"Klimawandel nach Kopenhagen: Was nun?"

Botschafter William Eacho - Rede in der Wirtschaftsuniversität

Dass wir heute Abend hier sind, zeigt, dass Sie sich -- so wie ich -- ebenfalls Gedanken um unser Klima machen, und sich der zukünftigen Gefahren bewusst sind, sollte es uns nicht gelingen den Trend der globalen Erwärmung umzukehren. Eine Herausforderung, die wir später noch diskutieren können, ist die Frage, was man den Menschen sagen kann, die behaupten, dass sie "nicht an den Klimawandel glauben" - so als wäre das Wetter eine Frage des Glaubens oder der öffentlichen Meinung. Die Wissenschaft ist niemals perfekt, doch in diesem Bereich ist sie nahezu einer Meinung.

Doch das ist nicht mein eigentliches Thema - zumindest jetzt noch nicht. Ich möchte zuerst eine Art Schnappschuss davon präsentieren, wie die Vereinigten Staaten zum Klimawandel stehen. - Erstens: zu den Verhandlungen über ein globales Abkommen, wo meiner Meinung nach die europäischen Medien zu pessimistisch sind; - Zweitens: zu den Bemühungen in den Vereinigten Staaten in dieser Sache "unseren Beitrag zu leisten"; - und schließlich darüber, wie jeder von uns zu einer nachhaltigen Zukunft beitragen kann.

I. Der Stand der internationalen Verhandlungen

Zunächst ein wenig Hintergrund zum Stand der internationalen Verhandlungen. 1992 hat die internationale Staatengemeinschaft (unter der Führung der USA und Europas) die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen angenommen, die zwar bestätigt, dass die globale Erwärmung ein schwerwiegendes Problem ist, aber nicht viel dazu sagt, wie diese zu stoppen sei. Bei einer weiteren Klimakonferenz in Kyoto im Jahr 1997 setzten sich die wohlhabenden Nationen Emissionsobergrenzen für den Zeitraum von 2008 bis 2012; die Konferenz in Kopenhagen im Dezember letzten Jahres, auch "COP 15" genannt, war die mittlerweile 15. Nachfolgekonferenz im Rahmen der UN Klimakonvention.

Wie Sie sicherlich wissen, umfasste das Kyoto Protokoll nur Industrienationen, so wie Österreich und die USA, die zusammen aber weniger als die Hälfte der Emissionen weltweit verursachen. Innerhalb der nächsten 20 Jahre werden Berechnungen zufolge 97 Prozent des Emissionszuwachses aus Entwicklungs- und Schwellenländern stammen, davon fast die Hälfte aus China allein. Die Vereinigten Staaten sind aber der Ansicht, dass ernstgemeinter "Klimaschutz" alle großen Volkswirtschaften mit einbeziehen muss - mit Programmen, die ihrem industriellen Entwicklungsstand entsprechen, und gleichzeitig echte Maßnahmen mit finanzieller und technologischer Unterstützung fürärmere Länder darstellen. Von diesem Gesichtspunkt aus sollten wir den Fortschritt in Kopenhagen sehen. Die "Übereinkunft von Kopenhagen" ist ein Durchbruch in viererlei Hinsicht:

- Erstens setzt sie konkrete Ziele um die Erderwärmung auf 2 Grad Celsius zu beschränken (was dem Wert entspricht, bei dem nach Meinung der meisten Wissenschaftler die schlimmsten Klimakonsequenzen noch verhindert werden können);

- Zweitens sieht die Übereinkunft vor, dass alle großen Volkswirtschaften, sowohl Industrienationen als auch Schwellenländer, sich zu nationalen Zielen oder Programmen zur Emissionsbegrenzung verpflichten;

- Drittens macht sie diese Ziele glaubwürdiger: Ihre Umsetzung in den Entwicklungsländern wird einer außenstehenden Beobachtung unterliegen (was für Industrienationen schon der Fall ist);

- und viertens beinhaltet sie bahnbrechende finanzielle Vorgaben - Geld für arme Länder - mit "Schnellstart" Finanzierungen von bis zu 30 Milliarden Dollar zwischen 2010 und 2012, und dem Ziel, bis 2020 jedes Jahr 100 Milliarden Dollar zu mobilisieren.

Seit Dezember haben 102 Staaten der Übereinkunft von Kopenhagen ihre Unterstützung ausgesprochen, wobei sich die wichtigsten Volkswirtschaften nationale Ziele gesetzt haben. Die Übereinkunft hat ganz klar auch Auswirkungen auf die Politik. Deshalb ist für mich das "Kopenhagen-Glas" auch mehr als nur halb voll: Es ist ermutigend, dass so viele Länder die Übereinkunft unterstützen und konkrete Ziele setzen - unter ihnen die USA, China, und Österreich (innerhalb der EU). Jetzt müssen wir diesen Schwung beibehalten, damit die angestrebten Ziele auch umgesetzt werden. Doch verstehen Sie mich richtig: Die USA unterstützen weiterhin ein globales Abkommen - ja, wir brauchen sogar ein Abkommen mit legalen Auswirkungen, damit die globalen Kohlenstoffmärkte funktionieren, und das Vertrauen der Menschen, die mit höheren Energiepreisen konfrontiert sind, erhalten bleibt. Die Kopenhagen Übereinkunft ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg. Denken Sie nur an den Kauf eines Hauses oder die Gründung eines Unternehmens: Die Unterzeichnung des Vertrages kommt nicht am Anfang, sondern erst am Schluss eines langwierigen Prozesses in dem die betreffenden Parteien ihre Glaubwürdigkeit demonstrieren und Einigung bei verschiedenen Themen erreichen müssen.

II. Wie stehen die USA zum Klimawandel

Das war also ein kurzer Abriss der internationalen Verhandlungen. Jetzt wollen wir uns einen Augenblick den USA zuwenden: Als größte wirtschaftstreibende Nation der Erde und zweitgrößter Verursacher von Treibhausgasen haben die Vereinigten Staaten bei der Bekämpfung des Klimawandels eine zentrale Rolle zu spielen - ja sogar die Pflicht zu handeln.

Präsident Obama hat in klarer Abkehr von der Haltung seines Vorgängers rasch gehandelt, um den Umgang der Amerikaner mit Energie zu ändern. Angesichts der massiven Abhängigkeit der USA vom Öl hat die derzeitige US Regierung die Treibstoffeffizienzstandards für Autos und Lastwägen ganz dramatisch angehoben. Außerdem wird auch ein weiterer bedeutender Fortschritt im Kongress behandelt: Im Rahmen eines bahnbrechendes Gesetzes, des "Recovery Acts", werden 80 Milliarden Dollar für saubere und effiziente Energieprojekte verwendet, und mit dieser Summe hoffen wir, in nur drei Jahren die Produktionskapazität von Wind-, Solarenergie und anderen erneuerbaren Quellen zu verdoppeln. Übrigens haben sich europäische Firmen den Großteil unserer Aufträge für Windenergie im Ausmaß von über einer Milliarde Dollar gesichert. Das beweist, dass saubere Energie für beide -- die USA und Europa - ein Gewinn ist.

Die US Regierung unterstützt ein ehrgeiziges Programm für Emissionsobergrenzen, vergleichbar mit ähnlichen Bemühungen der Europäischen Union. Im Juni 2009 hat das Repräsentantenhaus dazu ein Gesetz verabschiedet, den "American Clean Energy and Security Act" (auch als Waxman-Markey Bill bekannt). Dieses Gesetz erfordert Emissionsrückgänge von 17 Prozent bis 2020 und von 80 Prozent bis 2050 - ja sogar noch mehr, wenn man zum Beispiel seine Bestimmungen für die Abholzung von Tropenwaldgebieten mit einbezieht.

Die Klimaschutzgesetzgebung hängt nun vom Senat ab. Führende Senatoren, sowohl von Republikanischer als auch Demokratischer Seite beraten, wie Emissionen reduziert werden können, ohne dabei unser Land wirtschaftlich weiter zu belasten, das seit 2007 netto sechs Millionen Arbeitsplätze verloren hat. Zum Teil reflektiert die zögernde Haltung des Senats auch das Unbehagen der Wähler: Die Amerikaner wissen, dass die Erderwärmung eine Bedrohung ist, doch viele von ihnen machen sich viel mehr Sorgen über Dinge, die sie unmittelbar im Alltag betreffen - ihre Arbeit, Hypotheken, Krankenversicherung - als über die eher fern erscheinende Aussicht auf Klimaerwärmung.

In der derzeitigen wirtschaftlichen Situation ist es schwierig, politisch die Forderung zu verkaufen, dass Europa und die USA ihre Emissionen dramatisch zurückschrauben, während gleichzeitig Arbeitsplätze in Schwellenländer ohne Emissionszertifikate abwandern, wo jeder einzelne Fabrikschlot ungleich mehr Emissionen verursacht. Sowohl die Wähler als auch ihre poltischen Vertreter werden sich fragen "warum sollten wir den Schwellenländern einen Energiekostenvorteil gewähren, zusätzlich zu den Vorteilen, die sie schon wegen niedriger Arbeitskosten und weniger strenger Verordnungen genießen?" Ich sage dies nicht, weil ich der Ansicht bin, dass Klimaschutz und Energie bloß eine Frage von Arbeitsplätzen sind -- schließlich ist Nachhaltigkeit ein Gebot der Moral. Doch leben wir in demokratischen Systemen, und einem demokratischen Prozess liegt Weisheit und Legitimität zugrunde, auch wenn er dafür schwerfällig ist.

Als US Botschafter spreche ich für die Vereinigten Staaten, doch könnten wir auch die Klimapolitik in anderen demokratischen Ländern unter die Lupe nehmen: Indien, Brasilien, Indonesien, ja sogarÖsterreich und andere Teile Europas. Und in keinem dieser Länder ist es einfach für die Politiker für zukünftige Generationen "das Richtige zu tun." Leider würde unser Scheitern die globale Erwärmung zu stoppen nicht die reichsten Länder am härtesten treffen - und auch nicht die Oberschicht in den Entwicklungsländern. Im Gegenteil, die unmittelbarsten und schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels treffen die Ärmsten der Welt: am Existenzminimum lebende Bauern in den Tropen und andere, die mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen müssen. Dies ist Teil der moralischen Verpflichtung bei der Bekämpfung des Klimawandels, die ich schon angesprochen habe, und sie ist ein Grund dafür, warum Amerika sich in dieser Sache engagiert.

III. Wie Unternehmen und Konsumenten etwas bewegen können

Bis jetzt habe ich mich auf die Politik und ihre Themen konzentriert, auf die internationale Situation und die US Innenpolitik. Doch der Klimawandel und die Herausforderungen im Energiebereich sind viel weitreichender, was mich zu meinem dritten Thema bringt: Was kann jeder von uns schon jetzt für die Umwelt tun, während sich die politischen Prozesse nur langsam vorwärts bewegen?

Als Studenten können Sie natürlich etwas bewirken, mit der Wahl ihres Berufes und der Fähigkeiten, die Sie erwerben. Ich bin seit dreißig Jahren Unternehmer, und ich weiß, dass jedes lohnenswerte Unterfangen von engagierten, talentierten Menschen abhängt. Fragen Sie sich selbst: Was braucht die Welt, um sich im Jahr 2020, 2030 oder 2040 zu erhalten - und eignen Sie sich jetzt die Fähigkeiten an, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Die USA wurden zum Teil deshalb zur weltgrößten Wirtschaftsmacht, weil sie auch die besten Universitätsabsolventen hatten. Heute ist eine erstklassige Ausbildung in vielen Ländern auf der Welt erhältlich. Und die WU Wien wurde ja kürzlich in einem Ranking österreichischer Universitäten des Magazins Format an erster Stelle gereiht. Meinen Glückwunsch!

In den Vereinigten Staaten sind in den letzten Jahrzehnten gewaltige Fortschritte in den Bereichen umweltfreundliche Technologie, Recycling und Energieeinsparung gemacht worden; schon davor waren wir führend bei der Erhaltung von Tier- und Pflanzenarten. Viele dieser stillen Revolutionen nahmen ihren Ausgang an Universitäten und kommerziellen Forschungseinrichtungen. Andere entstanden in "sozialen Laboratorien" - Gemeindeorganisationen und Interessensverbänden auf lokaler und bundestaatlicher Ebene. Hierübernahmen engagierte Bürger die Initiative, und tun dies bis heute. In dieser Hinsicht hinkt die Regierung der Vereinigten Staaten etwas hinter ihren Bürgern und Gemeinden her, die schon lange für Umweltbewusstsein eintreten und die wirkungsvollsten Programme untereinander austauschen. Als Wirtschaftsnation haben die USA noch mehr zu tun, doch sollten Sie wissen, dass in den Vereinigten Staaten ein tiefgreifender kultureller Wandel stattgefunden hat, der sich unter der jetzigen Regierung noch beschleunigt. Als jemand mit Hintergrundwissen im Bereich Risikokapital freut es mich zu sehen, dass US Risikokapitalunternehmen Milliarden in Energieeffizienz, saubere Energie und Elektroautos investieren. Wenn Sie diese Universität nach Ihrem Abschluss verlassen, sehen Sie diese aufstrebenden Unternehmensbereiche möglicherweise als eine Karrieremöglichkeit.

Schließlich können wir alle einen positiven Beitrag dadurch leisten, wie wir leben. Überlegen Sie einmal: Um die Erderwärmung auf zwei Grad zu beschränken, müssen wir die Emissionen weltweit in vierzig Jahren um die Hälfte reduzieren, wobei Entwicklung in den armen Ländern bedeutet, dass Staaten wie Österreich und die USA ihre Emissionen um 80 Prozent verringern müssen. Prosperieren mit nur einem Fünftel des heutigen Ressourcen-Fußabdrucks wird tatsächlich eine Art Revolution erfordern - und darauf können wir uns schon heute mit Entscheidungen in unserem täglichen Leben vorbereiten. Denken Sie nur an eine andere erfolgreiche Revolution in Amerikas jüngster Vergangenheit: die US Bürgerrechtsbewegung, in der Frauen und Nicht-Weiße gleiche Rechte erwarben. Unsere Bundesregierung war dabei ein Katalysator, doch im Endeffekt waren es einzelne mutige Menschen, die Gleichheit ganz oben auf die Tagesordnung setzten, und Millionen gewöhnlicher Bürger, für die Gleichbehandlung ganz selbstverständlich wurde - eine Gewohnheit und soziale Erwartung, nicht nur eine rechtliche Verpflichtung.

ZUSAMMENFASSUNG

Zum Abschluss hoffe ich, dass Europa und die Vereinigten Staaten auf dem Weg zu einem globalen Abkommen zusammenarbeiten können - denn ganz offen gesagt sind unsere Interessen in dieser Sache eng miteinander verknüpft. Die Herausforderung durch den Klimawandel und die Energiefrage ist gemeinsam schon schwer genug zu bewältigen; würden die USA und Europa also gegeneinander arbeiten, wäre ein verpflichtendes globales Abkommen völlig ausgeschlossen.

Auf lange Sicht muss sich die Welt in Richtung integrierte Preise für Emissionsrechte bewegen - entweder mit einem Zertifikatstauschsystem oder im Rahmen von weitverbreiteten Emissionssteuern, die wirksam dort einen Preis auf Treibhausgase festsetzen, wo diese auch produziert werden. Die Unterschiede zwischen den Schwellenländern und Industriestaaten sind bedeutungslos angesichts der so dramatischen Bedrohungen unserer Lebensweise.

Die Klima- und Energieproblematik ist die schwerste Bewährungsprobe unserer Zeit. Ich hoffe und wünsche mir, dass die Menschheit dieser Herausforderung gerecht wird. Vielen Dank."

Quelle: US Embassy Vienna


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /