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EWS | Christopher Rowe | Mieterstromanlage-Berlin

© EWS | Christopher Rowe | Gemeinschaftliche Mieterstromanlage in Berlin-Neukölln: Die wenigen Projekte werden trotz und nicht wegen der Politik aus dem Wirtschaftsministerium realisiert.

Verhinderte Solardächer in Städten

Gemeinschaftliche Strom-Selbstversorgung weiterhin blockiert

Auch Stromkunden ohne Eigenheim sollen Zugang zu günstigem Ökostrom vom Dach bekommen, so will es die Erneuerbaren-Richtlinie der EU. Die Bundesregierung behauptet, sie habe die Richtlinie umgesetzt. Das Bündnis Bürgerenergie widerspricht und kündigt juristische Schritte an.

Seit Dezember 2018 gilt die neue Version der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der Europäischen Union, das Kürzel dafür ist RED II. Die Richtlinie sieht unter anderem eine Erleichterung der gemeinschaftlichen Nutzung von lokal erzeugter Solarenergie vor.

Das würde die Rentabilität von Mieterstrom entscheidend verbessern. Aber auch andere Solaranlagen könnten größer ausfallen, weil der Stromüberschuss in der Nachbarschaft verkauft werden kann statt auf dem allgemeinen Strommarkt.

Deshalb warten unter anderem Genossenschaften, die die Energiewende mit städtischen Dachsolaranlagen vorantreiben wollen, seit 2018 auf die Übernahme der Richtlinie in deutsches Recht. Bis Ende Juni 2021 hätte das geschehen sein müssen. Doch um die Umsetzung gibt es anhaltenden Streit.

Das CDU-geführte Bundeswirtschaftsministerium schreibt auf Anfrage, die EU-Richtlinie sei mit der diesjährigen Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) übernommen worden. „Weiterer Umsetzungsbedarf besteht aus Sicht der Bundesregierung nicht.“

Die SPD-Bundestagsfraktion vertritt dieselbe Ansicht. Ihr energiepolitischer Sprecher Bernd Westphal teilt auf Anfrage mit: „Ich bin davon überzeugt, dass wir die europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie für die Stromerzeugung aus Solarenergie in Deutschland mit der von uns Anfang des Jahres verabschiedeten EEG-Novelle umgesetzt haben. Die Gefahr eines Rechtsverletzungsverfahrens seitens der EU-Kommission sehe ich damit nicht.“

Dem widerspricht das Bündnis Bürgerenergie. Die Vereinigung hat ein juristisches Gutachten anfertigen lassen, in dem der Berliner Rechtsanwalt Philipp Boos zum gegenteiligen Schluss kommt. „Die im EEG geforderte Personenidentität zwischen Anlagenbetreiber:in und Stromverbraucher:in verhindert, dass gemeinsam handelnde Eigenversorger:innen eine Anlage zur Eigenversorgung auch gemeinsam betreiben können“, sagte Boos bei der Vorlage des Papiers im Juni.

„Auch die rechtlich zugelassenen Mieterstrommodelle setzen dieses Recht nicht um, da sie lediglich eine Belieferung von Mieter:innen mit Strom aus EEG-Anlagen erfassen“, so Boos. Der Bundesrepublik drohe nun ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren vonseiten der EU-Kommission.

Wie das EEG Personenidentität und Mieterstrom regelt

Personenidentität bedeutet hier, dass genau dieselbe natürliche oder juristische Person den Strom verbrauchen muss, die die Anlage betreibt.

Wie knifflig das geregelt ist, hat die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft in einem Informationspapier von 2017 gezeigt. Demzufolge liegt keine Personenidentität vor, wenn mehrere Menschen, die im selben Gebäude wohnen, sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammenschließen, um auf dem Dach eine Solaranlage zu betreiben, von der Abrechnung her aber den Strom gesondert als einzelne Haushalte verbrauchen. Personenidentität sei in diesem Fall nur gegeben, wenn die GbR das Gebäude als Vereinsheim benutzt und den in den Vereinsräumen anfallenden Stromverbrauch mit der Solaranlage deckt.

Das Modell Mieterstrom ist zwar genau dafür da, die Haushalte eines Hauses mit dem Strom vom eigenen Dach zu beliefern. Allerdings ist das formal etwas ganz anderes als Eigenversorgung.

Mieterstrom ist lediglich steuerlich privilegiert und erhält einen staatlichen Zuschlag für jede produzierte Kilowattstunde. Da auf ihn nicht alle Steuern anfallen, kann der Stromtarif günstig sein. Dieser Tarif muss allerdings von einem offiziellen Energieversorger angeboten werden, das kann nicht die Vermieterin oder die Wohnungseigentümergemeinschaft machen (außer sie werden selbst zu einem offiziellen Energieversorger).

Konkret sieht das so aus: Typischerweise verpachtet eine Hauseigentümerin das Dach an eine Firma, die darauf eine Photovoltaikanlage betreibt. Wenn diese Firma nicht auch ein Energieversorger ist, kooperiert sie mit einem solchen, die ihr den Strom abkauft und zu den privilegierten gesetzlichen Bedingungen an die Haushalte im selben Haus verkauft.

Der Strom ist dann ein bisschen billiger als gängige Marktpreise. Sagen wir der Einfachheit halber, er kostet rund 25 Cent pro Kilowattstunde. In diesem Preis sind aber noch etliche staatliche Abgaben enthalten – die tatsächlichen Stromgestehungskosten sind höchstens halb so hoch.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Ralf Hutter) 2021 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! | (Foto: Christopher Rowe/​EWS)

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