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Förderung von Atomkraft in Europa: Ein Irrweg!

EU-Kommission will den Bau und den Betrieb von Atomkraftwerken in Europa erleichtern -Breite Ablehnung in Österreich!

Wie Greenpeace heute in der "Süddeutschen Zeitung" aufdeckte, plant die Europäische Kommission eine Änderung der Regeln für das staatliche Beihilferecht. Die Förderung von Atomkraft soll demnach in Europa mit jener von erneuerbaren Energien wie Wind- und Solartechnik gleichgestellt werden.
Durch den geplanten Vorstoß von EU-Wettbewerbs-Kommissar Joaquan Almunia, der im September neue Richtlinien für die Genehmigung von staatlichen Beihilfen durch die EU im Bereich Umwelt und Energie vorlegen will, sollen bisher verbotene Staatsbeihilfen für Atomkraft erlauben. Ein entsprechender Text wurde mit EU-Energie-Kommissar Öttinger abgestimmt.

Für Umweltminister Niki Berlakovich ist das ein gefährlicher Irrweg für Menschen und Umwelt: "Todesenergie darf keine Zukunft haben. Die Nachwehen von Fukushima sind noch nicht verklungen und die Ergebnisse der Stresstests sind noch nicht gar nicht umgesetzt. Welche Katastrophen müssen nach Tschernobyl und Fukushima noch passieren damit man endlich daraus lernt und in Energien investiert, die nachhaltig sind? Der Weg muss in Europa heißen: Raus aus Atom, hinein in die Erneuerbare Energie."

Minister Berlakovich plädiert für die Kostenwahrheit der unterschiedlichen Technologien zur Energieerzeugung. "Ein großer Kostenbrocken, der vor allem bei der Atomenergie zu berücksichtigen ist, sind Haftungsregelungen, Stilllegungen und Endlagerkosten", gibt der Minister zu bedenken. "Wir haben in Brüssel bereits unsere ablehnende Haltung zur Subventionierung von Atomkraft mehrmals deutlich gemacht. Wir werden auf allen Ebenen mit Verbündeten gegen dieses Vorhaben auftreten."

Wirtschafts- und Energieminister Reinhold Mitterlehner spricht sich ebenfalls klar gegen die Pläne der EU-Kommission aus: "Österreich ist gegen jede Art der Förderung für den Bau von AKWs oder die Produktion von Nuklearenergie, auch nicht unter dem Deckmantel einer CO2-armen Technologie. Atomkraft ist keine
Klimaschutzmaßnahme", so Mitterlehner. Darüber hinaus widerspricht die Förderung von Nuklearenergie aus österreichischer Sicht der Logik und Systematik des allgemeinen EU-Beihilferechts und des Umweltbeihilferechts im Besonderen, weil die Gesamtumweltbilanz der Technologie jedenfalls negativ ausfällt.

Von SPÖ-Umweltsprecher Hannes Weninger kommt ebenfalls eine klare Absage: "Die Nutzung von Atomkraft zur Energiegewinnung birgt ein hohes Gefahrenrisiko. Atomkraft ist unbeherrschbar, der Entwurf der Kommission daher abzulehnen. Österreich ist Vorreiter in der Anti-Atompolitik. Beim von Bundeskanzler Werner Faymann initiierten Anti-Atom-Gipfel wurde eine breite Allianz aus Regierung, Bürgern, NGOs und Parlament zum Kampf gegen Atomkraft und für eine Energiewende hin zur verstärkten Nutzung erneuerbarer Energieformen geschlossen. Diesen Weg setzen wir konsequent fort", sagt der SPÖ-Umweltsprecher. Eine sichere und nachhaltige Energieversorgung könne es nur ohne Atomenergie geben. Eine aktuelle Initiative der SPÖ ist die Forderung nach einer europaweiten Haftpflicht für AKW-Betreiber. Wichtig sei Kostenwahrheit bei Atomkraftwerken, die auch die Endlagerungskosten und das Umweltrisiko beinhaltet.

Der Delegationsleiter der SPÖ-EU-Abgeordneten, Jörg Leichtfried, merkt an, dass der Entwurf der Richtlinie ein "Armutszeugnis für die Kommission" darstelle. "Die Kommission handelt wieder gegen den Willen der Bürgerinnen und Bürger, ein Großteil steht der Atomkraft skeptisch gegenüber", betont Leichtfried. Er plädiert daher erneut dafür, dass die Bevölkerung mehr Mitspracherechte bei der Besetzung der Kommission erhält. "Nur wenn sich die Kommissare den Bürgern gegenüber verpflichtet fühlen, werden sie mehr Sorgfalt an den Tag legen und nicht mehr nur den Interessen der Wirtschaft nachkommen", sagt der Europaparlamentarier.

Vorschlag würde Bau von AKW erleichtern und Energiewende schwächen

Die Grünen, darunter auch Bundessprecherin Eva Glawischnig, sehen die Pläne als "gefährliche Fehlentscheidung". "Seit Fukushima ist endgültig klar: Atomkraft kann nie sicher sein. Die Pläne der Atombefürworter in der EU-Kommission sind eine Fehlentscheidung. Dadurch würden künftig staatliche Milliardensubventionen für Atomkraft möglich. Das wäre ein schwerer Rückschlag für die grüne Energiewende, die auf saubere Energie aus Sonne, Wind und Wasser setzt. Österreichs EU-Kommissar Johannes Hahn gefordert, den Atomplänen der EU-Kommission eine klare Absage zu erteilen. Gemeinsam mit Deutschland muss eine Mehrheit unter den EU-KommissarInnen geschmiedet werden, um die gefährlichen und skandalösen Pläne der Atomlobby zu stoppen", sagt Glawischnig.

"Wird dieser Entwurf umgesetzt, wird die EU-Energiepolitik auf den Kopf und zurück Richtung einer überwunden geglaubten Vergangenheit gestellt - das darf und das wird nicht stattfinden!" kritisiert Ulrike Lunacek, Vizepräsidentin der Grünen im Europaparlament.

"Das wäre ein Wahnsinn, das wäre gegen die Mehrheitsmeinung der Österreicher und würde die Energiewende gefährden" kommentiert der BZÖ-Umweltsprecher Abg. Mag. Rainer Widmann.


Oberösterreichs Umwelt-Landesrat Rudi Anschober meint: "Damit würde die völlig unwirtschaftliche Atomenergie künstlich zum Leben erweckt und sie würde bei der Ermöglichung von Subventionen mit Ökostrom gleichgestellt. Aber mit vielen entscheidenden Unterschieden: die Förderung von Ökostrom ist eine Startförderung für Zukunftstechnologien, eine Finanzierungsbrücke in die Energiezukunft, Atomenergie eine Uralttechnologie. Ökostrom bringt den Ausweg aus der Klimakrise, Atomenergie ist eine Todestechnologie. Es muss jetzt einen Aufschrei in der EU gegen diesen Plan eines energiepolitischen Zurück ins Vorgestern geben. Ich appelliere vor allem an den österreichischen EU-Kommissar Hahn und Energiekommissar Oettinger, entschieden dagegen aufzutreten." Anschober sieht diese Entscheidung auch als eine Vorentscheidung über den Ausbau von Temeli­n, denn Temelin 3 und 4 können ohne Milliardensubventionen weder errichtet noch betrieben werden. Die Vorbereitungen für Subventionskonzepte laufen - wie Anschober seit Monaten aufgezeigt hat - intensivst. Anschober weiter: "Die EU steht vor einer grundsätzlichen Weichenstellung pro oder Contra Atom."

"Wenn dieses Vorhaben Realität wird, werden in den nächsten Jahrzehnten dutzende Atommeiler gebaut, die am freien Markt nie finanzierbar wären und ein massives Sicherheitsrisiko darstellen", ist Greenpeace Atomsprecherin Julia Kerschbaumsteiner überzeugt.

Eine Entscheidung im Kollegium der Kommission erfordert Einstimmigkeit. Umstritten ist, ob die EU-Kommission überhaupt über die Kompetenz verfüge, im Alleingang die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Umweltbeihilfeleitlinien auf Nuklearenergie zu beschließen. Greenpeace unterstützt Wirtschaftsminister Reinhold Mittlerlehner bei seiner Forderung, die Kompetenzen rechtlich prüfen zu lassen.


Dem Versuch von Frankreich, Großbritannien und Tschechien, die
Atomenergie als Klimaschutzmaßnahme den Zugang zu Steuergeldern zu
erleichtern, muss seitens unserer Vertreter in Brüssel und der
Bundesregierung eine klare Absage erteilt werden.


"Atomenergie ist nach wie vor nicht überlebensfähig, und dient inkeiner Weise dem Klimaschutz, denn mit einem Anteil von kaum 10% an der weltweiten Stromproduktion, mit weiter sinkender Tendenz, hat die Atomenergie nicht einmal das Potential einen relevanten Beitrag zum Klimaschutz zu leisten", so Manfred Doppler vom Anti Atom Komitee in einer ersten Reaktion. Diese Vorstöße beweisen nur, dass die Atomenergie auch nach fast 60 Jahren, in denen Hunderte Milliarden in diese veraltete Risikotechnologie, gepumpt wurden, noch immer am Tropf des Steuerzahlers hängt", so Doppler, der anstatt dessen von der EU-Kommission fordert, eine umfassende Haftpflichtversicherung für Atommeiler einzuführen.

Hintergrund des Pro-Atom-Vorstosses der EU-Kommission:

Einige EU-Staaten, allen voran Großbritannien, aber auch Frankreich, Finnland, die Slowakei, Polen und Litauen planen den Bau neuer Atomkraftwerke, die sich allerdings wirtschaftlich nicht rechnen. Deswegen wollen die Staaten den Bau und Betrieb der AKW mit massiven Staatshilfen stützen. Die bestehenden EU-Regelungen erlauben das nicht. Daher sollen diese jetzt geändert werden. Der Pro-Atom-Vorstoss wird vor allem von Großbritannien, Frankreich, Litauen und Tschechien unterstützt. Deutschland, das sich mitten im Atomausstieg befindet, lehnt den Vorschlag ab. Der Almunia-Öttinger-Vorschlag soll bereits nächste Woche am 26. Juli auf Arbeitsebene ("interservice consultation") in der EU-Kommission besprochen und in der dritten Septemberwoche veröffentlicht werden. In Folge sollen die neuen Richtlinien nach einer "Stakeholder Consultation" im Frühjahr 2014 in Kraft treten.



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /