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Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle: Wo bleibt das Beteiligungsrecht für Umweltorganisationen?

EU-rechtswidriger Zustand -Appell an Minister Rupprechter: Beteiligungsrechte für Zivilgesellschaft in Bundesumweltgesetzen schnellstmöglich umsetzen!

Wien - Österreich hat das Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, besser bekannt unter dem Kurztitel "Aarhus-Konvention", im Jänner 2005 ratifiziert. "Danach müssen unter anderem Mitglieder der Öffentlichkeit, also insbesondere Umweltorganisationen, im innerstaatlichen Recht die Möglichkeit bekommen, sämtliche Verstöße gegen Umweltgesetze anfechten zu können", sagt Mag. Michael Proschek-Hauptmann, Geschäftsführer des Umweltdachverbandes.

Gesetzes-Novelle stößt bei NGOs auf Unverständnis

Österreich ist jedoch noch immer, auch im Bereich des Abfallrechts, weit von einer Umsetzung entfernt. "Die Europäische Kommission hat letzten Sommer wegen unzureichender Umsetzung von Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich eröffnet. Dies unter anderem auch deshalb, weil Umweltorganisationen außerhalb von Verfahren betreffend IPPC-Behandlungsanlagen die fehlende Einhaltung von abfallrechtlichen Bestimmungen des AWG überhaupt nicht bekämpfen können", so Proschek-Hauptmann. "Umso mehr stößt die nun in Begutachtung geschickte AWG-Novelle 2015 auf absolutes Unverständnis unsererseits."

Handlungsbedarf in Sachen Beteiligungsrechte evident

Der Handlungsbedarf ist nicht zuletzt aufgrund des seit letztem Sommer anhängigen Aarhus-Vertragsverletzungsverfahrens der EU gegen Österreich jedenfalls evident, zumal, wie bereits die EU-Kommission feststellte, außerhalb von UVP- oder IPPC-Verfahren praktisch keine Klagebefugnisse der Öffentlichkeit in Umweltverfahren existieren. "Wie will Österreich auf diese Art und Weise gegenüber der Kommission Fortschritte beim Rechtsschutz für Mitglieder der Öffentlichkeit belegen? Die zu Beginn der Regierungsperiode propagierte Aufwertung der Zivilgesellschaft und die Verbesserung und Demokratisierung von Entscheidungsverfahren würde damit einmal mehr zu einem reinen Lippenbekenntnis.

Daher unser klarer Appell an BM Rupprechter: Mit der erfolgten Ratifikation der Aarhus-Konvention durch Österreich kann und darf eine vollständige Umsetzung der Konventionsbestimmungen keine Frage des politischen Willens mehr sein, sondern ist eine völker- und unionsrechtlich verbindliche Vorgabe - und das auch, wenn sich die Wirtschaftskammer dagegen stellt. Das AWG steht damit auch nur am Anfang einer Reihe erforderlicher Gesetzesänderungen", so Proschek-Hauptmann

Grüne fordern Beteiligungsrecht ein

"Die nun in Begutachtung geschickte Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) hätte nach den eigenen Worten von Bundesminister Rupprechter im Umweltausschuss vom 26. Juni 2014 weitere Beteiligungsrechte für Umweltorganisationen vorsehen sollen, um den Rügen des Aarhus-Einhaltungsausschusses und der Europäischen Kommission nachzukommen", erklärt die Umweltsprecherin der Grünen, Christiane Brunner.

"Rupprechter sagte, er würde sich in seinem Zuständigkeitsbereich dafür einsetzen, dass bei in seinem Kompetenzbereich betroffenen Materien - Stichwort: Wasserrechtsgesetz, Forstgesetz, Abfallrecht, Luftgesetz, Umweltinformationsgesetz - die entsprechenden Anpassungen, wo dies erforderlich ist, zügig angegangen werden. Diesbezüglich werde er auch entsprechende Gesetzesinitiativen vorschlagen", zitiert Brunner.

Während die jüngst im Parlament beschlossene Novelle zum Umweltinformationsgesetz den Rechtsschutz gegen Auskunftsverweigerung im Sinne der Rüge des Aarhus-Einhaltungsausschusses verbesserte, ignoriert Rupprechter beim AWG-Entwurf entgegen seinen Ankündigungen den Anpassungsbedarf. "Das ist eine völlig unlogische Kehrtwendung von Bundesminister Rupprechter, der mit gutem Beispiel voran gehen wollte. Er hat hier offenbar in vorauseilendem Gehorsam die Aarhus-Passage aus dem Begutachtungsentwurf gestrichen. Es soll also über Beteiligungsrechte der Umweltorganisationen gar nicht geredet werden. Diesen Gefallen werden wir aber dem Minister und ‚seinen Anschaffern‘ nicht tun. Beteiligungsrechte von Umweltorganisationen sichern die korrekte Anwendung der Umweltgesetze. Behörden sind nicht nur mit den wirtschaftlichen Interessen konfrontiert, sondern müssen sich auch gegenüber der Umweltschutzseite rechtfertigen. Damit können vorbeugend Umweltschäden vermieden werden. Wie notwendig wir diesen Ausgleich brauchen, zeigen die Umweltskandale der letzten Zeit", ist Brunner überzeugt. "Ich hoffe, dass Rupprechter hier noch bis zur Regierungsvorlage nachbessert", sagt die Vorsitzende des parlamentarischen Umweltausschusses.

ÖKOBÜRO, GLOBAL 2000, Greenpeace und WWF empört über Abfallgesetz

Scharfe Kritik kommt auch von weiteren Umweltschutzorganisationen. Die in ÖKOBÜRO -der österreichischen Allianz der Umweltbewegung - organisierten Umweltschutzorganisationen GLOBAL 2000, Greenpeace und WWF sind empört darüber, dass die vertraglichen Verpflichtungen Österreichs im aktuellen Gesetzesentwurf ignoriert werden.

"Der vorliegende Gesetzesentwurf wurde ganz offensichtlich vom Druck der Interessensvertretungen von Wirtschaft und Industrie geformt. Hier werden eindeutig Profitinteressen über Umweltschutz und Europarecht gestellt", kritisieren die Umweltschutzorganisationen. "Offenbar haben manche Wirtschaftsvertreter ein Problem damit, wenn Umweltschutzorganisationen zukünftig über Parteistellung und Beschwerderechte mehr Rechtsschutz in Umweltfragen genießen. Als erstes hätte nun das Abfallwirtschaftsgesetz angepasst werden sollen, die entsprechende Passage wurde unseren Informationen zufolge jedoch wieder aus dem Entwurf des Umweltministeriums gestrichen", so ÖKOBÜRO-Geschäftsführer Thomas Alge. Dass der Rechtsschutz in Form von Parteistellung für Umweltschutzorganisationen Investoren abschrecken könnte, ist laut Alge ein haltloser Einwand der Interessensvertretungen: "Österreich ist in Europa bei Einführung des Rechtsschutzes keineswegs Vorreiter sondern vielmehr Nachzügler, wie auch das Vertragsverletzungsverfahren der EU belegt. Laut Erfahrungen aus anderen Ländern bringen sich Umweltschutzorganisationen zudem nur dort ein, wo wirklich schlimme Auswirkungen zu befürchten sind - das sind etwa zwei Prozent aller möglichen Fälle."

"Der HCB-Skandal ist ein Paradebeispiel für die Konsequenzen fehlender Parteistellung: Wäre die Genehmigung der Blaukalk-Verwertung im Görtschitztal nicht unter prinzipiellem Ausschluss von Umweltschutzorganisationen verlaufen, hätte man eine derartige Umweltkatastrophe vermeiden können", so Hanna Simons, Direktorin für Umweltpolitik bei Greenpeace CEE in Österreich. Auch im von GLOBAL 2000 im Jahr 2012 aufgedeckten Fall des über Jahre hinweg verseuchten Grundwassers in Korneuburg hätten bei rechtzeitiger rechtlicher Einbindung der Öffentlichkeit, Fehler um Jahre früher erkannt und der Schaden wahrscheinlich deutlich gemindert werden können. Ein weiteres Beispiel: das geplante Wasserkraftwerk an der Schwarzen Sulm in einem Natura 2000-Gebiet. "Wir hatten keine Möglichkeit rechtlich vorzugehen. Nur eine Besetzung der Baustelle konnte schlimmere Naturzerstörungen verhindern, bevor die EU-Kommission ein Verfahren gegen den eindeutig EU-rechtswidrigen Bau einleitete", so Beate Striebel-Greiter, stellvertretende Geschäftsführerin und Abteilungsleiterin für Naturschutz von WWF Österreich.

Dass sich das österreichische Umweltministerium trotz besseren Wissens und des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens vor der Umsetzung der Aarhus-Konvention drückt, ist für die Umweltschutzorganisationen unverständlich. GLOBAL 2000-Geschäftsführerin Leonore Gewessler: "Die Aarhus-Konvention einfach nicht umzusetzen, ist ein Armutszeugnis für das angebliche Umweltmusterland Österreich. Minister Rupprechter selbst hat letztes Jahr im Umweltausschuss bestätigt, dass Österreich nicht auf eine eventuell irgendwann kommende EU-Richtlinie warten könne und hat die rasche Umsetzung in den Umweltgesetzen wie für Abfall, Wasser oder Luft angekündigt."

"Österreich ist zur Umsetzung der Aarhus-Konvention verpflichtet. Jede weitere Verzögerung ist absolut inakzeptabel." meinen die Umweltorganisationen.

Harsche Kritik übt auch die Umweltorganisation VIRUS. Dass rechtswidrige Dinge passieren, nur weil es keinen ausreichenden Zugang zu Verfahren und Rechtsmitteln gebe müsse endlich ein Ende haben. Minister Rupprechter habe sich bei seinem Amtsantritt quasi als "Aubesetzungsminister" präsentiert. Nun sei er gefordert, die seit Hainburg bestehenden Rechtsdefizite zu beseitigen. "Wenn er mit Mut, Rückgrat und Durchsetzungsvermögen Aarhus-konforme Umweltgesetze allen voran jene für Wasserrecht, Naturschutz, Luftreinhaltung und eben Abfallwirtschaft auf den Weg
bringt, kann er sich tatsächlich ein Denkmal setzen," so VIRUS-Sprecher Wolfgang Rehm.


Artikel Online geschaltet von: / stevanov /