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Welt-Atombilanz 2010: Erneut kein Wiederaufstieg der Atomkraft

China setzt stark auf Windkraft - und leider auf Atomkraft

Nach den Statistiken der IAEA (International Atomic Energy Agency) wurden im Jahr 2010 weltweit fünf Atomkraftwerke (AKW) mit zusammen 3.700 Megawatt (MW) in Betrieb genommen und vierzehn AKW-Bauten begonnen; acht davon in China. Damit sind 441 Kern-kraftwerke in Betrieb und 65 in Bau. Allerdings wurden 12 dieser AKW-Bauten schon vor 1990 begonnen. Es sind eher Bauruinen als Baustellen.

Im Jahr 2010 war auf unserer Erde nur ein AKW mehr in Betrieb als vor elf Jahren. Trotz jahrelanger Beschwörung eines Wiederaufstiegs der Atomkraft steigen die Zahlen nicht. Vor zwei und drei Jahrzehnten wurden in vielen Jahren mehr als 30 AKW-Bauten begonnen und mehr als 30 AKW starteten den Betrieb.

Besorgniserregend ist China

Im menschenreichsten Land der Erde wurden im vergangenen Jahr acht neue AKW-Bauten begonnen und zwei neue AKW in Betrieb genommen. China hat allerdings 2010 nur so viel Atomstrom erzeugt wie zum Vergleich Baden-Württemberg und Bayern zusammen. Knapp 1,8 Prozent seines Stromverbrauchs deckt China aus Atomkraft.

Das energiehungrige China setzt viel stärker auf Windkraft und zunehmend auch Photovoltaik. Legt man die China-Jahreszahlen des GWEC (Global Wind Energy Council) neben die der Atomorganisation IAEA, sieht man Erstaunliches: Im Jahr 2000 wurden 0 MW Atomkapazität und nur 50 MW Windkraft geschaffen. Im Jahr 2005 lag der AKW-Zuwachs ebenfalls bei 0 aber der Windkraftzuwachs schon bei 500 MW. Im Jahr 2009 verzeichnete die Atomkraft wieder Nullwachstum – die Windkraft wuchs aber schon um sagenhafte 13.800 MW. Im Jahr 2010 wurden in China zwei neue AKW mit zusammen 1.600 MW in Betrieb genommen. Zur Windkraft liegen nur Prognosen vor, die von einem Zubau von über 15.000 MW ausgehen.
In China geht jede Stunde ein neues großes Windkraftwerk ans Netz!


Die jetzt 26 chinesischen AKW-Baustellen werden allerdings – wenn nicht vorher der befürchtete Großunfall geschieht – in den kommenden Jahren die Atomkraft in China anschwellen lassen, wie es in den 1970er Jahren auch in Frankreich und den USA der Fall war. Deutschland erzeugt heute 23 Prozent seines Stroms atomar, die USA 20 Prozent, Frankreich 75 Prozent und China eben 1,8 Prozent.

Deutschland: 100 Milliarden EE-Marke überschritten

Auch im Jahr 2010 ist Deutschland auf einem guten Weg geblieben, um das Ziel ‘47 % EE-Strom im Jahr 2020’ zu erreichen. Im Jahr 2009 hatten wir 93 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom aus Erneuerbaren Energien (EE) erzeugt und hatten netto 512 Milliarden kWh verbraucht. Das ergab eine EE-Quote von 18 Prozent. Im Jahr 2010 werden mehr als 100 Milliarden kWh EE-Strom erzeugt werden. Da infolge des starken Wirtschaftswachstums wie auch der vielen Kältetage und wegen der nur viertelherzigen Bemühungen um die Verbesserung der Energieeffizienz der Stromverbrauch deutlich gestiegen sein dürfte (erste Zahlen sollen Ende Januar herauskommen), weden trotz Rekordzahlen beim Ausbau der Photovoltaik aber nur knapp 20 Prozent EE-Quote gesschafft werden. Das ist dennoch ein vor ein paar Jahren nur von wenigen für möglich gehaltener Fortschritt!

Wenn Deutschland weiterhin Jahr für Jahr seine Erzeugung von EE-Strom um rund 10 Milliarden Kilowattstunden steigert, und endlich ernsthaft die Energieeffizienz verbessern, kann es das "große" Ziel erreichen:
47 % EE-Strom im Jahr 2020 – und ab 2030 oder 2040 Vollversorgung mit umweltfreundlichem EE-Strom.


Frankreich gibt Anlass zu großer Sorge

Die Atomnation Frankreich hat im Jahr 2009, wie der jetzt bekannt gewordene Bericht LE BILAN ÉLECTRIQUE FRANÇAIS 2009 des französischen Stromnetzbetreibers zeigt, erheblich mehr Strom von der EE-Nation Deutschland gekauft als an Deutschland verkauft. Diese sehr bemerkenswerte Tatsache wird meistens durch die Zahlen der Stromlieferungen verdeckt. Deutschland bekommt als Transitland viel Strom aus Frankreich geliefert, der dann über Österreich oder die Schweiz weiter nach Italien geleitet wird. Aber bilateral betrachtet hat Deutschland im Jahr 2009 schon 19 Milliarden kWh Strom an Frankreich verkauft und nur 7 Milliarden kWh von Frankreich gekauft.

Da Frankreich seinen blinden Atomkurs weiter verfolgt, immer mehr Häuser mit Strom beheizt und seine 58 AKW alt und zunehmend störanfälliger werden, und Deutschland zugleich immer mehr Solar- und Windstrom erzeugt, dürfte im Jahr 2010 der Stromexportüberschuss nach Frankreich wenigstens wieder so hoch sein wie im Jahr 2009.

Fakten, die zum Teil erst ermittelt und veröffentlicht werden müssen

Die Verletzungen und Tötungen durch Autounfälle geschehen vor unseren Augen. Die Verletzungen und Tötungen durch den Uranabbau, die radioaktiven Emissionen via AKW-Kamin und AKW-Abflussrohr und den Atommüll werden häufig erst nach vielen Jahren spürbar, und sind nicht augenfällig den Verur-sachern zurechenbar. Fast vollständig wird bei uns in den Industrieländern ausgeblendet, wie viele Tausende Menschen Jahr für Jahr in den entlegenen Uranabbaugebieten elendig durch die Radioaktivität des Uranstaubs zu Grunde gehen.


Statistisch nicht veröffentlicht aber abschätzbar sind die Atommüllfolgen. 441 in Betrieb befindliche Atomkraftwerke werden im Jahr 2010 rund 11 Millionen Kilogramm hochradioaktiven Müll erzeugt haben, der zum Abklingen wenigs-tens eine Million Jahre sicher eingeschlossen werden muss. Weltweit gibt es hierfür, fünf Jahrzehnte nach Beginn der Uranspaltung in Atomkraftwerken, kein Endlager. Weniger Radioaktivität aber mehr Kilogramm macht auch im Jahr 2010 der infolge der Uranspaltung entstehende schwach- und mittelradioaktive Müll aus. Dessen notwendige langzeitige Isolation ist ebenfalls nicht gelöst, wie im Jahr 2010 die Nachrichten aus dem Versuchsendlager Asse in Deutschland, der Skandalanlage Tricastin in Frankreich und aus dem Dauerka-tastrophengebiet Tscheljabinsk in Russland ahnen liessen.

Fazit 2010

Weltweit stagniert die Zahl der AKW. Die jetzt in Bau befindlichen Reaktoren werden in den kommenden zwei Jahrzehnten zahlenmäßig nur die aus Altersgründen abgeschalteten AKW ersetzen können. Die älter werdenden AKW lassen immer mehr Störungen und auch Katastrophen befürchten. Deutschland steigert vorbildlich den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Dieser Weg wäre gefährdet, wenn die Bundesregierung zur Sicherung des Stromabsatzes der Atomkraftwerke den Zubau der Photovoltaik rigoros beschnitte und weiter der Windkraftausbau in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen behindert würde.

GastautorIn: Raimund Kamm für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /