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Fukushima, drei Jahre danach...

Seit dem vernichtenden Erdbeben in Japan und der Havarie im AKW Fukushima als Folge sind nun beinahe drei Jahre vergangen.

Die Welt beschäftigt sich längst mit anderen Problemen und so manche Regierung dieser Erde träumt ihren Traum von der Atomkraft als verlässlichster und ökologischster Energiequelle weiter. Die Folgen der Katastrophe in Fukuhsima zeigen sich aber als immer ernster werdend und ihr letztendliches Ausmaß lässt sich noch gar nicht abschätzen.

Ein Jahr nach dem Unfall gab das Japanische Amt für Kernsicherheit bekannt, dass die Menge des in die Umwelt entwichenen Cäsiums dem Äquivalent von 158 Atombomben einer Größenordnung, wie sie auf Hiroshima geworfen wurde, gleich kommt. Zur selben Zeit enthüllte eine Sonde im zweiten, beschädigten Reaktor, dass die radioktive Belastung dort den zehnfachen Wert dessen erreicht, was als tödliche Dosis angenommen wird.

Ein großes Problem ist immer noch das Entweichen von radioaktivem Wasser aus den beschädigten Tanks des Kraftwerks. Wieviel davon bereits ausflossen ist, ist nicht klar. Einige Berichte sprechen davon, dass es sich um bis zu 300 Tonnen täglich handeln könnte. Arnie Gundersen, welcher 30 Jahre lang als Nuklearingenieur für eine Reihe von Firmen aus der Atombranche arbeitete, schätzt, dass die radioaktive Verseuchung der Weltmeere aufgrund von Fukushima die zehnfache Intensität dessen erreichen wird, was alle bisherigen Atombombenversuche zusammen schon verursacht haben. Ein internationales Expertenteam hat mit Hilfe von Computersimulationen ausgerechnet, dass heuer im Frühjahr die radioaktiven Stoffe aus Fukushima bis an die Küsten der USA und Kanadas gelangen werden. Sie versichern zwar, dass deren Konzentration im Meer gering sei und keine Bedrohung darstellen werde. Die Regierung der USA hat dennoch 14 Millionen Jodtabletten bestellt, welche für die Bevölkerung der amerikanischen Westküste bestimmt sind.

TICKENDE ZEITBOMBE

Die Amerikanerinnen und Amerikaner beobachten nämlich schon seit Längerem ungewöhnliche Phänomene, die sie sich eben als Folge von radioaktiven Wellen aus Fukushima erklären. Vor einiger Zeit hat das Meer nämlich Millionen von toten Seesternen an die Küste gespült und bei vielen Fischen wurden seltsame Deformationen festgestellt. Bei Thunfischen, die an Kaliforniens Ufern gefangen wurden, wurde eine erhöhte radioaktive Belastung festgestellt. Bestätigt sind auch 71 Fälle von Krebs bei Piloten der US-Armee, welche sich in Fukushima an Rettungsarbeiten beteiligt hatten. In Japan selbst wird ein steiler Anstieg beim Auftreten von Schilddrüsenkrebs bei Kindern registriert. Während vor der Katastrophe 1-2 Fälle/Million Einwohner auftraten, stellten Ärzte voriges Jahr bereits 44 Fälle fest.

Im Oktober des letzten Jahres gab der Betreiber des AKWs, die Firma TEPCO, bekannt, dass das Niveau der Verstrahlung im Kraftwerk innerhalb von drei Tagen auf den 20-fachen Wert angestiegen sei und die Situation außer Kontrolle geraten wäre. Japans Premierminister Shinso Abe rief die Welt zur Hilfe, weil Japan angeblich nicht in der Lage sei, die Situation mit eigenen Kräften zu bereinigen. Es ging darum, dass im Objekt des Katastrophenreaktors neue Risse auftraten und ganz real ein Einstürzen des Reaktors zu drohen begann. Noch dazu begann gerade ein weiterer der in dieser Region nicht so seltenen Taifune auf das Land zuzurasen. Auch eine so seriöse Zeitung wie die Deutsche Wirtschaftswoche schrieb von einer Katastrophe unvorstellbaren Außmaßes, falls der Reaktorkomplex tatsächlich einstürzen sollte. Das ist (zum Glück) nicht passiert. Aber die Zeitbombe tickt weiter. Im Reaktor befinden sich nämlich rund 1300 abgebrannte Brennstäbe, welche - falls sie außerhalb des Kühlregimes geraten sollten - 15.000 Mal mehr an Radioaktivität in die Umwelt abgeben würden, als das bei der Atombombe in Hiroshima der Fall war. Gegenwärtig errichtet man im Meer rund um das havarierte Kraftwerk einen gigantischen Betondamm, welcher das Entweichen von radioaktivem Wasser in den Ozean verhindern soll. Er wird 780 Meter lang und 30 Meter hoch sein, wobei diese Mauer 5 Meter über die Wasseroberfläche hinausragen soll. Fertig sein soll dieses Bauwerk im März 2014. Das sind aber nur Akutmaßnahmen, welche einer weiteren möglichen Katastrophe vorbeugen sollen. Wie mit den radioaktiven Resten des Kraftwerks umgegangen und wie die Umgebung dekontaminiert werden soll, das steht noch in den Sternen.

GEFRORENE GEFAHR

Von Seiten der japanischen Regierung kam kürzlich der Plan, den Boden rund um die Reaktoren einzufrieren, damit das vorhandene radioaktive Wasser nicht mehr in die Umwelt abgegeben würde. Rund um das ganze Kraftwerk soll eine drei Meter dicke, unterirdisch gefrorene (und somit wasserundurchlässige) Erdschicht entstehen. Das würde bedeuten, dass unterirdisch ein Rohrsystem für die dafür nötige Kälte sorgen müsste, das permanent mit einer riesigen Menge an Energie versorgt zu werden hätte, um den Boden gefroren zu halten. Etwas Ähnliches wurde schon einmal in den USA versucht, wo mit gefrorenen Mauern radioaktiver Abfall abgeschirmt wird. Die "Eismauer" in Fukushima müsste jedoch 150 Mal massiver sein und mindestens 40 Jahre lang funktionieren, macht Ed Yarmark aufmerksam, der am amerikanischen Projekt beteiligt war.

Nach dem Unfall in Tschernobyl sagten die BefürworterInnen der Atomkraft, dass etwas Ähnliches nicht mehr passieren könne. Eine veraltete Technologie, sowjetischer Schlendrian, eine ideologisch motivierte Unterdrückung von Fakten - nichts davon würde für die höher entwickelten Länder zutreffen. Das galt alles für Japan als nicht wahrscheinlich.

Es kam hingegen etwas, was niemand erwartet hatte, zumindest nicht in diesem Ausmaß. Was wird noch kommen müssen, damit sich die verantwortlichen Menschen bewusst werden, dass die Atomkraft ein Spiel auf Leben und Tod ist?


Autor: Jakub Siska, er arbeitet als Journalist auch für den Tschechischen Rundfunk. Dieser Text erschien am 4.2.2014 im tschechischen Original in der Zeitung Hospodáøské Noviny
(http://hn.ihned.cz/c1-61654430-jakub-siska-fukusima-tri-roky-pote)

Übersetzung: Bernhard Riepl

GastautorIn: Jakub Siska für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /