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Schiefergas - eine Option?

EU-Parlament sieht Schiefergas-Abbau in Europa zumindest kritisch, lässt aber den Ländern die es fördern wollen, noch die Wahl mit strengeren Umweltvorschriften

Im Plenum des Europäischen Parlaments in Straßburg gab es heute in der Abstimmung zum Bericht über die Umweltauswirkungen von Tätigkeiten zur Gewinnung von Schiefergas und Schieferöl eine Mehrheit für strengere Regeln.


"Jedes EU-Mitgliedsland soll die Wahl haben, ob es Schiefergas fördert oder nicht. Wenn es sich dazu entschließt, müssen die Umweltvorschriften so streng sein, dass ökologische Schäden vermieden werden." Dies hat am heutigen Mittwoch das Europäische Parlament in Straßburg beschlossen.

Der Umweltsprecher der ÖVP, Richard Seeber, und der Industriesprecher der ÖVP im EU-Parlament, Paul Rübig, begrüßen das Votum: "Schiefergas-Bohrungen müssen von Fall zu Fall abgewägt werden. Wir wollen eine Diversifizierung der Energiequellen und weniger Abhängigkeit von Energieimporten. Andererseits dürfen die Bohrungen nur dann durchgeführt werden, wenn alle Umweltfragen restlos geklärt werden können", so die beiden Europaabgeordneten.

"Schiefergas ist langfristig keine Energie der Zukunft, weil die negativen Nebeneffekte zu groß sind", betont Seeber. Deshalb sei die Entscheidung der OMV "absolut richtig" gewesen, die Probebohrungen im Weinviertel einzustellen und die Schiefergaspläne auf Eis zu legen. "Trotzdem muss man Ländern, die Schiefergas gewinnen möchten, dies ermöglichen, unter der Bedingung, dass vor allem der Schutz des Grundwassers gewährleistet wird", so Seeber, der auch Präsident der überparteilichen "Wasser-Gruppe" im EU- Parlament ist.


Kadenbach: Schiefergasbohrungen als hohes Risiko für die Umwelt

Die SPÖ-Europaabgeordnete Karin Kadenbach kritisiert die Verschleierungstaktik bei Lobbyingagenturen im Zusammenhang mit Schiefergas.

Kadenbach, Mitglied im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, macht klar: "Der Nutzen von Schiefergas-Bohrungen steht in keinem Verhältnis zu den potenziellen Schäden für die Umwelt. Der Energiemix ist ausschließliche Kompetenz der Mitgliedsstaaten, wir brauchen daher strengste Umweltgesetzgebung auf EU-Ebene, was die Schiefergas- bzw. Schieferölgewinnung betrifft. Darüber hinaus muss konsequent der Ausbau alternativer Energien vorangetrieben werden, damit in Zukunft auf fossile Energie verzichtet werden kann."
Kadenbach sieht vor allem im übermäßigen Wasserverbrauch und der Gefahr der Grundwasserverschmutzung große Gefahren. Um Schiefergas zu fördern, muss Wasser unter sehr hohem Druck in mehrere hundert Meter tiefe Bohrlöcher gepresst werden. Allein für die Bohrung werden rund 2,3 bis 4 Millionen Liter Wasser benötigt, bei der anschließenden Gasförderung weitere 8 bis 14 Millionen Liter Wasser. "Da dem Bohrwasser bei herkömmlichen Verfahren Chemikalien zugesetzt werden, kann dabei auch Grundwasser verschmutzt werden. Misslingt das Abpumpen des Bohrwasser, könnten auch anliegenden Seen und Flüsse verschmutzt werden", erläutert die SPÖ-Europaabgeordnete. Wie bei Erdwärmebohrungen könne es auch zu lokalen Erdbeben kommen.

Die SPÖ-Europaabgeordnete macht aber auch noch auf eine "neue Strategie in der Lobbyingarbeit" aufmerksam, die auch hier bei Schiefergas zu beobachten war. Kadenbach: "Konzerne gründen mithilfe von PR- und Lobbyingagenturen Organisationen, die in der öffentlichen Diskussion als BürgerInnen-Initiativen pro Schiefergas ausgewiesen werden. Erst bei näherer Recherche stellt sich dann heraus, dass die Schiefergasunternehmen selbst die Auftraggeber sind."

"Das Europaparlament hat sich von den Schalmeientönen der Energieindustrie nicht beirren lassen und heute zur Vorsicht gegenüber der Schiefergasförderung aufgerufen. Solange
die Folgen der Förderung von Schiefergas für Gesundheit und Umwelt noch nicht vollständig untersucht sind, darf es keine nur wirtschaftlichen Gesichtspunkten geschuldete Ausweitung dieser Technik in Europa geben. Mitgliedsstaaten sollten es sich sehr gut überlegen bevor sie Genehmigungen für diese umstrittene Technologie erteilen. Viele Mitgliedsstaaten haben deshalb bereits ein Moratorium erlassen. Leider fand der Antrag der Grünen auf ein EU-weites Moratorium für die Schiefergasförderung keine Mehrheit, aber immerhin hat sich das Parlament für ein Verbot von Fracking in besonders sensiblen Gebieten ausgesprochen", kommentieren Ulrike Lunacek, Europasprecherin der Grünen und ihre Fraktionskollegin Eva Lichtenberger, die Berichterstatterin für eine Stellungnahme zu
diesem Thema im Rechtsausschuss (JURI) des Europaparlaments, die
beiden heute abgestimmten Berichte zu dem Bereich. Die Grünen stimmten dabei für den vom Umweltausschuss eingebrachten Bericht zur Förderung von Schiefergas, jedoch gegen den Bericht des Industrieausschusses zum gleichen Thema.

Lichtenberger: "Schon jetzt sind die katastrophalen Folgen bekannt, die beispielsweise die Anwendung giftiger Chemikalien auf das Grundwasser haben kann. Auch die Kommission hat die Vereinbarkeit von Fracking mit EU-Gesetzgebung zur Wasserqualität infrage gestellt. Wir
sind der Auffassung, dass genügend Risiken bekannt sind, um die Förderung von Schiefergas zu verbieten Wenn das nicht geschieht, muss zumindest die existierende EU-Gesetzgebung umfassend auf diese riskante Technologie angewendet werden. Das hat auch das Parlament
heute gefordert. Zudem sollen Schiefergasfirmen vollständig für entstandene Schäden haftbar gemacht werden können."

In diesem Sinn kritisiert Lunacek auch OMV-Chef Gerhard Roiss, der kürzlich laut Medienberichten einen europäischen "Weg ins Schiefergas" gefordert hat und die Meinung vertritt, "für die OMV führe langfristig daher kein Weg an Schiefergas vorbei". Diese
schiefergasfreundliche Position gleicht dem abgelehnten Berichtes des Industrieausschusses des Europaparlaments.

Lunacek: "So wie die Mineralölindustrie verwechselt auch dieser Bericht noch immer Hoffnung und Realität und ist auf dem ökologischen Auge blind. Der Bericht behauptet, das gegenwärtige europäische Regelwerk reiche für Schiefergas aus. Nur bei einer umfassenden
Ausbeutung dieser unkonventionellen Energiequelle sei eine mögliche Anpassung nötig. Allerdings kommen zahlreiche neue Studien zu einem anderen Ergebnis. Das europäische Regelwerk zu Schiefergas muss rasch um Umweltverträglichkeitsprüfungen ergänzt werden."


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /