Starten wir jetzt- Erneuerbare Energie nun Chefsache

TU-Studie zeigt immenses Potenzial der "Erneuerbaren" bei "Wärme und Kälte" - Energieeffizienzmaßnahmen im Gebäudebereich sind die Voraussetzung

Das hohe Entwicklungspotenzial der erneuerbaren Energieträger und die entscheidende Bedeutung der Energieeffizienz waren Thema einer gemeinsamen Pressekonferenz von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, WKÖ-Präsident Christoph Leitl und dem Obmann des Dachverbandes Energie-Klima in der WKÖ, Robert Kanduth, Die Studie der TU Wien, zeigt am Beispiel des Sektors "Wärme und Kälte" deutlich auf, dass die Verbesserung der Energieeffizienz und der Ausbau der "Erneuerbaren" Hand in Hand gehen müssen, um die künftigen Klimaziele zu erreichen. Unter diesen Voraussetzungen kann der Sektor bis zum Jahr 2030 einen beachtlichen Beitrag zur Lösung der Energie- und Klimaprobleme bringen
In der Studie wird der Wärme-Kältebereich, der in Österreich die Hälfte des Gesamtenergieverbrauchs ausmacht, hinsichtlich seines CO2-Einsparungspotentials genauer untersucht.

Für massiven Ausbau der Erneuerbaren im Wärmebereich

Als Konsequenz der Studie sprach sich der Bundeskanzler für einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien in Österreich im Wärmebereich und eine anteilige Zweckbindung der Wohnbauförderungsmittel aus. Die Förderung von erneuerbaren Energien müsse unter strengen Gesichtspunkten der Effizienz und der Nachhaltigkeit erfolgen. Mit der Zweckbindung der Wohnbauförderung soll die thermische Sanierungsrate deutlich erhöht werden und zugleich Anreize für CO2-sparende Heiz- und Kühlsysteme gesetzt werden. Bundeskanzler Gusenbauer: "Ich bin davon überzeugt, dass man durch klugen Einsatz politischer Instrumente soziale und ökologische Ziele gleichzeitig erreichen kann. Hier sollte Österreich eine Vorbildwirkung für andere Länder einnehmen. Politik für den Umwelt- und Klimaschutz, Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und Versorgungssicherheit stehen nicht im Widerspruch zueinander. Im Gegenteil sie bedingen einander und schaffen neue Chancen für Ökonomie und Ökologie."

Er hob die Bedeutung des Umweltsektors für die Industrie hervor: "Gerade Investitionen in den Bereich "Wärme und Kälte" sind besonders arbeitsintensiv und haben positive regionale und lokale Auswirkungen und eine relativ geringe Importneigung, d.h. die Wachstums- und Beschäftigungsimpulse öffentlicher Investitionen bleiben überwiegend im Land. In Teilbereichen der Erneuerbaren Energie hat Österreich bereits Weltführerschaft, dies gilt auch für manche Technologien im Sektor Wärme/Kälte, die helfen, die Energieeffizienz zu steigern. Wir haben in Österreich exzellente Umwelt- und Energietechnikbetriebe. Viele der Technologien werden bereits exportiert."

Gusenbauer: "Gerade im Wärme- und Kältebereich sind hier noch massive Anstrengungen notwendig. Wir haben ein Bündel von Maßnahmen zu erledigen: Wir müssen Forschung und Entwicklung forcieren, und gleichzeitig ordnungspolitische und anreizorientierte Instrumente einsetzen. Die Wirtschaft braucht die Vorgabe von klaren Zielen und Richtlinien, ebenso wie den Einsatz steuerungspolitischer Instrumente und öffentliche Investitionen. Wir müssen, und das macht die Studie klar, rasch und zügig handeln. Die in der Studie erhobenen Einsparungseffekte stellen sich erst dann ein, wenn die Politik die notwendigen Rahmenbedingungen schafft, je früher und entschlossener wir das tun, desto rascher werden Ergebnisse sichtbar."

Die Studie selbst beziffert das Einsparungspotential an CO2 Ausstoß mit bis zu 20 Millionen Tonnen bis zum Jahr 2030. Dies allerdings unter der Voraussetzung, dass tatsächlich alle Potentiale ausgeschöpft werden. Die Autoren empfehlen, die Erhöhung des Anteils der Erneuerbaren Energie primär über eine drastische Effizienzsteigerung bei der Verwendung von Wärme- und Kühlungsenergie zu erreichen. Die technischen Möglichkeiten, seien teilweise schon vorhanden.


Gemeinsam wurden die Möglichkeiten hervorgehoben, die im Wohnbau zur thermischen und energetischen Sanierung bestehen. Mit verstärkten Anreizen will man die Bürger zum Mitmachen bewegen.

"Mit der steigenden Energieeffizienz wollen wir erreichen, dass der Energieaufwand trotz Wirtschaftswachstums nicht zunimmt. Wir würden erneuerbare Energien verschleudern, wenn nicht gleichzeitig die Effizienz gesteigert wird", sagte der Bundeskanzler. Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz zeigten also gerade hier eine besonders große Wirkung. "Es ist das eine typische Win-Win-Situation. Sowohl die lokale und regionale Wirtschaft als auch die Beschäftigung profitieren".

Ausgehend vom Klimagipfel in New York und in Hinblick auf die nächste Klimakonferenz in Bali und die kommenden "Post-Kyoto-Verhandlungen" meinte der Kanzler, man könne es nicht bei den bisherigen Strategien belassen. "Um zusätzliche Herausforderungen im Energie- und Klimabereich bewältigen zu können, brauchen wir neue Instrumente". Bezogen auf Österreich, lobte Gusenbauer den Klima- und Energiefonds als entscheidendes Instrument zur Steigerung von Forschung und Entwicklung bei Umwelttechnologien. Der jüngste Klima-Bericht der Regierung sei eine taugliche Grundlage für weitere Entwicklungen.

Österreich ist mit einem Anteil der erneuerbaren Energie von 22 Prozent Vorreiter in Europa, unterstrich Präsident Leitl. Im europäischen Binnenmarkt brauche es beim Umweltschutz aber auch eine gemeinsame und gerechte Verteilung der Binnenlasten. "Es muss hier in Europa einheitliche Kriterien und gleiche Spielregeln geben. Wir wollen kein Industrievertreibungsprogramm und gleiche Bedingungen für ein Stahlwerk in Österreich, England, Polen oder Skandinavien". In Zusammenhang mit dem bevorstehenden "burden sharing" auf EU-Ebene verlangte Gusenbauer eine gleiche Verteilung der Lasten unter den Mitgliedsstaaten, was in der Vergangenheit nicht immer ausreichend der Fall war.

Als nationalen Schwerpunkt bezeichnete Leitl die thermische Sanierung der vorhandenen Bauten. "Mehr als die Hälfte der Gebäude sind zwischen 1945 und 1980 gebaut und sind dringend sanierungsbedürftig. Eine jährliche Sanierungsrate von fünf Prozent der vorhandenen Gebäue - statt wie derzeit nur ein Prozent - wäre unmittelbar "inlandswirksam, wachstumsstärkend sowie arbeitsplatzmäßig und ökologisch wirksam", so Leitl: "Vorbeugend investieren ist besser als nachträglich zahlen. Eine Sanierungsmilliarde ist uns lieber als eine Pönalemilliarde".

Auch Kanzler Gusenbauer hob hervor, dass im Wohnbaubereich "das Gros der Einsparungen" zu erzielen ist. Was das Instrument der Wohnbauförderung betrifft, müsse erst ein Abkommen mit den Ländern geschlossen werden. Man dürfe neben dem ganz wesentlichen Wärmebereich aber auch den Verkehr nicht vergessen. 26 Prozent des CO2-Ausstoßes werden durch den Verkehr bewirkt (EU-Durchschnitt: 21 Prozent). Präsident Leitl sprach sich für eine Gesamtökobilanz ("Kreislaufbilanz") und für Incentives beim Einsatz neuer Technologien aus, z.B. bei der Einführung besonders schadstoffarmer Lkw im Straßengüterverkehr.

Starten wir jetzt!

Hocherfreut zeigte sich Robert Kanduth, der Obmann des Dachverbandes Energie-Klima, über das gemeinsame Plädoyer für den Einsatz erneuerbarer Energieträger und eine Stärkung der Energieeffizienz. "Dieser 22. Oktober ist für uns ein ganz besonderer Tag. Damit ist unser Anliegen endgültig zur Chefsache geworden," meinte kanduth. Man müsse jetzt rasch weitere Schritte setzen, um Europa längerfristig energieunabhängig zu machen. "Das ist möglich. Wir müssen es nur tun".

Rund 90 Prozent der Energie in Österreichs Haushalten werden für Wärme und Heizung aufgewendet. Der Einsatz der "Erneuerbaren" könnte daher langfristig zu einer wesentlichen Grundlage der österreichischen Wirtschaft werden. Denkbar seien 30.000 neue Jobs und 1,8 Milliarden Euro an Wertschöpfung bis 2030.

Laut der vom Dachverband Energie-Klima und der WirtschaftskammerÖsterreich in Auftrag gegebenen TU-Studie seien die größten Effekte im Bereich "Raumwärme und Warmwasserbereitung" zu erwarten. Durch Steigerung der Energieeffizienz lasse sich der Endenergieverbrauch bis 2030 um etwa 29 Prozent reduzieren. Gleichzeitig kann der Anteil erneuerbarer Energie auf fast 80 Prozent gesteigert werden. Die CO2-Emissionen lassen sich in diesem Zeitraum durch erneuerbare Wärme und Kälte sowie Energieeffizienz halbieren.

Bleiben die derzeitigen Rahmenbedingungen gleich, können mit erneuerbarer Wärme und Kälte im Kyotojahr 2012 von den 30 Millionen Tonne CO2, die einzusparen sind, vier Millionen Tonnen kostengünstig gespart werden. 2020 könnten bereits 12 und 2030 bereits 20 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Ein besonders großes Einsparpotenzial hat der Studie zufolge der Bereich "Haushalte und Büros". Allein dieser Bereich könnte zur Erreichung des Kyoto-Zieles (13 Prozent CO2-Einsparung bis 2012) rund vier Prozent beitragen. "Soll zu einem früheren Zeitpunkt mehr erreicht werden setzt dies allerdings günstigste Rahmenbedingungen voraus", unterstrich der Branchensprecher. Die offensive Bevorzugung von erneuerbarer Wärme über Förderungen und Gesetze sei dabei ebenso wichtig wie die Forcierung von Forschung und Entwicklung.

Bis 2030 können hohe Anteile des Energieverbrauches im Sektor "Wärme und Kälte" mit Erneuerbaren abgedeckt werden. 100 Prozent Erneuerbare sind, so die Studie, nur dann möglich, wenn in bestimmten Bereichen, wie etwa Prozesswärme, umfassende Systeminnovationen durchgezogen werden. Initiativen wie der Klimaschutz- und Energiefonds seien wichtig, um die nötige Energieforschung voranzutreiben und den Markterfordernissen anzupassen.

Allein der Sektor "Wärme und Kälte aus erneuerbarer Energie" könnte einen Anteil von 42,5 Prozent des Regierungszieles (45 Prozent Erneuerbare bis 2020) abdecken. Derzeit liegt der Anteil der Erneuerbaren am Gesamtenergieverbrauch bei 22,5 Prozent.

Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energie weisen im Wärmebereich bereits jetzt einen hohen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellenwert auf. Voraussetzung für ein weiteres rasches Wachstum ist allerdings die Bevorzugung erneuerbarer Wärmetechnologien über Gesetze und Förderung und eine klare Prioritätensetzung bei den Effizienzstandards in Gebäuden.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /