WAZ: Der US-Präsident und Europa - Begeisterung für Obamas Vision

Leitartikel von Gerd Niewerth

Essen (ots) - Passender geht's nicht. Fast zur selben Stunde, da Nordkoreas unberechenbare Machthaber mit ihrer Rakete spielen, wiederholt Barack Obama in Prag seine kühne Vision von einer neuen Welt ohne Atomwaffen. Wie schon wenige Tage zuvor bei seiner Abrüstungsrede vor französischen Jugendlichen macht der US-Präsident deutlich, wie ernst er es damit meint.

Nach den finsteren Jahren der Bush-Regierung, die die Spaltung der Welt vorangetrieben und ungelöste Konflikte zuhauf hinterlassen hat, ist mit Obamas Amtsübernahme unglaublich viel in Bewegung geraten. Wer hätte etwa vor ein paar Monaten gedacht, dass sich die iranischen Ajatollahs in die Nähe des "Großen Satans" begeben würden, wie kürzlich geschehen auf der Haager Afghanistan-Konferenz? Allein dass sie wieder miteinander reden, ist schon ein kolossaler Bruch mit der Vergangenheit.

Oder nehmen wir das Beispiel Klimaschutz. Während das alte Amerika Kyoto blockierte, verspricht der neue Präsident nichts Geringeres, als beim Kampf gegen den Klimawandel sogar die Führerschaft übernehmen zu wollen. Kein Wunder, dass dem amerikanischen "Weltpräsidenten" in Europa so viel Sympathie entgegenschlägt.

Keine Frage: Obama packt eine Baustelle nach der anderen an - Klima, Atomwaffen, Iran, Afghanistan, Russland usw.. Und fast nebenbei, mit viel diplomatischem Geschick, löst er selbst kritische Personalfragen in der Nato. Ohne Obamas Eingreifen wäre die einstimmige Wahl Anders Fogh Rasmussens zum Nato-Generalsekretär wohl nicht geglückt. Dank Obama blieb der Nato eine riesige Blamage erspart.

Allerdings weckt Obamas Superprogramm zur Rettung der Welt auch Skepsis. Vor allem daheim in den USA. Denn dort fragt sich die politische Elite bereits irritiert, wer wen antreibt, wer die politische Tagesordnung bestimmt: Obama die Europäer oder die
Europäer Obama? Schon keimt der Verdacht, der neue Mann im Weißen Haus sei in Wirklichkeit passiv, vielleicht sogar schwach. Verhebt sich Obama gar?

Es ist nun an Europa, an der Europäischen Union wie an den europäischen Verbündeten in der Nato, das Engagement ebenfalls zu erhöhen: ob in Afghanistan, bei der Abrüstung oder bei der Annäherung an Russland. Die ehrgeizigen Ziele des US-Präsidenten sind eine
Herkulesaufgabe. Aber mit Obama kehrt Optimismus und eine neue Ära des Dialogs zurück. Mit Obama öffnet sich auf einmal so manche Tür. Ein frischer Wind, der gut tut.

Quelle:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /