EU-Agrarreform: Modulation bietet Chancen für Nachwachsende Rohstoffe

Was bedeuten die Kommissionsvorschläge zur Agrarpolitik für Nachwachsende Rohstoffe?

Weniger produktionsbezogenen Zahlungen, mehr Gelder für die ländliche Entwicklung und die Abschaffung von Sonderregelungen für einzelne Kulturen sowie der obligatorischen Flächenstilllegung sind Teil eines Vorschlags der Kommission. Ziel ist eine stärkere Marktorientierung sowie eine bessere Nachvollziehbarkeit der Förderung. Eine Mitteilung der EU-Kommission vom 20. Mai zum ‘Gesundheitscheck’ der bis 2013 laufenden Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) enthält ein Bündel von Maßnahmen.

Erheblichem Einfluss auf die Marktentwicklung bei Nachwachsenden Rohstoffen dürften vor allem folgende Aspekte haben:

Umschichtung der Zahlungen von der Produktion zur ländlichen Entwicklung und Umweltschutz

Die so genannte ‘Modulation’ soll bis 2012 um 8% auf 13% angehoben werden. Das heißt: Die produktionsbezogenen Zahlungen an die Landwirte, die ‘Erste Säule’ der GAP, werden weiter gekürzt, die eingesparten Gelder werden in vollem Umfang verwendet, um die so genannte ‘Zweite Säule’, nämlich die Entwicklung des ländlichen Raums und die Schonung der Umwelt zu fördern. Die durch diese zusätzliche Modulation gewonnenen Mittel bleiben in dem Mitgliedstaat, der sie generiert hat – sofern die jeweiligen Bundesländer noch einmal denselben Betrag aus eigenen Kassen dazu geben. In Deutschland umstritten ist der Vorschlag, bei Betrieben, die mehr als 100.000 € Direktzahlungen erhalten, die Direktzahlungen noch stärker zu kürzen.

Die mit dem wachsenden Budget der Zweiten Säule angestrebten Ziele sollen auch verwendet werden, um ‘neuen Herausforderungen’ zu begegnen. Dazu zählt die Kommission ‘die Beherrschung von Produktionsrisiken, die Bekämpfung des Klimawandels, ein effizienteres Wassermanagement, die optimale Nutzung der von Bioenergien gebotenen Möglichkeiten und die Erhaltung der biologischen Vielfalt.’
Nachwachsende Rohstoffe können dabei in vielerlei Hinsicht punkten. Biogasproduktion, Anbau mehrjähriger Energiepflanzen, Bioenergieerzeugung und Anlagen sowie Infrastruktur für Bioenergie sind beispielhaft direkt genannt. Bei nachhaltiger Nutzung Nachwachsender Rohstoffe liefern die als ‘potenzielle Wirkung’ bezeichneten neuen Zielstellungen reihenweise Argumente für eine Förderung: Reduzierung der Emissionen von Methan, Distickstoffoxid und Kohlendioxid, Kohlenstoffbindung, Ersatz fossiler Brennstoffe, verminderter Pestizideinsatz, Schutz der Wasserqualität, Verringerung von Bodenauswaschungen,... Hier bieten sich Chancen für Kulturen und Anbauweisen, die Erzeugung biogener Rohstoffe mit vorbildhaft umweltverträglicher Landnutzung verbinden.

Die Gelder aus Brüssel sollen also verstärkt an Betriebe fließen, die neben der reinen Lebensmittel- bzw. Biomasseerzeugung konkrete, gesellschaftlich wünschenswerte Aufgaben erfüllen. Derartige Unterstützung gilt bei bi- und multilateralen Verhandlungen über den Abbau von Handelsbarrieren als weniger problematisch im Vergleich zu Direktzahlungen oder Produktionsbeihilfen. Auch innerhalb der EU fordern Wähler und Politiker zunehmend nachvollziehbare Gegenleistungen für das milliardenschwere Agrarbudget.

Abschaffung von Sonderbeihilfen für einzelne Kulturen

Schlechte Nachrichten hat die Kommission für die Hanfindustrie: Für Hanf wird eine vollständige Entkoppelung vorgeschlagen; die bisherigen Beihilfen sollen - wie im März beschlossen – bereits im Wirtschaftsjahr 2009/10 wegfallen. Das gleiche gilt für Flachs-Kurzfasern. Auch bei einer Reihe weiterer Kulturen und Erzeugnisse sollen bestehende Sonderregelungen auslaufen.

Für andere Kulturen und Produkte dagegen will die Kommission Sonderregelungen erhalten oder längere Übergangsfristen einräumen. Bei langen Flachsfasern beispielsweise soll eine fünfjährige Übergangszeit greifen. Bis 2010/11 sollen pro Tonne 200 € Verarbeitungsbeihilfe gezahlt und damit die heute geltende Förderung von 160 € sogar aufgestockt werden. Bis 2012/13 soll es immerhin noch 100 € geben. Bis zu 80.878 Tonnen je Wirtschaftsjahr können die volle Beihilfe erhalten, 300 Tonnen dieser ‘garantierten Höchstmenge’ sollen nach Deutschland fließen.
Bei der Produktion von Flachs-Langfasern fallen als Nebenprodukt Kurzfasern an, bei Hanf sind diese Kurzfasern in der Regel das Hauptprodukt. Damit konkurrieren Flachs- und Hanferzeuger auf den gleichen Märkten für Kurzfasern, nach den Plänen der Kommission allerdings bis mindestens 2013 unter ungleichen Voraussetzungen. Dies prangert die European Industrial Hemp Association (ww.eiha.org) seit Monaten an. Sie sieht ihre Mitglieder durch die Quersubvention der Flachs-Kurzfasern durch die hochsubventionierten Langfasern, die zu 80-90% nach China exportiert werden, gefährdet und fordert eine Nachbesserung.

Auch für Baumwolle sollen weiterhin ‘kulturspezifische Zahlungen’ geleistet werden, und zwar je nach Land zwischen 263 und 1.039 Euro pro Hektar. So entscheiden letztlich Marktsituation und politische Gemengelage bei den einzelnen Kulturen über die Chronologie der - aus Marktsicht grundsätzlich gebotenen – Abschaffung von Sonderregelungen.

Abschaffung der obligatorischen Flächenstillegung

Bisher mussten Landwirte rund zehn Prozent ihrer Ackerflächen stilllegen oder dort Nachwachsende Rohstoffe anbauen, um die Subventionszahlungen in voller Höhe zu erhalten. Diese Regelung war bereits zur Ernte 2007/08 ausgesetzt worden. Mit der dauerhaften Abschaffung der obligatorischen Stilllegung steigt die produktiv genutzte Ackerfläche EU-weit an. Gleichzeitig stehen Nachwachsende Rohstoffe nun auch auf den bisherigen Stilllegungsflächen in direktem Wettbewerb zu Nahrungs- und Futtermitteln. Ausweitung und Einschränkung oder Aufgabe des Anbaus einzelner Kulturarten – ob nachwachsende Rohstoffe oder nicht – hängen verstärkt von deren Wirtschaftlichkeit ab. Alle Kulturen konkurrieren nun um dieselben Flächen.
Nachwachsende Rohstoffe mit Chancen bei der ‘Zweiten Säule’
Insgesamt bestätigt der Vorschlag der Kommission die Erwartungen, dass die Revision der Agrarreform auf der Produktionsseite mehr Markt und weniger Direktzahlungen bringen, jedoch die zweite Säue der ländlichen Entwicklung und Umweltschonung deutlich stärken werde. Was angebaut wird, entscheidet vermehrt der Markt. Die Umschichtung der Mittel kann eine Chance für Nachwachsende Rohstoffe sein, soweit gezeigt werden kann, wie damit die im EU-Fonds für die Entwicklung ländlicher Räume und Umweltschonung neu abgesteckten Prioritäten umgesetzt werden. Einige Nachwachsende Rohstoffe wie z.B. Hanf oder Miscanthus scheinen prädestiniert zu sein, nunmehr von der Zweiten Säule zu profitieren – wenn die Regionen dies wünschen.

Die entscheidende Hürde für den Kommissionsvorschlag wird der EU-Ministerrat, der sich voraussichtlich Ende 2008 mit dem ‘Gesundheitscheck’ der Agrarreform beschäftigt. Nehmen die Agrarminister den Vorschlag an, würden die Änderungen unmittelbar in Kraft treten. Das EU-Parlament hat zuvor noch eine beratende Funktion. Die Komission geht davon aus, dass es in diesem Prozess bis Ende des Jahres noch einige Detailänderungen geben wird.

Weitere Information: Nova-Institut

GastautorIn: Florian Gerlach und Michael Carus (nova-Institut) für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /