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Schweizer Bundesverwaltungsgericht rügt das ENSI

Anwohner von Atomkraftwerken müssen ernst genommen werden

Zürich/Bern - Das Bundesverwaltungsgericht hat mit dem diese Woche publizierten Urteil das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI gerügt. Das ENSI verweigerte zwei Anwohnern der Alarmzonen 1 und 2 eine inhaltliche Auseinandersetzung mit einer kritischen Eingabe, welche sicherheitsrelevante Handlungen der Atomaufsicht in Zweifel zog. Das Gericht entschied nun, dass das ENSI den Anwohnern den nötigen Rechtsschutz zu Unrecht
verweigerte und die kritischen Punkte überprüfen muss. Die Beschwerdeführer und Greenpeace Schweiz, welches das rechtliche Vorgehen unterstützt hat, sind erfreut über den aussergewöhnlich raschen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts.

Nach der Atomkatastrophe in Fukushima musste die Sicherheit der Schweizer Atomkraftwerke überprüft werden. Der Nachweis, dass Atomkraftwerke ein Hochwasser oder Erdbeben ohne schädigende Freisetzung von radioaktiven Stoffen überstehen können, unterliegt gesetzlichen Vorschriften nach internationalen Sicherheitsprinzipien. Diese Vorschriften wurden vom ENSI im Fall Mühleberg nicht beachtet, rechnete es doch den Einsatz von mobilen Feuerwehrpumpen dem Sicherheitsnachweis an. Dank diesem Verstoss konnte das ENSI dem Berner AKW grünes Licht für den Weiterbetrieb geben.

Nach einem Briefwechsel ersuchten zwei Anwohner der Alarmzonen 1 und 2 das ENSI im März rechtsverbindlich um Korrektur. Vergeblich - nach mehr als sechs Monaten langem Hinhalten beschied das ENSI den Anwohnern, es trete nicht auf ihr Gesuch ein und erklärte sie als nicht legitimiert. Die Anwohner reichten darauf Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Das Bundesverwaltungsgericht korrigierte nun das ENSI. Nur einen Monat nach Abschluss
des Schriftenwechsels hat es ihre Beschwerde gutgeheissen. Den teilweise weit
hergeholten Konstruktionen, mit denen das ENSI die Nichtbehandlung ihres Gesuchs
begründete, erteilt das Gericht auf der ganzen Linie eine Absage.

’Das Bundesverwaltungsgericht stellt klar, dass die bisherige Legitimationspraxis der kernenergierechtlichen Bewilligungsverfahren auch für den Rechtschutz der Anwohner im Zusammenhang mit der Aufsichtstätigkeit des ENSI gilt”, stellt Martin Pestalozzi, Anwalt der Beschwerdeführer, fest. Das ENSI habe sich also zu Unrecht geweigert, die Kritik an der Anrechnung der mobilen Pumpen für den Sicherheitsnachweis zu prüfen.

‘Angesichts der Tragweite der thematisierten Sicherheitsfragen ist es bedenklich, dass die dafür zuständige staatliche Aufsichtsbehörde auf eine juristisch fragwürdige Weise versuchte, sich nicht inhaltlich mit dieser Kritik auseinandersetzen zu müssen’, sagt Markus Kühni, einer der Kläger. ‘Wir sind froh, dass das Bundesverwaltungsgericht jetzt für uns entschied und Anwohnern das Recht gewährt wird, umstrittene sicherheitstechnisch relevante Handlungen der Aufsichtsbehörde anzufechten’.

Zwar hat das ENSI das Recht, seinen Nichteintretensentscheid bis vor Bundesgericht zu verteidigen. ‘Dies wäre ein falsches Zeichen’, sagt Florian Kasser Atomcampaigner von Greenpeace Schweiz. Primäre Aufgabe sei endlich die längst fällige Antwort auf ein Sicherheitsproblem zu liefern und nicht weiter auf Verzögerungstaktik zu machen. "Andernfalls würde das ENSI den Verdacht noch verstärken, dass ihm die sachlichen
Argumente fehlen’, sagt Kasser.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /