© Global 2000 / Das AKW Mochovce entspricht nicht den internationalen Vorgaben
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AKW Mochovce: Flugzeug-Crashnetze unzureichend

Berechnung Wiener Ingenieursbüros im Auftrag GLOBAL 2000 auf Basis geleakter Pläne – weitere Barrieren „vergessen“

Wien - Whistleblower spielten GLOBAL 2000 die Konstruktionspläne für die Flugzeug-Crashnetze des slowakischen AKW-Projekts Mochovce 3 und 4 zu. Aus den vorliegenden Plänen konnte ein renommiertes Wiener Ingenieursbüro die Maximal-Auslegung der installierten Fangnetze berechnen. Die Ingenieure kamen zu dem Ergebnis, dass die Netze höchstens den Absturz eines kleinen Sportflugzeugs (z.B. einer einmotorigen Cessna) aufhalten könnten, nicht aber den eines kleineren Verkehrsflugzeugs, geschweige denn einer größeren Frachtmaschine, von denen täglich viele direkt über das AKW fliegen.

Den Berechnungen zur Folge sind die sechs 22 Meter hohen und 19 Meter breiten Stahlnetze maximal für den Aufprall eines einmotorigen Sportflugzeugs ausgelegt (Cessna 210A).

Der Aufprall eines üblichen Verkehrsflugzeugs in Folge eines Unfalls würde die Auslegung der Netze mehr als dreizehnmal übersteigen – im Fall eines gezielten Angriffs sogar um mehr als 52-mal. Die Ingenieure kommen zum Schluss, dass schon eine kleine zweimotorige Düsenmaschine nicht aufgehalten werden kann, geschweige denn Militärmaschinen oder große Flugzeugtypen wie Boeing 747-400 (Jumbo Jet).

„Die Flugzeug-Crashnetze in Mochovce dienen ganz klar nur zur Beruhigung der besorgten Bevölkerung. Im Ernstfall eines Flugzeugabsturzes können sie weder die Sicherheit der veralteten Reaktoren, noch den Schutz der Bevölkerung gewährleisten“, so Dr. Reinhard Uhrig, Atom-Sprecher von GLOBAL 2000. „Die einzig sichere und zeitgemäße Schutzvorrichtung ist also, diese Reaktoren niemals in Betrieb zu nehmen.“

EU-Auflage nicht erfüllt

Schon lange ist bekannt, dass die Reaktoren Mochovce 3 und 4 mit Baubeginn 1985 nicht gegen die Gefahr eines absichtlichen oder unabsichtlichen Flugzeug-Absturzes ausgelegt sind. Ein solcher Unfall oder Angriff hätte katastrophale Auswirkungen.

Die EU-Kommission erteilte daher der Betreibergesellschaft des AKWs und der slowakischen Atomaufsicht 2008 die Auflage, den Schutz auf den in Europa üblichen – niedrigen – Mindeststandard zu heben: „Die Kommission empfahl dem Investor, in enger Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden ‚zusätzliche Maßnahmen [...] zu evaluieren und zu implementieren, um einem potenziellen deterministischen Aufprall von außen (z. B. einem böswilligen Aufprall eines kleinen Flugzeugs) standzuhalten [...], um die Konstruktion mit den bestehenden bewährten Verfahren in Einklang zu bringen‘.“ (Europaparlament, parlamentarische Anfragebeantwortung, 5.9.2008, E-4448/08EN, übersetzt von GLOBAL 2000)

„Auch die EU fordert dabei eine Absicherung, die mindestens einem Verkehrsflugzeug standhält – und nicht bloß einer winzigen Sportmaschine“, so Uhrig. „Da diese Auflage nicht erfüllt ist, wird GLOBAL 2000 bei der EU-Kommission eine Beschwerde wegen Nichtumsetzung der Mindestanforderungen einlegen.“

Pfusch am Bau

Zusätzlich ist es bei den Bauarbeiten zu schweren technischen Fehlern gekommen: Stahlklammern, die zur Fixierung der Stahlnetze verwendet wurden, drücken aufgrund falscher Dimensionierung in die Seile der Netze und führen zu Beschädigungen, sodass diese ausgetauscht werden müssen. Auf aktuellen Fotobelegen sind schon jetzt Verrostungen der Netze zu sehen. Das zur Sicherung der Anlage verwendete Material ist also nicht nur ungeeignet, sondern auch minderwertig.

Zusätzliche Barrieren „vergessen“ – slowakische Atomaufsicht übersieht dies

Neben den Crash-Fangnetzen sollten, laut GLOBAL 2000 vorliegenden Konstruktionsplänen zusätzliche Barrieren zwischen den Reaktorblöcken installiert werden, um die unterirdisch verlaufenden Strom- und Steuerkabelkanäle vor herabfallenden Trümmern zu schützen. Diese Kabelkanäle verbinden die Notstrom-Dieselgeneratoren mit der Kühlung des Atomkraftwerks, die im Notfall eine Kernschmelze verhindern soll.

„Belegt durch aktuelle Fotos der Whistleblower von der Baustelle wurden diese Zusatz-Barrieren schlichtweg vergessen – dies fiel der slowakischen Atomaufsicht nicht auf“, so Uhrig. „Offenkundig ist die Baustelle mehrere Jahre nach dem Beginn der Enthüllungen durch kritische Ingenieure weiterhin völlig außer Kontrolle. Wir fordern die Österreichische Bundesregierung auf, entschlossen bei ihren slowakischen Kollegen gegen die Inbetriebnahme des verpfuschten Reaktors einzutreten – wie im Regierungsprogramm vorgesehen.“

Die Inbetriebnahme von Reaktor 3 wird derzeit noch durch den Einspruch von GLOBAL 2000 bei der slowakischen Atomaufsicht ÚJD gegen die Betriebserlaubnis aufgehalten. Die im Einspruch vorgebrachten schwerwiegenden Bedenken müssen restlos aufgeklärt werden, was sich nach Medienberichten verzögert.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /