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Atom als Placebo-Lösung des globalen Klimawandels

Für die Atomenergiewirtschaft stellen in Zukunft die Resultate des Klimawandels ein wesentliches Risiko dar.

Im Jahr 2006 litt ganz Europa unter einer Hitzewelle. Aufgrund des Kühlwassermangels waren vor allem große, zentralisierte Energiequellen, zu denen auch Atomkraftwerke gehören, betroffen.

Atomkraftwerke werden (von der zuständigen Lobby) willkürlich als emissionsfreie Energiequellen bezeichnet, welche zu einem Instrument der Lösung des Problems des Klimawandels werden sollen. Unverdienterweise! Es ist zwar wahr, dass die Reaktoren selbst keine CO² Emissionen abgeben; der gesamte nukleare Brennstoffzyklus tut das aber sehr wohl. Ein weiteres Problem besteht in den limitierten Möglichkeiten der Atomenergie an sich.


Der Zustand der Ökonomie und die Situation in Bezug auf die Sicherheit in den Ländern der Dritten Welt ermöglichen es nicht, dass die Erneuerung massiver Investitionsprogramme in den Nuklearbereich dieser Länder insgesamt den globalen Rückgang der Atombranche stoppen könnten. Der Anteil der AKWs an der weltweiten Stromproduktion sank von seinem Maximum im Jahre 1993 (damals 17 %), auf bloße 10 % im Jahre 2012 und sinkt weiter. Wenn wir einen vergleichenden Blick auf alle Energieträger zusammen werfen, stellen wir fest, dass dabei der nukleare Beitrag verschwindend gering ist – 2 bis 3 %. Damit die Atomreaktoren zur Reduktion der heutigen Treibhausgasemissionen einen zumindest in Prozenten messbaren Beitrag leisten könnten, müssten laut Internationaler Energieagentur (Energy Technology Perspectives, 2008) in den Jahren 2005-2050 alljährlich zwischen 24 und 32 Atomreaktoren mit einer Leistung von je 1000 MW in Betrieb genommen werden. Das ist völlig unmöglich.

Verborgene Emissionen


Nuklearreaktoren können nicht als komplett emissionsfrei bezeichnet werden. Beispielsweise erfordern der Uranabbau, die Verarbeitung der Uranerze, die Urananreicherung, die Herstellung der Brennstäbe und Tätigkeiten, welche für die Weiterverarbeitung und Lagerung der nuklearen Abfälle notwendig sind, anspruchsvolle mechanische Infrastrukturen und Gerätschaften, welche angetrieben und welchen Tonnen verschiedener Materialien zugeführt werden müssen.

Weitere Emissionen sind in hunderten von Tonnen Stahl, Beton und weiteren Materialien verborgen, welche zum Bau von Atomkraftwerken und damit zusammenhängenden Anlagen nötig sind. Internationale Studien haben ergeben, dass ein nuklearer Komplex 30 bis 120 Gramm CO² pro hergestellter kWh Strom verursacht. Mit dem zunehmenden Abbau von Erzen mit niedrigerem Urangehalt können wir aufgrund dieser immer anspruchsvoller werdenden Herstellung der Brennstäbe auch eine Zunahme der Emissionsbelastung auf 250 Gramm CO²/kWh erwarten. Das ist natürlich mehrfach weniger an Emission, als bei der Verbrennung von Kohle (1000-1200 g CO²/kWh) oder Erdgas (ca. 600 g CO²/kWh), aber im Vergleich zu den Erneuerbaren Energiequellen schneiden die Atomkraftwerke dennoch deutlich schlechter ab (Windkraftwerke bis 7 g CO²/kWh, Wasserkraftwerke ca 20 g CO²/kWh usw.).


Ein ausgetrockneter Fluss kühlt keinen heißen Reaktor

Für die Atomenergiewirtschaft stellen in Zukunft die Folgen des Klimawandels selbst ein wesentliches Risiko dar. Im Jahre 2006 suchte eine Hitzewelle ganz Europa heim. Aufgrund des Kühlwassermangels waren vor allem große, zentralisierte Energiequellen, zu denen auch Atomkraftwerke gehören, davon betroffen.

Ein Beleg dafür war beispielsweise die Einschränkung des Kraftwerksbetriebs in Deutschland, wo die Leistung von drei Atomkraftwerken entlang des Flusses Elbe gedrosselt werden musste und die deutsche Wirtschaft so um eine elektrische Leistung im Umfang von etwa 3500 MW kam. Spanien nahm das AKW Santa Maria de Garona am Fluss Ebro vom Netz und Belgien musste die Leistung zweier Reaktoren im Kraftwerk Doel reduzieren. In Frankreich war der Stromkonzern EdF gezwungen, die Kunden aufzufordern, ihre Stromabnahme zu erniedrigen und um einen Netzausfall zu verhindern, musste die Firma beginnen, Elektrizität aus den Nachbarländern zu importieren.


Ähnlich wird es mit den Rekatoren in Temelín sein, welche durch Wasser aus dem Fluss Moldau (Vltava) gekühlt werden. Wohl kaum jemandem von den Unternehmern und Bürgermeistern der Gemeinden rund um den Moldaustausee ist bewusst, dass die primäre Funktion unseres ‘Südböhmischen Meeres’ nicht ist, die besten Bedingungen für Jachtsportfans und anderer Erholungssuchende sicherzustellen, sondern den Wasserdurchfluss in der Moldau besser steuerbar zu machen. Wie eine Sommersaison an einem Seeufer mit dutzenden Metern stinkenden Schlammes am Strand aussieht, stellen wir uns lieber nur einmal vor. Mit fehlendem Kühlwasser rechnet das neue Atom-Projekt in Temelín nicht, schon gar nicht mit dem Abschalten.

Aber auch weitere Folgen der Klimaveränderungen bedrohen die Variante Atom: Hochwasser und starke Winde. Im Juni 2011 überschwemmte Wasser aus dem über die Ufer getretenen Fluss Missouri das US-amerikanische AKW Fort Calhoun. Das Atomkraftwerk Browns Ferry in Alabama kam im April 2011 wegen starkem Gewitter um die Stromversorgung und musste seine Reaktoren notabstellen. Laut einer britischen Regierungsanalyse, welche die Tageszeitung Guardian veröffentlichte, sind als Folge der Klimaveränderungen 9 von 19 Standorten, welche zum Zwecke der Energieerzeugung aus AKWs genutzt werden, in unterschiedlichen Ausmaßen von Hochwasser und Erosionen der Küste bedroht. Darüberhinaus wird die Zahl der Risikolokalitäten gerade durch den Einfluss des steigenden Wasserstandes im Meer und der Gewitter weiter zunehmen.



Die Lösung liegt anderswo



Tschechien selbst ist ein Beispiel dafür, dass man sich auf Atomkraftwerksprojekte nicht verlassen kann. Es geht um eine ökonomisch anspruchsvolle Branche, welche gigantische Investitionen in der Höhe von hunderten Milliarden Kronen erfordert. Die Tschechische Republik verfügt zum Glück über eine Reihe von besseren und realistischeren Lösungen, welche helfen, die Emissionen weit deutlicher reduzieren zu können. Am günstigsten ist die Energie, die erst gar nicht erzeugt – und ergo auch nicht verbraucht werden muss – die sogenannten Negawatt. Daher hat es auch Sinn, statt in die Nukleartechnologie in die Verbesserung der Enegieeffizienz zu investieren. Die tschechischen Unternehmen verbrauchen (je erzeugter Einheit) fast um die Hälfte mehr Energie, als das dem Schnitt der hochentwickelten Staaten der EU entspricht. Dabei würde sich auch mit heutigen Technoligien schon die Energieeffizienz unserer Industrie um ein Viertel verbessern lassen. Dadurch würden Firmen sich so das Energieäquivalent der Produktion beider Temelínblöcke ersparen.

Übersetzung aus www.temelin.cz und ihned.cz
(Original: http://hanzlova.blog.ihned.cz/c1-60858670-jadro-jako-placebo-reseni-globalnich-klimatickych-zmen )

Autoren: Edvard Sequens, www.calla.cz , Barbora Hanžlová, Klimatická koalice

Übersetzung: Bernhard Riepl, www.sonneundfreiheit.eu

GastautorIn: Edvard Sequens, www.calla.cz , Barbora Hanžlová, Klimatická koalice für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /