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Bio-Schmäh - gute Message - schlechter Titel

Ein neues Buch mischt gehörig die Bio-Szene auf

In "Der große Bio-Schmäh" geht es darum, unter welchen Bedingungen Großkonzerne wie Spar, Billa, Hofer oder Lidl diese Mengen an Bio-Lebensmittel in die Regale bringen. Die Giganten mit ihren Bio-Eigenmarken haben BIO erschwinglich gemacht und so in fast alle Haushalte gebracht ist gut. Dass sie mit den Bio-Pionieren nicht viel gemeinsam haben und den "Bio-Gedanken" nicht im gewünschten Ausmaß umsetzen können ist schade, aber nur weil Biobrot nicht aus Omas Ofen kommt sondern aus der Großbäckerei ist es noch lange kein (Bio)Schmäh!
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Gute Message - Schlechter Titel

Der vom Autor Clemens G. Arvay gewählte Titel "Der große Bio Schmäh" ist leider äußerst kontraproduktiv. Kleingeistige Bio-Kritiker reiben sich die Hände. Sie haben ja schon immer gewusst, dass BIO nur ein Verkaufsschmäh ist...
Es wird aber nicht die BIO-Idee an sich kritisiert, sondern die Vereinnahmung durch die Großkonzerne. BIO ist und bleibt BIO. Es geht um die Industrialisierung des ökologischen Landbaus und dass die immer sehr idyllisch gestaltete Werbung von vielen als Täuschung der Konsumenten gewertet wird.

Kommentare zum Bio-Schmäh aus der grünen Szene

Nachdem das Buch so kontrovers diskutiert wird, habe ich ein paar Persönlichkeiten aus der Bio- bzw. Ökoszene zu dem neuen Buch befragt. Sie alle kommen aus verschiedenen Bereichen und es ist interessant, sich mit den verschiedenen Sichtweisen auseinander zu setzen.

oekonews-Redakteur Michael "Solar" Sigmund (Umweltgemeinderat Pressbaum) kommentiert den "Bio-Schmäh" aus Sicht des Energieexperten

Ja, natürlich wird Supermarkt Bio-Brot in Massenbäckereien gebacken! Und das ist auch gut so! Stellen wir uns einmal vor, fast alle Bäuerinnen und Bauern würden in idyllischen Mini-Backstuben jeweils Mini-Mengen an Brot und Gebäck backen.
Wenn wir damit Milliarden von Menschen ernähren wollten, müsste es extrem viele Mini-Backstuben geben. Und die wären alle EXTREM ineffizient! Auch was den Einsatz von Energieträgern betrifft! Der Energieverbrauch pro kg Brot wäre extrem hoch! Für eine halbwegs nachhaltige Lebensmittelproduktion zur Versorgung von 7 Mrd. Menschen sind EFFIZIENTE Massenbetriebe nötig. Aber OHNE verschwenderischem Einsatz von Stickstoffdünger, wie es in der herkömmlichen Intensivlandwirtschaft passiert. Und OHNE massigem Einsatz von Pestiziden, welche langfristig Mensch und Umwelt vergiften. Die nachhaltige Versorgung von so vielen Menschen kann NUR funktionieren, wenn
1. in den Ernährungsplänen VIEL VEGANES vorkommt (Obst, Gemüse, Tofu, Tempeh, Seitan, etc). Das heißt aber NICHT, dass alle reine VeganerInnen, oder VegetarierInnen werden müsste. Nein, nur der VEGANE ANTEIL an der gesamten Ernährung sollte möglichst hoch sein.
2. der Anbau der veganen Lebensmittel hauptsächlich nach europäischen BIO-RICHTLINIEN erfolgt. D.h. KEINE Überdüngung, KEINE Vergiftung der Menschen und der Böden, etc.
3. die Produktion der Lebensmittel hauptsächlich in EFFIZIENTEN Massenbetrieben erfolgt! Das einzige, wo es sicher noch Verbesserungsbedarf gibt ist bei den TIERSCHUTZ-RICHTLINIEN.

Diesem Statement von "Solar-Michi" Sigmund kann sich oekonews voll und ganz anschließen.

Ludwig Gruber (GF der Bio-Hotels) prangert Gewinndenken der Großkonzerne an

Niemand bestreitet den Mehrwert von Bioprodukten und niemand bestreitet die ehrgeizigen Vorgaben zB von Zurück zum Ursprung. Danke dafür - diese Produkte sind um Klassen besser als die besten konventionellen Produkte. Was aber zur Diskussion steht, sind die Folgen der Vorgaben der Großkonzerne an die Bio-Bauern.
Rewe & Co stellen Produkte nur unter bestimmten Bedingungen, die der Erzeuger erfüllen muss ins Regal. Schön, dass CO2 reduziert wird, und schön, dass Bioprodukte so günstig sind und schön, dass sie schon das ganze Jahr über verfügbar sind. Aber die Rahmenbedingungen haben keinen Stein auf dem anderen gelassen. Nur die intensivsten Biobetriebe kommen da mit. Wer sich nicht den Bedingungen fügt oder zu diesen Bedingungen/Preisen nicht liefern kann, fliegt raus. Das fatale in Österreich ist, dass es nur drei große Biomarken gibt und daher viele Bioprodukte gar nie zum Verbraucher vordringen, weil sie aus irgend einem Grund bei genau diesen drei Schnittstellen nicht durchkommen.
Das ist der wesentliche Inhalt meines Vorwurfes und der lässt sich nicht widerlegen, solange die Einkaufspolitik der Großkonzerne ausschließlich Gewinnmaximierung zur Vorgabe haben. Ein wesentlicher Teil der heilen Welt aus den Ursprüngen der Biobewegung ist verloren gegangen, weil die Struktur des Handels die bestimmendste ist in der gesamten Wertschöpfungskette vom Vorlieferanten des Bauern bis zum Konsument. Da hilft auch kein Herumdrücken und Schönreden.

Oliver Rückemann (Autor von Ökolution 4.0) nimmt Konsumenten in die Pflicht

Das Buch beleuchtet Dinge im Detail, die wichtig sind, aber jedem klar sein können. Dass Bio Artikel großer Lebensmittelketten nicht hochwertig sein können, liegt im Grunde auf der Hand und erklärt sich nicht zuletzt durch den Preis. Aber vielen Verbrauchern geht es nicht darum, sich mit den Dingen auseinander zu setzen - schon gar nicht mit denen, die sie tagtäglich ihrem Körper zumuten.
Es geht ihnen vor allem darum, sich selbst bescheinigen zu können, dass sie alles erdenkliche tun, obwohl sie faktisch nichts ändern. Dennoch ist das Aufdecken der Missstände und der Bedingungen in den Massentieranlagen und vermeintlichen Bio Äckern ein wichtiger Beitrag. Der Konsument muss endlich Verantwortung übernehmen. Es ist nicht nur die Gier nach Gewinnmaximierung, die dem Problem zu Grunde liegt. Es ist vor allem die Ignoranz des Verbrauchers. Hier wie an so vielen anderen Stellen nutzt er die kognitive Dissonanz, um sich sein Fehlverhalten schön zu reden.

Ekkehard Lughofer (Biohof Adamah) über den "Bio-Schmäh"

Ich kenne das Buch "Der große Bio-Schmäh" nicht, sondern nur den Standard Artikel bzw. die Geschichten auf Biorama.at und auf fm4.at.
Ich bin ein grundsätzlicher Gegner von Schwarz-weiß-denken und wünsche mir eine differenzierte Diksussion über die Entwicklungen im Bio-Landbau, die sicher auch nicht nur in die richtige Richtung gehen.
Dass konventionelle Handelsstrukturen, die 5% ihres Umsatzes mit Bio-Lebensmittel machen, insgesamt von konventionellem Denken und Handeln geprägt sind, auch eine entsprechend Rückwirkung auf die Bio-Betriebe besitzen mit denen sie zusammenarbeiten sehe ich auch so.
Zumindest gib es eine Bio-Verordnung der EU die als Mindeststandard eingehalten werden muß. Allein die Einhaltung dieser Kriterien stellt schon einen wesentlichen ökologischen Mehrwert der Bio-Lebensmittel im vergleich zu konventionell produzuzierten Lebensmitteln dar.
Bio Lebensmittel auch in eine Preisspirale nach unten zu integrieren halte ich für kontraproduktiv. Dies führt letztlich zur Aushölung der Prinzipien und der Idee des ökologischen Landbaues.
Alternative Direktvermarktungssysteme wie unser Bio-Kistl bieten auch fürtkleinstrukturierte ProduzentInnen eine Absatz-Möglichkeit abseits der ausgetretenen Pfade und permanentem Preisdruck. Wir stehen für Bioprodukte mit Biographie von unseren eigenen Feldern und von Partnerbetrieben mit deren Produktion wir uns identifizieren können.
Die undifferenzierte Art und Weise wie die Diskussion vom Autor geführt wird, in dem er vieles über einen Kamm schert, schadet der Entwicklung und Glaubwürdigkeit des biologischen Landbaues wohl eher als diese zu unterstützen. Im günstigsten Fall regt es eine öffentliche Diskussion über die Entwicklung des Bio-Landbaues an und schafft Bewusstsein für Lebensmittelqualität abseits anonymer Supermarkt Massenware.

Auch Michael Hartl (Experiment Selbstversorgung) widmet dem Buch "Der große Bio-Schmäh" zwei Artikel

Artikel über das Buch "Der große Bio-Schmäh" und aufklärende Worte im Interview mit dem Autor Clemens G. Arvay

Der für mich (BioBella) wichtigste Aspekt ist immer noch die Tatsache, dass mein Essen in ursprünglichem Zustand, also ohne Pestizide, Kunstdünger und Antibiotika, auf den Teller kommt. Das ist gesund für Mensch und Umwelt. Dass Tiere nicht leiden müssen sollte Voraussetzung sein. Hier hilft nur Fleischkonsum einzuschränken oder ganz bleiben zu lassen. Die Vorgehensweisen der Handelsketten sollten auf jeden Fall kritisch hinterfragt werden. Wer die Praktiken von Rewe & Co nicht unterstützen möchte, findet in Arvays Buch auch Alternativen und Wege wie man sich z.B. regional organisieren kann. Das Buch werde ich mir auf jeden Fall besorgen...
Ein großes Dankeschön an meine Bio-Schmäh-Rezensenten!
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Linktipp: www.biokontakte.com

GastautorIn: Biobella Stranzl - www.biokontakte.com für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /