Mehr Atomstrom drängt erneuerbare Energien aus dem Netz

Radioaktiv-Warnsymbol auf abblätterndem Untergrund.Foto: lassedesignen / Stock.adobe.com
Eine Atomstrom-Renaissance würde nicht nur Atommüllprobleme mit sich bringen, sondern auch erneuerbare Energien benachteiligen.
Eine Renaissance der Atomenergie in der EU würde zu Lasten der erneuerbaren Energien gehen. Abregelungen von Wind- und Solarenergie wären vorprogrammiert, wie eine Studie von Energy Brainpool für Green Energy Planet zeigt.

Mehr Atomstrom wegen längerer Laufzeiten für Atomkraftwerke würde deutlich häufiger zu einer Abschaltung von Erneuerbare-Energien-Anlagen in der EU führen. Das zeigt eine neue Kurzstudie des Analyseinstituts Energy Brainpool im Auftrag der Ökoenergiegenossenschaft Green Planet Energy am Beispiel Frankreichs. Allein durch die aktuell diskutierten Laufzeitverlängerungen für französische AKWs würden im Jahr 2030 in Frankreich, Spanien und Deutschland mehr als zwei Milliarden Kilowattstunden Ökostrom aus dem Netz gedrängt. „Länger laufende Atommeiler sind Bremsklötze für die Energiewende, weil sie durch ihre träge Produktionsweise die Einspeisung von Ökostrom blockieren.“ Das sagt Sönke Tangermann, Vorstand bei Green Planet Energy. 

Im Februar hatte die französische Regierung angekündigt, in den Bau neuer Atomkraftwerke zu investieren. Die Untersuchung von Energy Brainpool fokussiert auf eine Laufzeitverlängerung bestehender Meiler auf über 50 Jahre, wie sie Paris aktuell prüft. Dieser längere Weiterbetrieb würde dazu führen, dass bis 2030 zusätzliche rund 19 Gigawatt AKW-Leistung in Frankreich Strom produzieren.

Abregelungen von Solar- und Windkraftwerken vorprogrammiert

In Zeiten hoher Einspeisung erneuerbarer Energien können die nationalen und europäischen Stromnetze aber nicht die gesamte Stromproduktion ohne Überlastung aufnehmen. Die Netzbetreiber müssen dann Anlagen vorübergehend „abregeln“. Weil ältere Atomkraftwerke ihre Stromproduktion kurzfristig – vorrangig aus Kostengründen –  nur auf rund 80 Prozent der installierten Leistung reduzieren, treffen diese Abregelungen in der Regel die flexibleren Wind- oder Solarkraftwerke, die ihren Ökostrom dann nicht mehr einspeisen können.

Durch einen Weiterbetrieb der französischen Atomreaktoren 2030 würden die abgeregelten Ökostrommengen um rund 12 Prozent anwachsen. Das entspreche laut Energy Brainpool rund 2.160 Gigawattstunden (GWh). Ein Ökostrom-Verlust von 781 GWh entfällt dabei auf Frankreich selbst. Doch auch die Nachbarländer Spanien (780 GWh) und Deutschland (586 GWh) wären massiv von den Abregelungen betroffen.

Belgien verlängert Laufzeiten

Wenn neben Frankreich weitere EU-Staaten Laufzeiten für alte Atommeiler verlängern, wäre der Schaden durch ungenutzte Ökostrommengen noch höher, so Tangermann. Belgien etwa hat vor wenigen Wochen beschlossen, den Atomausstieg im Land um zehn Jahre zu verschieben. Auch in Deutschland gibt es immer wieder Forderungen, die letzten drei aktiven Atomkraftwerke über das Ende des geplanten Atomausstieg 2022 weiter am Netz zu lassen. Zudem will die EU-Kommission auf Drängen Frankreichs im Rahmen der Taxonomie durchsetzen, dass Atomkraft als ökologisch nachhaltig eingestuft wird, um Investitionen in neue Atomkraftwerke zu erleichtern.

7.4.2022 | Quelle: Green Planet Energy | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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