhaltigkeitskriterien anlegen will als bisher. Nicht nur dass Biomasse aus Primärwäldern, Feuchtgebieten und Mooren tabu sein soll. Auch will die Kommission staatliche Förderungen für die Verbrennung von Stammholz, das sich als Bau- oder Möbelholz eignet, stoppen. Ebenso auf dem Index steht die Verbrennung von Baumstümpfen oder -wurzeln, die aus ökologischen Gründen besser in den Wäldern verbleiben sollten. Auf Dauer soll es auf eine Kaskadennutzung hinauslaufen, bei der Biomasse möglichst lange gebunden bleibt. Erst in einer zweiten oder dritten Nutzungsstufe soll die energetische Verwertung stehen.

Kommunen sind gefragt

Um die Vorgaben für den Wärmebereich zu erfüllen, macht die EU-Kommission im Artikel 23 der RED II den Mitgliedsstaaten neun Vorschläge zur Förderung für erneuerbare Energien. Neben klassischen Zuschussprogrammen und Steuerermäßigungen zählt sie unter anderem eine Verpflichtung für Kommunen und regionale Planungsbehörden zu systematischer regenerativer Wärmeplanung auf. Auch der Aufbau von personellen Kapazitäten in den Gebietskörperschaften für Planung und Einführung von Regenerativ-Wärmeprojekten gehört zu diesem Katalog. Den Mitgliedsstaaten ist dabei überlassen, welche der vorgeschlagenen Optionen sie nutzen wollen.

Handwerkermangel mindern

Einen Flaschenhals für die Energiewende sieht die EU-Kommission offenbar europaweit im Mangel an passend ausgebildeten Handwerker:innen. Mitgliedsstaaten bekämen demnach die Aufgabe für die Ausbildung und Zertifizierung einer ausreichenden Zahl von Handwerker:innen zu sorgen. Ihnen soll es auch obliegen, eine offizielle Listen von Handwerkern mit Qualifikation für erneuerbare Energien zu veröffentlichen. Diese soll Hausbesitzern Orientierung geben.

Antidiskriminierungs-Offensive für Batterien

Für den Strombereich, der in der RED II bereits heute breiten Raum einnimmt, hat die EU-Kommission in der Novelle weniger Neuerungen vorgesehen. Bemerkenswert ist aber ein neuer Artikel 20a der die „Systemintegration erneuerbaren Stroms“ verbessern soll. Darin präsentiert die EU-Kommission eine Reihe von Antidiskriminierungsregeln, unter anderem für häusliche Batteriespeicher und bidirektionales Laden von ELektrofahrzeugen. Sie setzt somit einen anderen Akzent als das deutsche EEG, das beim Stichwort „Systemintegration“ eher mit Daumenschrauben für Erneuerbare aufwartet. So etwa die Abregelung erneuerbaren Stroms bei Netzüberlastung oder Streichung von Marktprämien bei negativen Strompreisen.

RED II empfiehlt Erneuerbare für die Industrie

Einen weiteren blinden Fleck der RED II möchte die EU-Kommission beseitigen, indem sie erneuerbarere Energie in der Industrie schrittweise zum Standard machen will. Es sollen sich alle Mitgliedsländer bemühen, jährlich den erneuerbaren Anteil am industriellen Endenergieverbrauch um 1,1 Prozent zu steigern. Außerdem sollen 50 Prozent des von der Industrie verwendeten Wasserstoffs spätestens 2030 aus nicht biogenen erneuerbaren Quellen kommen.

21.7.2021 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

Zahlreiche Neuregelungen schlägt die EU-Kommission auch für die Stärkung der Erneuerbaren Energien im Verkehrsbereich vor. Mit diesen werden sich die Solarthemen in Kürze in einem weiteren Betrag befassen.

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