© Matthias Schickhofer-FVA- Symbolische Baumpflanzung bringt Problem auf den Punkt
© Matthias Schickhofer-FVA- Symbolische Baumpflanzung bringt Problem auf den Punkt

Symbolische Baumpflanzung: "Mehr Wachstum für gemeinnützige Stiftungen in Österreich"

Führende NGOs drängen Bundesregierung zum Handeln: Österreich darf nicht Schlusslicht bleiben

Wien - Anlässlich des "Europäischen Tag der Stiftungen" pflanzten vor kurzem VertreterInnen gemeinnütziger Organisationen einen symbolischen "Baum für gemeinnützige Stiftungen in Österreich" im Wiener Volksgarten. Hunderte Stiftungen in 16 europäischen Ländern werben an diesem Tag mit vielfältigen Aktionen für das Stiftungswesen. Mit der Aktion wollten die NGOs in Österreich darauf aufmerksam machen, dass Österreich hinsichtlich der Förderung gemeinnütziger Stiftungen ein unrühmliches Schlusslicht in Europa darstellt. Sie drängten die Bundesregierung, die im Regierungsprogramm zugesagten Verbesserungen nun rasch umzusetzen. An der Baumpflanzung beteiligten sich VertreterInnen von Fundraising Verband Austria, Caritas, Greenpeace, Licht für die Welt, Österreichisches Rotes Kreuz, ROTE NASEN Clowndoctors und SOS-Kinderdorf.

Konkret geht es den Organisationen um eine bessere Stiftungskultur und konkrete gesetzliche und steuerliche Verbesserungen. Sie pochen auf ein neues gemeinnütziges Stiftungsrecht, das Stiften für das Gemeinwohl gezielt fördert. Noch in diesem Herbst könnte die Bundesregierung die uneingeschränkte steuerliche Absetzbarkeit des Stiftens für das Gemeinwohl (wie dies bei Spenden bereits weitgehend der Fall ist), die KESt-Befreiung von Erträgen aus gemeinnützigen Stiftungen und die Abschaffung gesetzlicher Hürden wie der dreijährigen Frist für die Erlangung des Spendenbegünstigung bei Stiftungserrichtung umsetzen.

Alexander Bodmann, Geschäftsführer der Caritas der Erzdiözese Wien, unterstreicht: "Gemeinnützige Stiftungen könnten nach der Spendenabsetzbarkeit ein ganz wichtiger Impuls für gemeinnützige Aktivitäten werden - ein starkes, wichtiges Zeichen in einer Welt, in der sich aktuell unvorstellbare humanitäre Katastrophen ereignen. Österreich könnte, seiner humanitären Tradition folgend, zu einem wichtigen Stiftungsstandort Mitteleuropas werden. Dazu ist es notwendig, das Stiftungsrecht zu ändern, mit Fokus auf die Förderung gemeinnütziger Anliegen. Zuwendungen an gemeinnützige Stiftungen bis zur Höhe von zwei Mio. Euro - gleich der Spendenabsetzbarkeit -sollten über bis zu zehn Jahre verteilt absetzbar sein."

Hanna Simons, politische Direktorin von Greenpeace, betont: "Eine Gesellschaft, die sozialen Zusammenhalt, Umweltschutz und Gerechtigkeit fördern will, braucht gute Rahmenbedingungen für gemeinnütziges Engagement. Dazu gehört auch ein modernes Stiftungsrecht."

Rupert Roniger, Geschäftsführer von Licht für die Welt, erklärt:
"Steuerliche Anreize und eine neue rechtliche Basis für gemeinnütziges Stiften wird die Solidarität in Österreich massiv stärken. Gemeinnütziges Stiften ermutigt vermögende Menschen, durch philanthropisches Engagement gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen - in diesem Bereich hat Österreich enormen Aufholbedarf!"

Dr. Werner Kerschbaum, Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes sagt: "Ein intelligentes gemeinnütziges Stiftungsrecht würde zusätzliche finanzielle Mittel für die Zivilgesellschaft und die humanitären Organisationen bedeuten. Mittelfristig sind bis zu einer Milliarde Euro Ausschüttung an gemeinnützige Organisationen realistisch. Gemeinnützige Stiftungen und Non-Profit-Organisationen könnten so gemeinsam dringende Themen wie Armutsbekämpfung, Ausbildung von Kindern und Jugendliche oder Herausforderungen aufgrund des demographischen Wandels und vieles mehr substantiell voranbringen."

Dr. Günther Lutschinger, Geschäftsführer Fundraising Verband Austria, drängt: "Je später die Entscheidung fällt und je geringer die Verbesserungen ausfallen, umso niedriger fallen die budgetentlastenden Einnahmen aus. Ein Jahr nach der Regierungsbildung muss gehandelt werden!"

Gemeinnützige Stiftungen in Zahlen:
In ganz Europa finanzieren 110.000 Stiftungen gemeinnützige Einrichtungen und Projekte mit einer Summe von 83 bis 150 Mrd. Euro. Mit jährlichen Zuwendungen von bescheidenen 20 bis 25 Mio Euro spielen Stiftungen in Österreich aber eine beschämende Nebenrolle in der Finanzierung des dritten Sektors. Stiftungen in Deutschland schütten 50 Mal (!) mehr Mittel an gemeinnützige Projekte jährlich aus als österreichische (nämlich 15 Milliarden Euro). In Deutschland sind heute 95% aller Stiftungen gemeinnützig, in Österreich hingegen bloß 6% aller Privatstiftungen.

Die etwa 3.300 heimischen Privatstiftungen haben ein Vermögen von rund 80 bis 100 Mrd. Euro veranlagt. Davon sind fast 60% in Unternehmensbeteiligungen, 20% in Immobilien und etwa 20% in Wertpapieren und in Liquidität investiert. Österreichische Privatstiftungen wollen vor allem Privatvermögen und Unternehmen in inländischer und einheitlicher Hand halten. Gemeinnützige Ziele waren bislang unbedeutend.

Gemeinnützige Stiftungen in Österreich?

Beispiele für herausragende Philanthropie gibt es aber dennoch: Die Initiative "Sinnstifter" von österreichischen Privatstiftungen (Gründer: Erste Stiftung, Essl Foundation, Humer Privatstiftung, Schweighofer Privatstiftung, Katharina Turnauer Privatstiftung und Unruhe Privatstiftung), will die gemeinnützige Rolle der Stiftungen betonen. Die private Forschungsstiftung "Wings for Life", von Dietrich Mateschitz gegründet, hat das Ziel, Heilmethoden für alle Querschnittspatienten weltweit zu finden. Die Lupac-Stiftung, die gemeinnützige Stiftung des Parlaments, die Dank der großzügigen Zuwendung einer Person errichtet werden konnte, vergibt den ersten österreichischen Demokratiepreis - heuer bereits zum fünften Mal.

Die VertreterInnen der NGOs hoffen, dass die zugesagten Verbesserungen nun rasch umgesetzt werden. Auch angesichts der aktuellen und eskalierenden Krisen in vielen Teilen der Welt, sei es ein Gebot der Stunde, die Arbeit der gemeinnützigen Organisationen durch Abbau von Hemmnissen für philanthropisches Engagement zu unterstützen.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /