Mit Strom mobil

Die Elektromobilität muss in Deutschland systematisch vor- angetrieben werden Umfassendes Fraunhofer-Projekt "Systemforschung Elektromobilität" soll deutscher Automobilindustrie helfen, sich langfristig Spitzenplatz auf diesem Feld zu sichern

Nicht nur neue Antriebskonzepte werden die Automobil- und Zulieferbranche stark verändern. Alle müssen sich umstellen: Die Autofahrer werden in Zukunft nicht nur flüssigen, sondern auch elektrischen "Kraftstoff" tanken, die Fahrzeugindustrie wird einige Bauteile für Pkws bald nicht mehr herstellen - dafür kommen neue hinzu - die Energiekonzerne benötigen andere Geschäftsmodelle und Tarifstrukturen für die Stromversorgung der Autos. An Lösungen für diese und viele weitere Aspekte der Elektromobilität arbeiten Fraunhofer-Wissenschaftler. Das Neue ist: Fraunhofer bietet das Know-how für die gesamte Prozesskette der künftigen Elektromobilität.

"Wir können alle Wertschöpfungsstufen der Elektromobilität auf- einander abgestimmt entwickeln. Die Institute bringen ihre Kompetenzen ein und stellen sich den zentralen Fragen: Wie wird die Energie erzeugt, transportiert, verteilt, ins Auto gebracht und dort möglichst effektiv eingesetzt? Welche Materialien sind für den Leichtbau oder Batterien notwendig? Wie funktionieren Schnittstellen zwischen Stromnetz und Fahrzeug und - ganz wichtig - wie wird der Verbrauch abgerechnet?", erklärt Professor Hans-Jörg Bullinger, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft. Ziel der Wissenschaftler ist es, mit vereinten Kräften in zwei Jahren grundlegende Bausteine für die Elektromobilität zu entwickeln.

Ein systematisches Vorgehen ist wichtig, damit Deutschland beim Automobilbau auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleibt. Am Projekt "Systemforschung Elektromobilität" beteiligen sich 34 Fraunhofer- Institute. Die Bundesregierung unterstützt dieses Vorhaben: Das Konjunkturprogramm I enthielt bereits 14 Mio Euro für Investitionen in die Elektromobilität. Jetzt stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit Mitteln aus dem Konjunkturprogramm II weitere 30 Mio Euro zur Verfügung, um das Thema mit hoher Intensität vor-anzubringen.

Die Batterie hat eine Schlüsselrolle

Die neuartigen Elektromotoren haben einen großen Vorteil: Sie arbeiten wesentlich effektiver als Verbrennungsmotoren. Ihr Wirkungsgrad liegt bei etwa 90 Prozent, bei Benzin- oder Dieselmotoren sind es dagegen nur 35 Prozent. Bislang konnten sich elektrisch betriebene Fahrzeuge jedoch nicht auf dem Markt durchsetzen - es fehlen leistungsfähige, sichere, kostengünstige und langlebige Energiespeichersysteme. Die Wissenschaftler arbeiten deshalb unter anderem an robusten Lithium-Ionen-Akkus, die den rauen Bedingungen im Auto Stand halten. Deshalb tauschen sie brennbare und damit gefährliche Elektrolyte durch stabile Polymere aus, suchen nach umweltverträglichen und stabilen Materialen und tüfteln an effektiven Batterie-Managementsystemen.

Das Zusammenspiel der neuen Fahrzeugkomponenten und Schnittstellen prüfen die Fraunhofer-Experten an Demonstratorfahrzeugen und in speziellen Prüfzentren. So muss zum Beispiel ein zweites elektrisches Bordnetz im Fahrzeug installiert werden, um den Stromfluss in handhabbarer Dosierung steuern zu können. Damit zieht nun die Hochspannungs- und Hochleistungselektronik in breitem Umfang in die Fahrzeugtechnik ein. Diese neuen Anforderungen an die Bauteile und Systeme können beispielsweise am Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB in Erlangen getestet werden: Hier wird der Umgang mit elektromagnetischen Störungen, die Fahrdynamik oder das Zusammenspiel von Elektro- und Verbrennungsmotor bei Hybridfahrzeugen ausprobiert und verbessert. An Hybridmotoren arbeiten die Forscher schon länger. So hat Dr. Martin März, Abteilungsleiter Leistungselektronische Systeme am IISB in Erlangen und Leiter des Zentrums für Kfz-Leistungselektronik, einen Baukasten entwickelt. Das Versuchsfahrzeug ist ein Audi TT mit Vorderradantrieb. Die zwei Elektromotoren sind an der Hinterachse montiert. Der laptopgroße Spannungswandler und die Akkus sind im Kofferraum verstaut. "Kurz und mittelfristig wird der Anteil an Hybridfahrzeugen stark zunehmen, langfristig ergänzt durch einen wachsenden Anteil reiner Elektrofahrzeuge", prognostiziert März.

Wichtig für die neue Infrastruktur sind Standards, zum Beispiel für die Schnittstelle vom Pkw zum Stromnetz. Hier haben sich Automobilhersteller und Stromversorger bereits auf einen einheitlichen Stecker zum "Betanken" der Fahrzeuge geeinigt. Ein neuer fünfpoliger Stecker soll Batterien schneller aufladen als die haushaltsüblichen Stecker. Es geht jedoch nicht nur um die einzelnen Bauteile - Konstrukteure aus unterschiedlichen Fachbereichen betrachten das gesamte Energiesystem des Autos und der Energieversorgung.

Fahrzeuge sorgen auch für ein stabiles Stromnetz

ie ganz oder teilweise mit Strom betriebenen Fahrzeuge können sparsame und umweltschonende Alternativen zu diesel- oder benzinbetriebenen Autos werden. Akuten Problemen wie Klimawandel und knappen Ressourcen können sie aber nur dann entgegensteuern, wenn sie vorwiegend mit regenerativ erzeugtem Strom fahren. Dessen Anteil muss in den kommenden Jahren erheblich gesteigert werden. Mehr Sonnen- und Windenergie führen allerdings dazu, dass das Energieangebot stärker schwankt. Auch hier haben Energiespeicher eine Schlüsselrolle. Nicht nur große fest installierte Speicher halten das Stromnetz stabil. Auch die Batterien in Elektroautos können einen Beitrag leisten: Bei starker Sonnenstrahlung oder kräftigem Wind speichern sie die überschüssige Energie und speisen bei Flaute oder bewölktem Himmel einen gewissen Teil wieder ins Netz ein. Denn selbst zu Stoßzeiten stehen etwa 95 Prozent aller Fahrzeuge auf Parkplätzen. Die Dimensionen sind beträchtlich: Wären zehn Prozent aller in Deutschland zugelassenen Autos Hybridfahrzeuge, die eine Energiemenge von einer Kilowattstunde speichern könnten, beliefe sich die gesamte Energiemenge auf 4,6 Gigawattstunden. Geht man vom Maximalszenario aus und nimmt an, dass alle Fahrzeuge Elektrofahrzeuge sind, deren Speicher 15 Kilowattstunden fassen könnten, läge die in den Autos gespeicherte Energiemenge bei 690 Gigawattstunden - man könnte in diesem Fall das gesamte deutsche Stromnetz zehn Stunden lang nur aus diesen Fahrzeugen speisen. Elektro- und Hybridantriebe haben weitere Vorteile: Sie helfen Kraftstoff zu sparen. Hybridantriebe kommen im Stadtverkehr mit bis zu 50 Prozent weniger Sprit aus. Im stehenden und Stop-and-go Verkehr produziert das Fahrzeug weder Schadstoffe noch Lärm.

Vieles wird sich ändern: Die Elektroautos werden wohl überwiegend zu Hause, am Arbeitsplatz oder in Tiefgaragen aufgeladen und nicht nur wie bisher an Tankstellen. Auf den Wandel der Infrastruktur und vielfältige Mobilitätskonzepte müssen sich die Automobilhersteller und Zulieferer vorbereiten. Die Studie vom Fraunhofer-Institut für System und Innovationsforschung ISI "Energietechnologien 2050" bestätigt: Unternehmen, die auf Umwelt und nachhaltigkeitsorientierte Technologien setzen, verschaffen sich im globalen Wettbewerb enorme Vorteile und sichern damit die Basis für Wachstum und Arbeitsplätze.

Quelle:
Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie
Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /