© John Hain /pixabay.com
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Vernachlässigt die neue EU-Kommission die Nachhaltigkeit?

Das Thema Nachhaltigkeit spiele in der neuen Kommission der Europäischen Union nur eine untergeordnete Rolle, kritisieren Nichtregierungsorganisationen und EU-Parlamentarier.

Sie fordern eine Revision der Zuständigkeiten im Kandidatenteam von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

‘Die designierte Juncker-Kommission zeigt eine gefährliche Herabstufung des Umwelt-Themas und ein Zurückdrehen bestehender EU-Verpflichtungen zur nachhaltigen Entwicklung’, schreiben zehn große Umweltorganisationen, die sich in der Gruppe Green10 zusammengeschlossen haben und auf EU-Ebene tätig sind. Dazu gehören unter anderem Birdlife International, Friends of the Earth, Greenpeace und WWF.

Die Organisationen fordern, dass Jean-Claude Juncker die Struktur der geplanten Kommission und die Zuständigkeiten ändern solle. Außerdem müsse das Thema eine größere Bedeutung in den Arbeitsplänen der Vizepräsidenten und Kommissionsmitglieder erhalten.

Ähnliche Kritik äußerten der Vorsitzende des Ausschusses für Umweltfragen, Giovanni La Via, und die Koordinatoren einiger Fraktionen, unter anderem der Europäischen Volkspartei, Sozialdemokraten, Grünen und Linken.

Im Organigramm der designierten Kommission ist Jyrki Katainen als Vizepräsident das Projektteam Beschäftigung, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit zugeordnet. Nachhaltigkeit ist als Überschrift nicht darunter.

Junckers Idee von Nachhaltigkeit unklar

In Junckers Mission Letter, mit dem er die Aufgaben des Vizepräsidenten beschrieb, kommt das Thema Nachhaltigkeit durchaus vor – allerdings führt er nicht weiter aus, was er darunter versteht. Juncker nennt ‘Nachhaltigkeit’ als eine der Aufgaben, auf die sich Katainen konzentrieren solle. ‘Koordinierung der Überprüfung der Europa-2020-Strategie für kluges, nachhaltiges und inklusives Wachstum’, lautet ein Teil der Aufgabenbeschreibung. Außerdem solle Katainen ‘helfen, Fortschritte bei den EU-Zielen auf diesem Feld durchzusetzen’.

In der Struktur der geplanten Kommission spiegeln sich die zugewiesenen Aufgaben. Katainen soll unter anderem die Arbeit von Miguel Arias Canete koordinieren, des designierten Kommissars für Klimapolitik und Energie. Aber auch die Kommissare Karmenu Vella (Umwelt, maritime Angelegenheiten) und Vytenis Adriukaitis (Gesundheit, Lebensmittelsicherheit) sollen Katainen zuarbeiten.

Der Aufgabenbereich von Kommissar Canete ist allerdings auch der Zuständigkeit einer weiteren Vizepräsidentschaft zugeordnet, die den Themenbereich Energie-Union verantwortet. Hierfür sah Juncker ursprünglich Alenka Bratusek vor, die jedoch bei der Anhörung bei den EU-Parlamentariern durchfiel. Bleibt es bei dieser Aufgabenverteilung, überschneiden sich die Arbeitsbereiche der Vizepräsidenten. Nach Auskunft der Vertretung der EU-Kommission in Berlin müssen sich die Arbeitsabläufe erst noch finden. Welche Rolle die Nachhaltigkeit in der Kommission und in Katainens Arbeit spielen wird, lässt sich deshalb gegenwärtig schwer absehen.

Die "robuste Energie-Union"

In Junckers Politischen Leitlinien vom 15. Juli 2014 spielt das Thema Nachhaltigkeit keine prominente Rolle. Wohl aber nannte er ‘eine robuste Energie-Union mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzpolitik’ als eines seiner zehn wichtigsten Handlungsfelder.
Auf die aktuelle Kritik reagierte der neue Kommissionspräsident mit dem Hinweis, Nachhaltigkeit sei eine Querschnittsaufgabe und müsse in vielen relevanten Bereichen vorkommen. ‘Ich möchte die vorherrschende Silo-Mentalität in der Kommission überwinden. Es wäre zu engstirnig, nachhaltige Entwicklung in das Portfolio eines einzigen Kommissars zu quetschen’, schrieb Juncker an EU-Parlamentspräsident Martin Schulz.

Demgegenüber fordern die Organisationen der Green10, eine Vizepräsidentschaft für Nachhaltigkeit einzurichten, die die Bereiche Umwelt, Fischerei, Landwirtschaft und Regionalpolitik verantwortet. Außerdem müsse bei Jurky Katainen das Umwelt-Thema prominenter installiert werden. Drittens solle Juncker die Vizepräsidentschaft für die Energie-Union im Titel um die Klimapolitik ergänzen.

Quelle: Rat für nachhaltige Entwicklung


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /