© Gerd Altmann auf pixabay.com
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Nachhaltige und ressourcenschonende Anästhesiologie und Intensivmedizin als Ziel

ÖGARI setzt ein grünes Zeichen - Mehr Klimaschutz im Krankenhaus im Fokus

Einen Paradigmenwechsel will eine neue Arbeitsgruppe der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin für eine »nachhaltige Anästhesie und Intensivmedizin« bewirken. Sie bezieht Position und zeigt vier Themenbereiche auf, wie das eigene Fach zum Klimaschutz im Krankenhaus beitragen kann.

Das vorerst wichtigste Ziel ist, die Treibhausgas-Emissionen bzw. deren Äquivalente, verursacht durch anästhesiologische Interventionen, deutlich zu reduzieren. Den größten Anteil daran haben Inhalationsanästhetika. Durch sinnvolle Auswahl und die neuartige Möglichkeit mittels Aktivkohlefilter die Narkosegase zu adsorbieren und zu recyceln, kann deren Entweichen in die Atmosphäre deutlich reduziert werden. Gleichzeitig kann durch technische Adaptionen zumindest in einem Teil der Kliniken der Energieverbrauch gesenkt werden, was einen aktiven Beitrag zu einem klimaneutralen Krankenhaus der Zukunft leistet.

Weltweit stellt der Klimawandel auch die Gesundheitssysteme vor eine der größten Herausforderungen und gleichzeitig ist die moderne Medizin auch Mitverursacher: Vier bis fünf Prozent aller Treibhausgasemissionen entfallen global auf das Gesundheitswesen. In Industrieländern wie Europa sind es ca. acht Prozent oder mehr. Einen großen Anteil daran verursacht die Anästhesie und Intensivmedizin, wobei Inhalationsanästhetika, im Volksmund Narkosegase, den größten negativen Beitrag ausmachen. Es ist daher aus ärztlicher Sicht zwingend nötig, neue Wege zu beschreiten, die hochwertige Gesundheitsversorgung der Bevölkerung aufrecht zu erhalten und parallel zur Gesundheit des »Patienten Erde« beizutragen.

»Mehr Nachhaltigkeit in der Intensivmedizin und der Anästhesie zu erzielen ist deutlich in den Vordergrund getreten. Der Einsatz von Narkosemitteln ist neu zu definieren und wiederverwertbare Modi sind wesentlich. Natürlich ist das nur ein Teil unserer Positionen. Energiesparmaßnahmen, eine Optimierung des Medikamentenmanagements wie auch eine gezieltere Abfallentsorgung spielen in unserem Positionspapier eine Rolle.«, erklärt Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI). Er betont aber, dass es vor allem die Inhalationsanästhetika sind, die ein erheblich treibhauswirksames Potential besitzen. Daher vertreten wir die Position, dass wir weitestgehend auf Lachgas und Desfluran verzichten sollten. Nach derzeitigem Kenntnisstand kann eine Regionalanästhesie, also die gezielte Betäubung einzelner Körperregionen, für viele Eingriffe eine schonende und nachhaltigere Alternative oder sinnvolle Ergänzung zu einer Allgemeinnarkose darstellen. Regionalanästhesieverfahren reduzieren deutlich den Verbrauch diverser Narkosemedikamente und helfen so die Umwelt zu schonen!


Ziel ist, den CO2-Fußabdruck in der Anästhesie reduzieren. Dazu wird eine neue Arbeitsgruppe der ÖGARI sich mit der Erarbeitung und Umsetzung von Fachstandards beschäftigen um das Fachgebiet der Anästhesie und Intensivmedizin nachhaltiger und ressourcenschonender zu gestalten, bei gleichzeitiger Beibehaltung der hohen Versorgungsqualität der Patient:innen in Österreich wie auch unter Berücksichtigung aller medizinischen und hygienischen Standards und Notwendigkeiten.

»Als hochtechnisierte, ressourcenintensive Bereiche sind die Anästhesie und die operativen Bereiche in erheblichem Maße an den Emissionen des Gesundheitssystems beteiligt. Diesen Fußabdruck zu reduzieren und eine langfristige Gesundheitsversorgung hoher Qualität zu gewährleisten, muss höchste Priorität haben.«, bestätigt Primar Dr. Ernst Trampitsch, Gründungsmitglied der ÖGARI-Plattform.

Nachhaltige Anästhesie. In seiner Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Landeskrankenhaus Villach wurde bereits 2021 ein Green Team gegründet, welches sich seitdem erfolgreich mit dem Recycling von Narkosegasen beschäftigt.

»Die Narkosegase sind seit vielen Jahrzehnten bewährte und für unsere Patienten äußerst sichere Anästhetika. Sie sind allerdings Fluor(chlor)kohlenwasserstoffe und dadurch – in unterschiedlichem Maße - hochpotente Treibhausgase. Im Kyoto-Protokoll von 2005 wurde eine Reduktion halogenierter Kohlenwasserstoffe vereinbart und in Kigali wurde 2016 ein weltweiter Verzicht bis zum Jahre 2035 unterzeichnet. Die volatilen Anästhetika wurden jedoch als medizinische Substanzen von diesem Protokoll ausgenommen. Die Narkosegase sind auch die einzigen halogenierten Kohlenwasserstoffe, die in der Atmosphäre in steigender Konzentration nachweisbar sind. Erstaunlicherweise konnten diese Kohlenwasserstoffe sogar schon in der Atmosphäre über der Antarktis nachgewiesen werden.« so Primar Trampitsch. Dank industrieller Interventionen ist es heute möglich, mit ktivkohlefiltern die
Narkosegase zu adsorbieren und in weiterer Folge zu recyclen. Das adsorbierte Gas wird mittels
Wasserdampfs von der Aktivkohle verdrängt und das Desorbat anschließend destillativ aufgereinigt und
wiederverwendet. Das LKH Villach ist das erste Krankenhaus in Österreich mit einer solchen technischen Möglichkeit des Recyclings und hat damit Vorbildwirkung. Weitere Kliniken haben bereits nachgezogen oder planen einen Umbau. Mit seinem Green Team am Krankenhaus Villach hat Primar Trampitsch bewiesen, dass Gesundheitseinrichtungen einen entscheiden Beitrag leisten können und eine ökologische Verantwortung im eigenen Haus wahrnehmen.

»Wir möchten Kolleginnen und Kollegen österreichweit überzeugen, an der ressourcenschonenderen Verbesserung unseres Fachgebietes mitzuarbeiten. Neben der optimalen Auswahl der volatilen Anästhetika ist auch die Anwendung von sogenannten low- und minimal flow-Techniken (niedriger Frischgasverbrauch bei laufender Narkose) von Bedeutung. Es gilt jedoch auch Verbesserung im Medikamentenmanagement zu finden, damit der Medikamentenverwurf so gering wie möglich gehalten wird. Wir führen viele interprofessionelle Gespräche, z. B. mit Haustechnikern, um medizinische Geräte und auch ganze Operationssaalbereiche unter den sich wandelnden Bedingungen auch weiterhin mit der gewohnten Sicherheit zu betreiben bzw. um neue, energiesparende Optionen im Betrieb zu finden«, erklärt Ass.- Prof. Priv.Doz. Dr. Janett Kreutziger, von der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin an der Medizinischen Universität Innsbruck, Leiterin der Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit in Anästhesie und Intensivmedizin der ÖGARI sowie weitere Mitglieder. »Eine unserer Forderungen geht an die Hersteller von Medizinprodukten und Medikamenten. Die jeweiligen Produkte sollen verständliche Angaben eines vollständigen Life-Cycle-Assessments, einer Lebenszyklusanalyse, aufweisen. Damit können wir als Nutzer rascher überblicken, welche Umweltbilanz das jeweilige Produkt hat und bestimmte Prozesse nachhaltiger gestalten.«

Weitere Anliegen sind eine Reduktion des Abfalls und die Forcierung eines konkreten Energiemanagements innerhalb der Abteilungen. Die Verwendung von Einwegmaterialien machen im Krankenhaus ein großes Abfallvolumen aus. Die Intensivmedizin und Anästhesie sind davon keineswegs ausgenommen. Sofern umwelttechnisch sinnvoll, sollen Mehrwegmaterialien diese verdrängen, damit sind z. B. wiederverwertbare Textilien wie sterile Mäntel, Abdecktücher und dergleichen, aber auch häufig verwendete Geräteteile oder bestimmte medizinische Instrumente gemeint. Bislang waren Kostengründe wie auch hygienische Vorgaben bei der Anschaffung und Verwendung ausschlaggebend. Nun soll auch der Umweltgedanke einbezogen werden.

Diese vier Themenbereiche sollen zu einer nachhaltigen und ökologischen verbesserten Situation in den Anästhesiebereichen und auf den Intensivstationen beitragen:

• Inhalationsanästhetika
• Abfallreduktion
• Medikamente
• Energiemanagement


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /