©  Birgit Mair-Markart.
© Birgit Mair-Markart.

Alpenbock, Eremit und Eichenbock auf Baumsuche

„Bitte lasst doch mehr Bäume alt und morsch werden!“

Das würden Alpenbock, Eremit und Großer Eichenbock sagen, wenn sie reden könnten. Am liebsten bewohnen sie Bäume, die weit über dem Alter sind, in dem sie heute üblicherweise geschlägert werden. Alte Bäume findet man leichter auf Wandkalendern und in Märchenbüchern abgebildet als im wirklichen Wald. Doch die schönsten und größten Käfer unseres Landes können ohne sie nicht überleben.
Kein Wunder also, dass es zunehmend schwierig wird, Hirschkäfer und andere imposante Krabbeltiere beim Waldspaziergang zu beobachten. Die Hauptursache: Seit Jahrzehnten wird in der Forstwirtschaft zwar von nachhaltiger Nutzung gesprochen, doch dies beschränkte sich bis vor kurzem auf die Erhaltung der Waldfläche und den jährlichen Zuwachs, ließ aber die Bedeutung von Alterung und Zersetzung der Bäume außer Acht. Nach wie vor werden die Bäume meist im ‘besten Alter’ gefällt, lange bevor sie ein natürliches Ende finden.


Diese Praxis vernichtete fast vollständig den Lebensraum für holzbewohnende (xylobionte) Käferarten und deshalb zählen Bockkäfer, Prachtkäfer und Hirschkäfer zu den meist gefährdeten Tierarten Europas. ‘Werden nicht bald entsprechende Schritte zu ihrer Rettung unternommen, wird es für manche Arten zu spät sein.’ Zu diesem nüchternen Ergebnis kamen Fachleute der Arbeitsgemeinschaft Österreichischer Entomologen (AÖE), der Österreichischen Gesellschaft für Entomofaunistik (ÖGEF) und des NATURSCHUTZBUND NÖ anlässlich eines Workshops am 28. Februar 2010 in Wien, der gemeinsam mit der Wiener Umweltschutzabteilung/MA 22 veranstaltet wurde.*

Alpenbock, Eremit und Großer Eichenbock stehen stellvertretend für andere. In Österreich gibt es zehn holzbewohnende Käferarten, die gemäß der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie zu schützen sind. Österreich obliegt die Verantwortung, für einen günstigen Erhaltungszustand dieser Arten Sorge zu tragen. Das ernüchternde Expertenurteil: Ihr Erhaltungszustand ist in der Alpenrepublik ‘unzureichend’ oder gar ‘schlecht.’ ‘Um hier Abhilfe zu schaffen, ist weitere Grundlagenforschung notwendig, denn das Wissen über die zehn Arten ist immer noch dürftig. Wir sind dazu bereit, aber Politik und Verwaltung müssen die Forschung finanziell unterstützen’, so Univ. Prof. Dr. Erhard Christian, Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Entomofaunistik und Dr. Herbert Zettel, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Österreichischer Entomologen unisono. Waldbesitzer sind kaum informiert, was für die 10 Käferarten im Zusammenhang mit den EU-Richtlinien zu tun sei.

‘Im Sommer beginnt die große Suche nach dem Alpenbock’ verkündet Mag. Margit Gross vom Naturschutzbund NÖ, der sich im Rahmen der Kampagne ‘Vielfaltleben’ (Lebensministerium) um die blaue Schönheit mit dem lateinischen Namen Rosalia alpina kümmert. Mittels Fragebogenaktion hofft man wertvolle Hinweise auf die versteckt liegenden Vorkommen von Rosalia in Niederösterreich zu bekommen. Der Alpenbock ist in Niederösterreich am ehesten im Wienerwald und in den Nördlichen Kalkalpen anzutreffen. Allerdings findet man Rosalia und ähnlich anspruchsvolle Käfer nur in naturnahen Wäldern mit viel Alt- und Totholz.

* Eine bei diesem Anlass verabschiedete Resolution findet man auf:
www.entomologie.at (AÖE)
www.oegef.at (ÖGEF)
www.noe.naturschutzbund.at (NATURSCHUTZBUND NÖ)

GastautorIn: Mag. Barbara Grabner für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /