UVP-Gesetz jetzt reformieren: Umweltanwälte und Forum Wissenschaft & Umwelt für modernes, zielgerichtetes UVP-Gesetz

Zwischenbilanz: Zuwenige und vereinfachte Verfahren

‘Das in Österreich derzeit geltende UVP-Gesetz setzt in einigen Bereichen die Richtlinien der EU sowie die Aarhus-Konvention der UN nicht um’, sind sich die UmweltanwältInnen Andrea Schnattinger (Wien) und Harald Rossmann (NÖ) einig. Die EU hat diesbezüglich sogar ein Vertragsverletzungs-verfahren gegen Österreich eingeleitet. ‘Im jetzt vorliegenden Novellierungsentwurf werden aber nur die gröbsten Mängel notdürftig repariert. Es ist traurig, dass sich Österreich offenbar vom Umwelt-Vorzeigeland zum Schlusslicht Europas entwickelt’, meint dazu Reinhold Christian, Präsident des Forum Wissenschaft & Umwelt.

Die nüchterne Bilanz nach 15 Jahren UVP-Gesetz in Österreich:

* In Österreich kommt es überhaupt nur zu einer vergleichsweise geringen Zahl von Verfahren (etwa so viele wie im 32-mal kleineren Luxemburg; wesentlich weniger als in Deutschland, auch in Relation zu Bevölkerung oder Landesfläche)

* Wenn überhaupt, kommt es meist nur zum ‘vereinfachten Verfahren’ mit wesentlichen Einschränkungen:

- Kein übergreifendes Umweltverträglichkeits-Gutachten
- Keine Parteistellung für Bürgerinitiativen
- Keine Nachkontrolle über Einhaltung der Auflagen nach Abschluss des Verfahrens
- Minimale Information der Parteien

Abgespeckte UVP-Varianten sind zu wenig

Das Forum Wissenschaft & Umwelt hat im Vorfeld der UVP-Novelle die Kritikpunkte der NGOs zusammengefasst:

* Die Entscheidung, ob ein Projekt überhaupt einer UVP unterzogen wird, findet im sogenannten Feststellungsverfahren bzw. in den Einzelfallprüfungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
* Die Genehmigung von Verkehrsinfrastrukturprojekten erfolgt durch das BMVIT, das zugleich als Auftraggeber und Behörde tätig wird – eine klare Unvereinbarkeit, noch dazu ohne weiteren Instanzenzug.
* NGOs, die gemäß der auch von Österreich unterzeichneten Aarhus-Konvention die Funktion des Interessenausgleichs haben, also im öffentlichen Interesse arbeiten, werden krass benachteiligt:

- Fehlende Antrags- und Parteirechte (z. B. Feststellungsverfahren)
- Fehlender Informationszugang
- Keine aktive Information durch Projektwerber bzw. Behörde
- Eng begrenzte Zeitfenster für die Beteiligung (öffentliche Auflage, Vorbereitung der mündlichen Verhandlung, …)
- Nachteile in der Gewichtung von Stellungnahmen und Gutachten
- Keine Ressourcen finanzieller oder personeller Art für die Wahrnehmung dieser Aufgaben im öffentlichen Interesse

‘Das UVP-Verfahren ist in erster Linie ein Projekt-Genehmigungs-Verfahren und kann daher nicht prioritär die Verträglichkeit von Projekten für die Umwelt optimieren oder gar eine Verbesserung der Umweltqualität sichern’, so Christian.
Der Projekt-UVP müsste nach Ansicht des Forums Wissenschaft & Umwelt daher zumindest in besonders weitreichenden Fällen ein Prozess vorangehen, etwa mit den Elementen

* Entwicklung von generellen Konzepten
* Strategische Umweltprüfung für diese Konzepte
* Prüfung von Alternativen
* Auswahl des bestgeeigneten Projekts zur UVP

Zumindest für Großprojekte soll – deutlich über den Rahmen des geltenden UVP-Gesetzes hinausgehend – eine solche Vorgangsweise verpflichtend verankert werden. Zusätzlich soll ein UVP-Fonds geschaffen werden, aus dem den NGOs die erforderlichen Mittel zur Erfüllung ihrer verantwortungsvollen Aufgaben zur Verfügung gestellt werden.



Forderungen der Umweltanwälte und des Forums Wissenschaft & Umwelt

Wesentliche Mängel des geltenden UVP-Gesetzes müssen beseitigt werden:

* Die Verankerung des vollständigen, ordentlichen Verfahrens als Regelfall.
* Das sogenannte vereinfachte Verfahren ist nur in zu begründenden Ausnahmefällen zuzulassen.
* Aktive Information aller Parteien: Übermittlung aller relevanten Informationen insbesondere an NGOs und Bürgerinitiativen zeitgerecht vor den jeweiligen Verhandlungsschritten.
* Das Feststellungsverfahren und die Einzelfallprüfungen sind grundlegend zu reformieren, sodass sie in der Praxis nicht den Charakter von UVP-Vermeidungsverfahren haben.
* Differenzierte Vorgangsweise bezüglich schützenswerter Gebiete: standortspezifische Einzelfallprüfungen ohne Schwellenwerte, Ausschluss zahlreicher Projektarten in besonders schutzwürdigen Gebieten (Naturschutzgebiete, Nationalparke).
* Ergänzung der Projektliste und Anpassung der Schwellenwerte an aktuelle Erkenntnisse der Umweltwissenschaften, zumindest aber an die in den Nachbarländern gegebenen Bedingungen.



Beispiele mit besonderer Problematik

Beispiel Schigebiete:

Die UVP Novelle sieht eine UVP-Pflicht erst ab einer Flächeninanspruchnahme mit Geländeveränderungen von mindestens 20 ha vor.
Änderungsvorschlag: UVP-Pflicht ab einer Flächeninanspruchnahme von 10 ha oder beschneiter Fläche von 5 ha oder Geländeveränderungen auf mindestens 5.000 m2 oder Aufstiegshilfen ab 1.000 Personen pro Stunde. (Ähnliche Regelungen gelten z. B. in der Schweiz.)


Beispiel Parkplätze:

Derzeit: UVP-Pflicht ab 1.500 Stellplätzen (entspricht einer Fläche von mindestens 3 ha)
Änderungsvorschlag: UVP-Pflicht ab
- Flächeninanspruchnahme von 1 ha oder
- Parkgaragen von 500 Stellplätzen
(In Deutschland: UVP-Pflicht ab 1 ha)


Beispiel Wasserkraftanlagen:

Derzeit: UVP-Pflicht ab 15 MW.
Änderungsvorschlag: Wasserkraftanlagen (Talsperren, Flussstaue, Ausleitungen, Kraftwerksketten und dergleichen, soweit sie in einem räumlichen Zusammenhang stehen) mit einer Engpassleistung von mindestens 3 MW. Zusätzlich ist sicherzustellen, dass auch Kleinkraftwerke unter 3 MW unter Beachtung der Wasserrahmenrichtlinie sowie naturschutzrechtlichen und ökologischen Gesichtspunkten errichtet werden dürfen.



Transparenz und Interessensausgleich als Eckpunkte für UVP

‘Bei klaren gesetzlichen Rahmenbedingungen und einer transparenten, partnerschaftlichen Vorbereitung und Abwicklung der konzentrierten UVP-Verfahren können diese im Interesse der Umwelt und auch der Projektwerber zügig und unbürokratisch durchgeführt werden’, sind sich Christian, Schnattinger und Rossmann einig.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /