© Peter Korrak
© Peter Korrak

Kann Kernfusion zu einer zukunftsfähigen Energiequelle werden?

EU-Unterausschuss diskutiert das Projekt ITER

Wien – Brisantes Thema desgestrigen EU-Unterausschusses war das internationale Projekt "ITER", mit dem Ziel, durch die Nutzung der Kernfusion die Energieversorgung zu revolutionieren und für die Zukunft sicherzustellen. Der Versuchs-Fusionsreaktor ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) wird im südfranzösischen Cadarache gebaut. Dort sollen Wasserstoffkerne zu Helium fusioniert werden, indem man den Wasserstoff auf bis zu 200 Millionen Grad aufheizt, damit die Kerne verschmelzen können. In der Mitteilung der EU-Kommission heißt es dazu, mit der erfolgreichen Verwirklichung des Projekts ließe sich ermitteln, ob die Fusion zu einer wichtigen zukunftsfähigen Energiequelle werden kann. Die Kernfusion biete die Aussicht auf eine schier unerschöpfliche Quelle für sichere und saubere Energie ohne CO2-Ausstoß.


ITER wird auf der Grundlage eines internationalen Übereinkommens vom November 2006 (in Kraft seit Oktober 2007) zwischen der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) und China, Indien, Japan, Korea, Russland sowie den USA ausgeführt. Zuständig für die gemeinsame Durchführung ist die ITER-Organisation (IO), die über uneingeschränkte Rechtspersönlichkeit verfügt. Das Übereinkommen hat zunächst eine Laufzeit von 35 Jahren. Der EURATOM-Beitrag wird von dem im März 2007 gegründeten gemeinsamen europäischen Unternehmen "Fusion for Energy" (F4E) verwaltet, das seinen Sitz in Barcelona hat und in dem EURATOM, die 27 Mitgliedstaaten sowie die Schweiz vertreten sind.


Die Kosten des gemeinsamen Unternehmens F4E bis 2020 liegen nach derzeitigen Schätzungen bei 7,2 Mrd. €, davon entfallen auf EURATOM 5,9 Mrd. € und auf Frankreich 1,3 Mrd. €. Damit übersteigen sie deutlich die ursprünglichen Annahmen, sodass sich EURATOM mit einer Finanzlücke von 1,4 Mrd. € konfrontiert sieht.


Laut einem Entwurf der ITER-Task Force für Schlussfolgerungen des Rats der EU soll die Kommission dafür sorgen, dass die Tätigkeiten von F4E auf allen Ebenen mit der Politik der strikten Haushaltskontrolle sowie der Kostenreduzierung in Einklang stehen. Darüber hinaus will man im Hinblick auf den europäischen Beitrag eine Obergrenze von 6,6 Mrd. € festlegen.


Der zuständige Abteilungsleiter des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, Daniel Weselka, sprach von einem großen internationalen Experiment, um die Frage zu klären, ob man Kernfusion als Energiequelle auf der Erde nutzen kann. Die Komponenten für ITER müssten extra gebaut, manche sogar noch erfunden werden, bemerkte er. Durch die Zusammenarbeit so vieler Länder sei es immer wieder zu Abstimmungsproblemen gekommen, erläuterte Weselka, es habe Fehler gegeben und man habe auch die auftretenden Schwierigkeiten unterschätzt. Es sei daher eine enorme Kostensteigerung eingetreten, die nun einen zusätzlichen Bedarf von 1,4 Mrd. Euro allein für die Jahre 2012 und 2013 ergeben. Der Europäische Rechnungshof habe die Situation genau geprüft, und nun gebe es eine überarbeitete Kostenschätzung, die tragfähig sein dürfte. Auch im Management seien Konsequenzen gezogen worden, berichtete Weselka.


Österreich habe immer abgelehnt, zusätzliches Geld für ITER flüssig zu machen. Die von der EU-Kommission zum Zweck der Finanzierungssicherung eingesetzte "ITER-Task Force" habe nun Entwürfe für die Schlussfolgerung des Rats vorgelegt, wonach die 1,4 Mrd. Euro durch interne Umschichtungen aufzubringen sind und auch dem Management Auflagen auferlegt werden. Sollte der Rat dem folgen, dann könne die Kommission Ende Juli damit beginnen zu prüfen, wie man die Finanzlücke durch Umschichtungen schließen könne.


Den kritischen Stimmen hielt Weselka entgegen, dass man die Ausstiegskosten auf rund 4,5 Mrd. Euro schätze. Wenn man ITER begrabe, dann fließe das ganze Geld in die Kernspaltungsenergie.


Der Experte unterstrich, dass die CO2-Problematik mit der Kernfusion nicht bewältigt werden könne, da dies ein langfristig ausgelegtes Projekt darstelle. Auch für Österreich mit seinem großen Reichtum an erneuerbaren Energiequellen werde die Technologie der Kernfusion, sollte sie gelingen, keine große Bedeutung haben.


Widerstand gegen das Projekt kam von den Grünen. Angesichts der Tatsache, dass der frühest genannte Zeitpunkt für die Einsetzbarkeit der Kernfusion das Jahr 2050 ist, nütze das Projekt nicht, um rechtzeitig die Klimaschutzziele zu erreichen, argumentierte Abgeordnete Christiane Brunner (G). Man müsste daher die Gelder in die Entwicklung erneuerbarer Energien investieren, die absehbar den Hauptanteil der Energieversorgung übernehmen können.

Auch Abgeordneter Johannes Hübner (F) meinte, dass vor diesem Zeithorizont die Fortsetzung des Projekts nicht vertretbar ist.

Der Antrag der Grünen, das ITER-Abkommen zu kündigen, wurde von SPÖ, ÖVP und BZÖ abgelehnt und fand daher nicht die erforderliche Mehrheit.


Dem gegenüber meinte Abgeordneter Ewald Stadler (B), der Kernfusion gehöre die Zukunft. Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager (V) machte darauf aufmerksam, dass man die Kernfusion strikt von der Kernspaltung trennen müsse und das Interesse an den Fortschritten der Kernfusion groß sei. Sie machte auch geltend, dass die am Projekt beteiligten Staaten die Hälfte der Weltbevölkerung repräsentieren und verteidigte die Beteiligung der EU an dem Projekt. Man werde kein zusätzliches Geld flüssig machen, außerdem habe es aufgrund des Rechnungshofberichts Änderungen im Management gegeben. Ähnlich äußerte sich Abgeordneter Josef Muchitsch (S).

Quelle: Parlamentskorrespondenz


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /