Reicht es aus, Quadratmeter und Hektar einzusparen?

Factsheet aus "Verbaute Zukunft?" - Wissenschaft & Umwelt interdiszipinär 12/2009 (hg. vom Forum Wissenschaft & Umwelt)

In der raumplanerischen Diskussion dieser Tage dreht sich sehr vieles um Daten, die oft fehlen, unvollständig oder unzureichend sind. Ist der in Hektar gemessene Flächenbedarf pro Tag durch statistische Umstellungen etwas überzeichnet? Hinkt die jährliche Statitistik dem tatsächlichen Flächenverbrauch hinterher? Stehen Daten für Bauten im Grünland zur Verfügung? Werden Gewerbeflächen systematisch erfasst?

Grob zusammengefasst, lautet der Grundtenor vieler Expertisen: Weniger (Flächenverbrauch) ist mehr (Nachhaltigkeit). Doch Kategorien wie "viel" oder "wenig" sagen nicht alles, wenn es um unsere räumliche Umwelt geht. Denn es macht einen großen, entscheidenden Unterschied, WIE diese Umwelt gestaltet und bebaut wird. Die Form unserer Räume habe, so der deutsche Architekturhistoriker Wolfgang Sonne, Auswirkungen auf die ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit.

Menschen möchten in einer Umgebung leben, in der sie sich wohl fühlen. Da unterschiedliche Menschen sich aber in unterschiedlichen Umgebungen wohl fühlen, wurde der Schluss gezogen, es könne, zumal im Zeitalter des Pluralismus und Individualismus, keine allgemein gültigen Gestaltungskriterien geben. Woher aber rührt dann jener "fast gespenstische Konsens" bei der Beurteilung "schöner" Stadtumgebungen, den Wolfgang Sonne ausmacht? Und der Wiener Architekturwissenschaftler und Philosoph Georg Franck stellt eine erstaunliche monetäre Übereinkunft fest: "Wie verschieden die Geschmäcker auch sein mögen, immer müssen sie feststellen, dass ausgesprochen schöne Lagen auch ausgesprochen teuer sind."

Der Wiener Raumplaner Roland Hackl hat in einem Immobilienpreismodell am Beispiel Wiens getestet, welche Auswirkungen unterschiedliche Aussichtsqualitäten auf Wohnungs- und Mietpreise haben, und entdeckte dabei, dass beispielsweise eine fünfzigprozentige Erhöhung der Sichtbarkeit des Himmels den Immobilienpreis um ca. 28 Prozent ansteigen lässt. Auch Grün vor den Fenstern treibt die Preise nach oben, ebenso wie Vielfalt und Detailreichtum.

Wenn wir heute die Bauten von morgen als kurzlebige Wegwerf- und Abrisskandidaten errichten, dann kann dies kaum als nachhaltig bezeichnet werden. Kurzlebig sind Bauwerke nicht nur dann, wenn ihre Materialien rasch verschleißen und kaum alterungsfähig sind - Kurzlebigkeit entsteht auch durch exzessive Modeerscheinungen, durch Prestige-, Spekulations- und Imponierprojekte, die ein ästhetisches Verfallsdatum tragen und die Stadtflucht vorantreiben.

Aber wer entscheidet, was kurzlebig ist und was nicht? Im Zuge der Deregulierungsphase der letzten Jahrzehnte sind gestalterische Vorgaben in Verruf geraten und wurden von Gesetzesgebern systematisch abgebaut. Weder der Gesetzgeber noch Gestaltungsbeiräte noch von Experten erstellte Gestaltungsregeln sind tatsächlich in der Lage, eine "nachhaltige Ästhetik" durchzusetzen. Es gibt bloß eine Instanz, die das tun könnte (wenn man sie denn ließe): wir alle.

Um über die bestmögliche Entwicklung unseres Lebensraum bestimmen zu können, müssten wir, auf lokal begrenzter Ebene unserer Wohnorte, abstimmen und mitbestimmen dürfen. Nur wir alle zusammen hätten die Kraft, uns selbst jene Regeln zu verordnen, die wir wohl dringend bräuchten.

Eine Zusammenstellung nach Beiträgen von Wolfgang Sonne, Georg Franck, Roland Hackl, Petra Schneider

Quelle und weitere Information: Forum Wissenschaft und Umwelt


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /