© Thommy Weiss / pixelio.de
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Eine atomfreie Zukunft ist unser gemeinsamer Traum

Ein Brief von Japanischen AktivistInnen, die aus Indien deportiert wurden

An unsere Freunde, die für eine atomkraftfreie Zukunft kämpfen

Es gibt eine historische Bewegung in Tamil Nadu gegen das AKW Koodankulam. Weltweit sind Menschen aufgerüttelt und beeindruckt durch den Widerstand und wollen ihre Solidarität ausdrücken.

Wir versuchten, Indien zu besuchen und am 25. September unsere Solidarität zu zeigen. Uns wurde aber das Verlassen des Chennai Flughafens verwehrt. Nach einer einstündigen Befragung stand auf unseren Papieren "Inadmissible person" (unzulässige Person) , was es für uns unmöglich machte, Indien zu betreten. Es ist unverzeihlich für ein Land, das zahllose Atomhändler aus westlichen Ländern einlädt, einfachen BürgerInnen wie uns die Einreise zu verweigern. Wir schreiben diesen Brief, weil wir möchten, dass Ihr über unsere Erfahrungen Bescheid wisst.

Als wir das Flugzeig verließen und uns dem Einreiseschalter näherten, kam ein Angestellter lachend zu uns.
Wir fragten, wo wir Einreisevisa bekommen könnten. Man kontrollierte sofort unsere Reisepässe und brachte uns zum Immigrationoffice. Dort befragten uns fünf Beamte jeweils einzeln. Jeder wurde in einen anderen Raum gebracht und dort wollten drei Personen wissen, ob ich/wir ein Mitglied des "No Nukes Asia Forum Japan" seien. Ich war überrascht, weil sie den konkreten Namen der Organisation erwähnten.

’Sie unterschrieben die internationale Petition zu Koodankulam, nicht wahr? Ihr Name war auf dem Blatt. Das bedeutet, Sie sind "anti-nuclear", meinte ein Beamter. Und alle drei von uns waren Unterzeichner dieser internationalen Petition (Mai 2012). Ein weiterer fragte mich, was wir in Koodankulam tun wollten. Ich war wieder überrascht, weil niemand von uns etwas über Koodankulam erwähnt hatte. Der Mann zeigte mir aber einen ausgedruckten Reiseplan unserer Flugroute, den ich selbst noch nicht gesehen hatte.

’Wir wissen bereits, dass Sie diesen Binnenflug gebucht haben. Also wollen Sie dorthin fliegen. Wer hat Sie alle eingeladen? Wer wird Sie beim Ankunftsgate erwarten? Wer wird Sie am Tuticorinflughafen abholen? Sagen Sie uns deren Namen. Sagen Sie uns deren Telefonnummern. Werden Sie sich den Protesten anschließen?" Sie fragten viele Fragen und überraschenderweise kannten sie schon die Namen aller unserer indischen Freunde. Wir bekamen Angst. Wir fühlten, dass etwas Schlimmes mit Euch passieren würde. Also antworteten wir nicht.

Wir wussten, dass viele Wissenschaftler die Atomkraft unterstützten und dass einige, die von der Atomindustrie bezahlt waren, Indien besuchten und sich dort zu Gunsten der Atomkraft ausgesprochen haben. Diesen war der Besuch Indiens von der Regierung nicht nur erlaubt worden, sondern sie sind zu diesem sogar motiviert worden. Mit Indiens vielgepriesenem Selbstbekenntnis zur Demokratie könnte man meinen, dass ein widersprüchlicher Standpunkt als selbstverständlich und willkommene Kritikmöglichkeit angesehen und dazu aufgerufen würde.
Dann fragten Sie mich weitere Fragen über uns und bezogen sich auf einen Stoß mit Papieren. "Was ist der Beruf von Mr. Watarida? Er ist in der Anti-Atom-Bewegung in Kaminoseki involviert, nicht wahr?” Laut Mr. Watarida waren in diesen Papieren eine Menge von Informationen über unsere Aktivitäten in Japan geschrieben. Sie hatten unsere Aktivitäten schon im Detail studiert.

Sie versuchten, eine Reihe von verschiedenen Fragen zu stellen. Zuerst auf freundliche Weise. Sie erzählten uns, dass wir Indien betreten könnten, wenn wir ihnen Infos über die Bewegung in Koodankulam liefern würden. Dann waren sie irritiert, weil sie uns eigentlich möglichst rasch deportieren wollten. Das Air Asia Flugzeug, das uns nach Chennai gebracht hatte, wollte schon, nachdem wir mehr als eine Stunde im Büro verhört worden waren, in Richtung Kuala Lumpur weiterfliegen. Schließlich sagten sie: "Antworten Sie innerhalb von 5 Minuten, sonst werden Sie deportiert." Wir antworteten ein wenig, aber es schien, dass sie damit nicht zufrieden waren. Dann brachte man uns in den Abflugbereich. Mr. Nakai fragte sie, ob er die Toiletten aufsuchen könne, was ihm verweigert wurde. Wahrscheinlich wollten sie nicht, dass wir jemanden von unseren Indischen FreundInnen anrufen, oder im Gegenteil, sie warteten darauf, dass wir sie anriefen, um so zu den exakten Namen und Telefonnummern von ihnen zu kommen. So konnte ich jedenfalls mein Handy nicht benutzen.

Beim letzen Gate fragte Mr. Watarida noch einen Beamten vom Immigrationsschalter, warum wir abgeschoben würden. Er wantwortete, dass die Indische Regierung angeordnet hätte, uns zum Verlassen das Landes zu bewegen und wenn wir nicht gehorchen würden, würden wir im Gefängnis landen. So brachte man uns ins Air Asia Flugzeug, welches unmittelbar danach abhob. (...)
Wir waren in Frieden nach Indien gekommen und um unser Wissen über die Gefahren der Atomkraft zu erweitern. Als Japaner sollten wir über die Probleme, welche sowohl mit der militärischen Nutzung als auch mit der friedlichen Nutzung der Atomkraft verbunden sind, Bescheid wissen. Es ist uns bewusst, dass die Indische Regierung internationale Treffen der Atomindustrie organisiert hat, wo Menschen, welche Interesse am Verkauf von nuklearem Equippment haben als Staatsgäste eingeladen worden waren. Wir wollen nichts verkaufen, nur unsere Geschichten über die Gefahren und Schmerzen, welche die Atomkraft über Euch bringen wird. Es ist ein Unglück, dass Eure Regierung uns jene Gastfreundschaft, welche die Indischen Menschen uns angedeihen lassen wollten, verweigert hat. In einer Demokratie, und insbesondere in einer mit kontroversen Technologien wie der Atomkraft, ist es wichtig, dass eine freie und faire Debatte in einer angstfreien Atmosphäre abgehalten werden kann. Es ist offensichtlich, dass das nukleare Establishment in Indien für so eine freie und faire Debatte nicht bereit ist.

In Japan stellte ein hochrangiges Gremium, welches nach Fukushima vom Parlament gebildet wurde fest, dass die Katastrophe in Japan selbst entstand und das Resultat von Gemeimnistuerei, dem Versagen der Menschen, ihre Regierung zu hinterfragen und der engen Verbindung zwischen Regulatorbehörden und den AKW-Betreibern ist.

Die Weigerung Eurer Regierung, uns einreisen zu lassen, bloß weil wir eine ihr widersprechende Meinung vertreten was die Atomkraft betrifft, spricht gegen ihr Selbstverständnis, das sich als Hüter von demokratischen Idealen und der freien Meinungsäußerung sieht. Wir fürchte uns vor den Konsequenzen, wenn eine so gefährliche Technologie wie die Atomkraft in so einem intransparenten und unterdrückerischen Kontext eingesetzt werden soll.

Wir konnten die Menschen in Koodankulam nicht treffen und jene, die mit ihnen sympatisierten. Es ist wirklich schade, dass wir sie nicht besuchen konnten. Nachdem uns aber die Einreise verweigert wurde, sind unsere Sorgen noch ernsthafter und unsere Solidarität noch stärker geworden. Jene, welche die Atomkraft pushen, sind sehr gut miteinander vernetzt. Wenn es um atomare Verwüstungen geht, gibt es global gesehen keine Grenzen. Überwinden wir also die nationalen und sprachlichen Unterschiede und werden wir zu Tausendenden und Abertausenden Freunden und Freundinnen, welche gemeinsam für unsere atomfreie Zukunft kämpfen.

Wir hoffen, Euch bei nächster Gelegenheit in Indien treffen zu können.

Masahiro Watarida(Hiroshima Network against Kaminoseki NPP)
Shinsuke Nakai(Video Journalist)
Yoko Unoda(No Nukes Asia Forum Japan)


Übersetzung aus
http://www.dianuke.org/a-nuclear-free-future-is-our-common-dream-letter-from-the-japanese-activists-deported-from-india/
von Bernhard RIEPL für oekonews


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /