Wer bezahlt die Umwelt-Zeche?

Chef-Ökonomen der TEEB-Studie rechnen neu: bisher unkalkulierte Leistungen der Natur und Kosten der Umweltzerstörung müssen künftig in Wirtschaftlichkeitsberechnungen und BIP eingehen

Am 17. 2. 2011 lud Robert Zeiner, Austrian Development Agency, zum DialogEntwicklung: "Was kostet die (Um)Welt?’, der im Rahmen des 16. Treffens des "Poverty and Environment Partnership" in der Diplomatischen Akademie in Wien statt fand.

TEEB

Die Keyspeaker waren:
- Joshua Bischop, Chefökonom bei IUCN (International Union for Conservation of Nature) und TEEB (The Economics of Ecosystens and Biodervisity)
- Haripriya Gundimeda, regionale TEEB-Koordinatorin und Professorin am Indischen Institut für Technologie in Bombay (IITB)

Die TEEB Studie wird unterstützt von UNEP (United Nations Development Programme) mit finanziellen Beiträgen der European Commission, Deutschland, United Kingdom, Niederlande, Norwegen, Schweden und Japan. Regelmäßige Reports und Publikationen werden an WissenschafterInnen, internationale PolitikerInnen, lokale Autoritäten und Wirtschaftsgremien versandt.

‘Mangelnder Umweltschutz verursacht nicht nur wirtschaftliche Verluste für Unternehmen und Industriestaaten, sondern auch die fortschreitende Verarmung der Bevölkerung in Entwicklungsländern.’ eröffnete Robert Zeiner die Session über die Ökonomie der Ökosysteme und der Biodiversität. Den beiden ExpertInnen ging es darum darzulegen, wie mittels ökonomischer Neu-Berechnungen - die auch die Kosten der Umweltzerstörung, den Verlust der Biodiversität bzw. den Erlös der Leistungen von intakten Ökosystemen beinhalten - vermehrt nationale PolitikerInnen aktiv von grüner, menschen- und umweltfreundlicher Wirtschaft als Gewinn für ihr Budget überzeugt werden können.

Web of life

Besonders in den Entwicklungsländern hat die Umweltzerstörung verheerende Konsequenzen. Die meist ländliche Bevölkerung trifft es besonders hart, wenn Naturraum unbrauchbar geworden ist, da er bisher ihre Nahrungsgrundlage gebildet hat.
‘Wie können wir da etwas von Grund auf ändern?’ fragt sich Bishop. Per Konventionen wird die Biodiversität ja schon als das lebensnotwendige ‘web of life’ anerkannt. Guten Nachrichten von immer mehr geschützten und nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und steigenden finanziellen Unterstützungen stehen aber leider immer noch schlechte Nachrichten von ausgebeuteten Fischbeständen, aussterbenden Arten und das schädliche Einwandern von ‘alien species’ in Ökosysteme gegenüber. Die gezeigten Fakten der Umweltzerstörung waren wie üblich nicht erfreulich. Interessant aber war der kontinuierliche Ansatz, wirtschaftlich darzulegen was uns das alles eigentlich kostet. In echtem Geld. Mit welchen Leistungen uns das Ökosystem eigentlich gratis ernährt, landwirtschaftlich unterstützt, kleidet, wärmt, uns Krankheiten vom Hals hält, uns mit klarem Wasser versorgt, unsere Länder (noch) klimatisiert und uns kulturellen und sozialen Boden gibt. Die jährlichen Leistungen allein der Insekten bei der Bestäubung z.B. werden auf 153 Mrd. Euro geschätzt. Wie erschreckend, dass 60% solcher Öko(Dienst)Leistungen im Abnehmen sind. Die jährlichen Kosten für die Umwelt(zerstörung) durch wirtschaftliche Aktivitäten werden auf 6.6 Billionen US-Dollar geschätzt. Der klassische Weg ist: mehr Naturschutz. Bis 2020 sollen mindestens 17% der terrestrischen- und 10% der Meeres- und Küstengebiete geschützt werden. Die Herausforderung dabei wird sein, der hauptbetroffenen Landbevölkerung in den Entwicklungsländern, die bisher von diesen Ökosystemen wirtschaftlich gelebt hat, die Verluste an Weideland, Ressourcen, Schäden durch Wildtiere, etc. abzugelten. Es entstehen immer mehr Ziele in diese Richtung: Mit mehr finanziellen Förderungen für intakte Ökosysteme der Entwicklungsländer und dem beschränken bzw. zertifizieren der Märkte für Fisch, Holz und Feldfrüchte sowie dem Erschaffen von sog. kreativen Märkten für Karbonhandel, Wasseraufbereitung, Naturraumerrichtung und der Bewahrung der genetischen Ressourcen.

Wirtschaft muss lernen mehrdimensional zu rechnen

Haripriya Gundimeda erläuterte dann noch genauer, wie der bisherige Mangel an angemessenen Berechnungen der Wirtschaft die Armen der Welt ‘beeinträchtigt’. Die traditionelle Berechnung z.B. des Bruttoinladsproduktes (BIP) schließt Umweltzerstörung, Leistungen der Natur und Gewinne durch Biodiversität schlichtweg aus. Dadurch sind diese Posten im Budget bisher für Politik und Wirtschaft bisher gar nicht vorhanden gewesen. Haarsträubend ist die anschauliche Liste, die Gundimeda anführt, über Posten die ins BIP einfließen und welche nicht. Vermehrte Aufwendungen für medizinische Leistungen wegen Lungenerkrankungen erhöhen das BIP – die Reduktion von Luftverschmutzung dagegen ist wirtschaftlich nicht verwertbar. Reperaturmaßnahmen nach einem Tsunami kurbeln die Wirtschaft an – die Tsunamifolgen, wie der Verlust von Leben und Lebensgrundlagen, werden nicht berechnet. ‘Can we navigate a complex, 3-D economic space… with a simple economic compass?’ fragt sich Gundimeda und meint damit eine neue, umweltbewusste 3D-Perspektive auf einen sich daraus ergebenden ’neuen Wirtschaftsraum” der aus x – Achse financial & physical capital, y – Achse natural capital und z – Achse human and social capital besteht. Nachhaltiges Wirtschaften eben.
Einige ihrer Vorschläge als Gebot der Stunde sind:
* natürliche Aktivposten statt wirtschaftlicher Aktivposten
* grüne Strukturen zur Infrastruktur errichten
* Ausbildung von Naturkapital statt reinem Finanzkapital
* Grüne Defizite gleichermaßen wie Handelsdefizite bemerken
* ÖkoIP statt BIP
* Die Natur als Teil der ökonomischen Berechnungen anerkennen

Take Nature into account!

Offensichtlich ist es wichtig, dass PolitikerInnen, Industrielle, InvestorInnen, Opinion Leader, etc. von ChefökonomInnen kontinuierlich vorgerechnet bekommen, was uns Umweltzerstörung und Blindheit gegen die Werte der Natur eigentlich kostet, und dass wir durch ‘kurzsichtige, wirtschaftliche Aktivitäten’ weltweit Verluste in Billionen von US-Dollars jährlich einfahren – ganz ohne Finanzkrise und locker nebenbei.
‘Wir von TEEB haben noch viel Arbeit vor uns, wenn wir die Regierungen und Wirtschaftstreibenden der ganzen Welt erreichen wollen und Kapazitäten innerhalb der Systeme aufbauen wollen, um den Weg des wirtschaftlichen Zugangs zur Biodiversität einzuschlagen.’ Sagt Bishop über die spannenden Aufgaben von TEEB.

Links:

TEEB-Clips: http://www.youtube.com/watch?v=oJuiGPCKbAg
http://www.facebook.com/TEEB4me
http://www.teebweb.org/
http://www.entwicklung.at/
www.unep.org
www.iucnredlist.org
http://www.hss.iitb.ac.in/Haripriya/
http://bankofnaturalcapital.com/


Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /