Der 15. Wiener Bezirk optisch autofrei?!

Eine interessante Diskussion „bewusst.nachhaltig“ geführt

Während weltweit in Städten, wie New York, London bis Seoul aus Gründen von Klimaschutz, Kosten sowie zur Rückeroberung des Lebensraums für Menschen Straßen und Plätze zurückerobert werden, tut sich in Wien, trotz Ideen von Victor Gruen bis hin zu Hermann Knoflacher (TU Wien, IVV), derzeit wenig zur Schaffung neuer Grünoasen und Fußgängerzonen. Die Umsetzung einer Fußgängerzone in der Mariahilfer Straße wurde beispielsweise blockiert.

An Visionen mangelt es jedenfalls nicht, denn im 09. Bezirk diskutieren BürgerInnen aus Lichtental gemeinsam mit Ao.Univ.Prof. Mag. Dr. Emberger von der TU Wien (IVV) sowie mit DI Johannes Gruber dem Autor der Diplomarbeit ‘Verkehrskonzept 15. - Zeitlich gestaffelte Umsetzung des Äquidistanzmodells am Beispiel Wien 15’ auf Einladung der Gruppe ‘bewusst.nachhaltig’ der Agenda 21, Wien Alsergrund.

Die Gruppe beschäftigt sich seit über einem Jahr mit der digitalen Bearbeitung von Bildern, um zu zeigen, wie die Straßen und damit verbunden Parkplätze durch Herstellung einer Chancengleichheit der Verkehrsträger zum Wohle der Menschen zurückerobert werden könnten.

DI Gruber erläuterte im Rahmen seiner Präsentation, dass die Umsetzung optisch autofreier Siedlungen im Bestand durch den Bau von Sammelgaragen, die im gleichen Abstand wie öffentliche Verkehrsträger von den Wohnungen aus erreichbar sind, umgesetzt werden kann. Mit dem Bau der Garagen würden im gleichen Umfang Parkplätze von der Oberfläche zu Gunsten der Menschen zurückgebaut. Parallel dazu wären Wohnumfelder wieder attraktiver, so kehren z.B. Einkaufsmöglichkeiten wie Greißler wieder zurück.

Als Gründe für die Umgestaltung führte Gruber beispielsweise an, dass der Verkehrssektor einer der größten Verursacher von Umweltbelastungen mit Schadstoffemissionen, hohem Energieverbrauch, negativen Auswirkungen auf die Gesundheit, Backofeneffekten (negative Auswirkungen auf das Mikroklima durch die Versiegelung u.a. für Stellflächen) bis hin zur Verschandelung der Landschaft bzw. des Ortsbildes ist. Der Autoverkehr, der in Österreich seit den letzten Jahrzehnten einen rapiden Anstieg erlebt, ist jene motorisierte Fortbewegungsart, bei der die Fahrleistung mit dem geringsten Wirkungsgrad erbracht wird. Parallel mit der bisherigen Raumplanung ist dieses Fortbewegungsmittel mit Schuld am Verdrängungswettbewerb der Nahversorger.

Attraktivität der Verkehrsträger ist für deren Wahl ausschlaggebend

Aufgrund wissenschaftlicher Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass der Pkw aus physiologisch-energetischen und psychologischen Gründen gegenwärtig meist nur auf Grund der Nähe bevorzugt wird. So wie die meisten Menschen Rolltreppen oder Fahrstühle statt einer aufwändigeren Treppe benutzen, begeben sich BürgerInnen zum Auto, wenn die Zugangsattraktivität im Vergleich zu den Alternativen, wie öffentliche Verkehrsmittel, größer ist. Letzteres ist momentan u.a. auf Grund der Stellplatzverordnung, die Garagen vorschreibt, leider der Fall. Garagen werden leider nicht im vergleichbaren Abstand errichtet, wie öffentliche Verkehrsmittel erreichbar sind.

Mit einer entsprechenden Umsetzung würden, wie schon erwähnt, viele Vorteile erreicht werden:

* Eine Verringerung innerstädtischer Emissionen (Lärm, Feinstaub, Abgase)
* Ein ruhigeres und gesünderes Wohnumfeld
* Eine geringere Versiegelung - ein verbessertes Mikroklima (Backofeneffekt)
* Eine erhöhte Kinder- und Familienfreundlichkeit (freies Spielen der Kinder möglich)
* Eine höherer Verkehrssicherheit (Senkung der Geschwindigkeiten)
* Eine erhöhte soziale Kontrolle samt Sicherheitsempfinden
* Ein Raumgewinn durch freiwerdenden Parkraum (Grünraum, öff.
Begegnung) – mehr Natur in der Stadt / Naherholung
* Eine Ermöglichung halböffentlicher Räume, mehr Kontakte zwischen den Nachbarn
* Die Vorteile entsprechen außerdem den Zielen der Wr. Bauordnung z.B. wie gesunde Lebensgrundlagen oder größtmöglicher Schutz vor Belastungen)

Zur Umsetzung des "Äquidistanzmodells" wäre es notwendig, dass hohe Dichte und eine gute Erreichbarkeit durch öffentlichen Verkehrsmittel sowie Alternativen zum privaten Auto, wie CarSharing, Ruftaxi, Leihrad,…, ermöglicht werden. Durch Rücknahme von Stellplätzen kann gleichzeitig die Etablierung von Fußgängerzonen in derzeitigen Erschließungsstraßen erfolgen. Parallel dazu ist eine Umgestaltung und Aufwertung dieser Straßenzüge möglich.

Ein Konzept zu Lasten der Autofahrer? Nein

Bereits heute leben in Städten über 500.000 EinwohnerInnen über 40 bis 50% autofrei d.h., dass deren Interessen vernachlässigt werden. 90% aller körperlich Beeinträchtigten sind nicht im Besitz von Pkws.

Visionen, die Realität werden können

Gruber verdeutlichte anhand der Löschenkohlgasse sowie der Schweglerstraße im 15. Wiener Bezirk, welche Visionen mit Umsetzung der Konzepte seiner Diplomarbeit zu einer Wirklichkeit zum Wohle der Menschen werden könnten.

Dazu zählen:

* Fußgängerzone – Straßenkategorie AW_1
* Veränderung der Flächenbilanz zu Gunsten des öffentlichen Raums mit Radständern, Gemeinschaftsgärten, Kinderswpielplätze, Verweilzonen mit attraktiver Straßenraum bei dem BewohnerInnen bereit sind größere Distanzen zu Fuß zurückzulegen
* Sitzgelegenheiten an ausgesuchten Plätzen
* Fahrradständer an jeder Haustüre
* Übergangszeit – Ladetätigkeit außerhalb der Ladenöffnungszeiten

Unter gegenwärtigen Voraussetzungen könnten die Visionen in 10 bis 20 Jahren Realiät werden.

Dr. Emberger ging im weiteren Verlauf der Veranstaltung auf die Auswirkungen des gegenwärtigen Verkehrsverhaltens (z.B. Anstieg der Treibhausgasemissionen seit 1990 im Verkehr um über 80%) sowie die Gründe für den Umbau unserer Städte ein.

Im Anschluss wurde rege diskutiert- ein Umdenken und Umschwenken würde nicht nur mehr Lebensqualität in die Städte bringen, sondern gleichzeitig, als Maßnahme gegen den Klimawandel im Verkehrsbereich, den Indivudualverkehr in den Städten verändern. Das nicht jede Gasse immer befahrbar sein muss, war man sich absolut einig.

GastautorIn: René Bolz für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /