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Manifest zur Neuausrichtung der Landwirtschaft

Ein beachtlicher Impuls aus dem Weinviertel

Aufruf zu Vernunft und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft

Vor einem Monat hat der VERBAND BIOLOGISCHER ACKERFRÜCHTE (BAF) in Anbetracht des bereits dringend nötigen Kurswechsels in der Landwirtschaft ein ebenso ambitioniertes wie richtungsweisendes Manifest verfasst und an viele Akteure versendet. Die bisherigen Reaktionen waren erstaunlich.
Je rascher das Umdenken erfolgt, umso besser für den EU-Agrar-Vorreiterstaat Österreich, die nachfolgenden Generation und uns alle !

Hier für die OEKONEWS-Leserschaft das Manifest im Wortlaut:


MANIFEST ZUR NEUAUSRICHTUNG DER LANDWIRTSCHAFT

Die allgemeine und speziell die ökologische Situation der österreichischen Landwirtschaft ist vergleichsweise gut. Trotzdem ist sie seit Längerem auf dem Weg in eine Sackgasse.

Dies hat sich besonders deutlich erst unlängst in der Diskussion Bienengesundheit gegen Bauernexistenzen’ gezeigt. Es ist hier aber nur die berühmte ‘Spitze des Eisberges’ sichtbar geworden.

Wir glauben daher, dass es höchste Zeit ist, sich endlich ERNSTHAFT mit den möglichen Alternativen zum bestehenden Landwirtschaftssystem zu beschäftigen.

Für eine nachhaltige Zukunft der Landwirtschaft zum Wohle von Mensch, Tier, Pflanze, Boden und Wasser muss Folgendes in den Fokus rücken,ins Bewusstsein gebracht und schließlich in die Tat umgesetzt werden:

- die Züchtungsmethoden bei Pflanze und Tier gehen immer mehr ausschließlich in Richtung Hybrid bzw. gentechnisch veränderte Organismen (oft in Kombination mit entsprechenden Pestiziden) und führen schon jetzt zu einer enormen und ungesunden Abhängigkeit der Landwirte von einigen wenigen großen Züchtungsfirmen.

Der Trend in der Züchtung ist u.a. dadurch gekennzeichnet, dass die Fertilität oder die Vermehrungsfähigkeit für Saatgut und Tiere verloren geht und dem Landwirt die Möglichkeit eigenes Saatgut oder Zuchtvieh zu erhalten, abhanden kommt. Dieses ist durchaus gewollt, damit der Landwirt auch jedes Jahr erneut Saatgut zukaufen muss. Der Bauer (kommt vom Anbauen oder Aussähen) verliert dadurch sein wichtigstes Produktionsmittel. Es gibt aber sehr wohl Züchtungsalternativen mit dem entscheidenden Vorteil, dass dann Saatgut und Zuchtvieh auch nachbaufähig , d.h. reproduzierbar und fertil gehalten werden. Diesen müssten allerdings von der Gesellschaft über Forschung, Preisgestaltung und Steuern geholfen werden, auch ökonomisch konkurrenzfähig zu sein.
- die Abhängigkeit der Landwirtschaft von den großen Saatgut- und Züchtungsfirmen ist für die zukünftige, gedeihliche Neuausrichtung der Landwirtschaft hinderlich und sollte durch eine alternative Züchtung reduziert werden.
-der Einsatz von Pestiziden muss auf seine Notwendigkeit oder auch Unerlässlichkeit im Einzelnen immer wieder einer Neueinschätzung unterzogen werden. Wir sind der Meinung, dass sehr viele Pestizide durch ganz einfache Maßnahmen in der praktischen Landbewirtschaftung wie angepasste Fruchtfolgen und Bodenbearbeitung ersetzbar sind.

DIESE PESTIZIDE HÄTTEN DANN KEINE DASEINSBERECHTIGUNG MEHR.

Die alternativen Maßnahmen in der Landbewirtschaftung müssten aber ebenfalls nicht nur von der Gesellschaft gewünscht, sondern auch von der Politik entsprechend gefördert werden. Auch hier geht es um die Reduktion von Abhängigkeit, in diesem Fall von der chemischen Industrie.

- Es ist unerlässlich für das Gedeihen der zukünftigen Landwirtschaft, dass Humus aufgebaut und erhalten wird.
Das geschieht v. a. durch Vielfalt in der Fruchtfolge, organische Düngung und eine angepasste SANFTE Bodenbearbeitung. Das Förderwesen sollte sich daher auf diese Ziele konzentrieren und andere wie Investförderungen für Maschinen und Ställe hintanstellen, weil diese cum grano salis hauptsächlich dem Handel nützen.

- Wir glauben, dass die ausschließliche Berufung auf die Wissenschaft bei landwirtschaftlichen Fragestellungen keine befriedigenden Ergebnisse liefert. Wir wissen, dass sich mit entsprechenden Geldmitteln fast alles wissenschaftlich beweisen lässt. Wissenschaftliche Studien, die von Firmen und Konzernen mit entsprechenden wirtschaftlichen Interessen finanziert werden, können nicht objektiv sein.

Wir sind der Meinung, dass die Intelligenz der Bauernschaft weit unter Ihrem Wert geschlagen wird, wenn sie sich der vermeintlichen Autorität der Wissenschaft kritiklos unterwirft. Das schadet der eigenen Problemlösungskapazität. Also ein größeres Augenmerk auf die Objektivität von nicht interessengesteuerten wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Wohle von Mensch, Tier, Pflanze, Boden und Wasser im Landbau und vermehrt ‘on farm research’ bei den Bauern mit den Bauern.

- Die Tierhaltung von Hühnern, Schweinen und Rindern ist zwar gesetzlich geregelt. Trotzdem vertreten wir die Meinung, dass einiges bei Zucht, Haltung und Fütterung zum Wohle der Tiere geändert werden soll (artgerechte Tierhaltung). Hier ist v. a. der Konsument gefordert. Wir weisen nur darauf hin, dass z.B.: für ein kg Hühnerfleisch ca. das Doppelte zu zahlen wäre, wenn das Leben dieses Huhnes von seiner Zeugung bis zum Tod ‘optimal’ verlaufen soll. Die Neuorientierung der Landwirtschaft wird ohne Zutun und Beitrag des Konsumenten nicht gelingen.

Denn der Bauer muss von seinem Beruf leben können. Alles Genannte gilt im Besonderen in den Entwicklungsländern. Dort sind bis zu 80% von der Landwirtschaft abhängig und daher ist ihr Stellenwert ein ungleich höherer. Fehler in der Landbewirtschaftung führen deshalb viel schneller zu sozialpolitischen Katastrophen. Die Menschen dort wollen nichts anderes als vor Ort von ihren Landwirtschaften leben.
Nur in äußerster Not setzen sie sich in ein Boot und kommen zu uns.
Wir können einiges dazu beitragen, dass sie das nicht tun, wenn wir sie ein wenig unterstützen, sie da und dort beraten, mit Ihnen kooperieren, ohne in erster Linie Geschäftsinteressen zu verfolgen.
- Im Großen und Ganzen geht es bei der ‘Neuausrichtung der Landwirtschaft’ um ein permanentes kritisches Hinterfragen und Korrigieren von Abhängigkeiten der Landwirtschaft von Handel, Politik, chemische Industrie und Wissenschaft, die (nicht immer mit lauteren Mitteln) vorgeben zu wissen, was für die Landwirtschaft der Zukunft gut ist und die aber – wie auch nicht anders zu erwarten – den eigenen Vorteil im Auge haben.
Dieses System der Abhängigkeiten zu durchbrechen und schrittweise abzubauen bedeutet aber vermehrt Eigenverantwortung zu übernehmen und die Gesellschaft (Konsument) in diese miteinzubeziehen.

Vorstand BAF – Verband biologischer Ackerfrüchte
Alfons Piatti, Peter Krischke, Michael Piatti-Fünfkirchen, Johannes Niedermayer, Robert Harmer, Andreas Schmid, Arthur Schmidt, Georg Thurn-Vrints

Obmann Demeterbund Österreich
Andreas Hörizauer

Universität für Bodenkultur Wien
Thomas Lindenthal

Obmann Bio Forschung Austria
Ludwig Maurer

Rückfragehinweis:
Alfons Piatti
E alfons (AT) piatti.at
H 0664/432 6152


Artikel Online geschaltet von: / hackenberg /