Die neue EU-Klimapolitik: WORTE oder TATEN?

Die Europäische Union hat zur Bekämpfung des Klimawandels große Ambitionen – sagt sie. Aber was wird wirklich getan, angesichts der realen Gefahren?

Das Klimapaket von Jänner 2008 war ein wichtiger Schritt. Ober er groß genug war und in die richtige Richtung ging – das diskutierten ExpertInnen, Europaabgeordnete und nationale VertreterInnen auf Einladung des EU-Umweltbüro und des Informationsbüro des Europäischen Parlaments in Österreich am 30.6.2008 in Wien.

Den Anfang machte Helga Kromp-Kolb, Leiterin des Instituts für Meteorologie an der Universität für Bodenkultur Wien mit einer kritischen naturwissenschaftlichen Sicht auf den Klimawandel und daraus resultierende Notwendigkeiten: Zunächst machte sie (nochmals) deutlich, dass der Klimawandel bereits da und nachweisbar ist, ebenso der Anstieg von CO2 in der Atmosphäre. „Es wird nicht einfach ein bisschen wärmer“, so Kromp-Kolb, sondern es stehen uns enorme Änderungen bevor. Und es könnte schlimmer kommen als befürchtet, so zB ist die Auswirkung des schmelzenden
Gletschereises in Berechnungen des Meeresanstiegs bisher nicht berücksichtigt, da dies noch zu wenig verstanden wird – aber es scheint schneller zu gehen, als bisher angenommen. Insgesamt ist mit 150 – 200 Mio. Klimaflüchtlingen zu rechnen, und die
Schere zwischen Arm und Reich wird durch den Klimawandel verschärft.

Die EU hat laut Kromp-Kolb erste wichtige Schritte gesetzt, zB in der Anpassung, bei den Reduktionszielen und bei der Förderung der Erneuerbaren. Allerdings setzt die EU auf Großtechnologie – insbesondere, sobald Geld und Förderungen ins Spiel kommen. Dies betrifft zB auch Atomenergie oder die CO2-Abscheidung und Speicherung CCS. Über Bedarfssenkung, so Kromp-Kolb, wird aber weder in der EU noch in Österreich diskutiert. Und das, obwohl klar ist, dass unser Lebensstil nicht globalisierbar ist.
Fazit Kromp-Kolbs: Die EU dreht nach wie vor an den kleinen Schrauben, aber wir müssten anfangen, an den großen zu drehen!

Die von Irene Brickner, Redakteurin „Der Standard“, geleitete Diskussion drehte sich dann großteils aber doch wieder um die „kleinen Schrauben“und technologische Fortschritte – Lebensstiländerung und Bedarfssenkung scheinen in der gegenwärtigen Diskussion noch zu „unkonkret“ zu sein. Hermann Schultes, Nationalratsabgeordneter der ÖVP, meinte dazu: „Es ist wichtig, den ersten Schritt zu tun, auch wenn er vielleicht nicht vollkommen
ist“. Claudia Rothe, Europaabgeordnete der SPD und EPVizepräsidentin, verteidigte in ihrem Statement die EU: Diese schaue durchaus nicht immer nur auf die Wirtschaft,
der Lissabon-Vertrag zB definiert auch Nachhaltigkeit als Ziel. Auch das Ziel von 20 % Erneuerbare bis 2020 betrifft nur „echte“ Erneuerbare, keinesfalls aber Atomenergie und CCS.

Bei den vieldiskutierten Agrotreibstoffen wies Rothe darauf hin, dass das Ziel von 10 % bis 2020 „Erneuerbare im Transportbereich“ betrifft, also zB auch Brennstoffzellen
und Elektroautos. Trotzdem könne man über die Höhe des Ziels diskutieren, ein Ziel mit Sanktionsmechanismen soll es aber jedenfalls geben.

Eva Lichtenberger, Europaabgeordnete der Grünen, berichtete vor allem aus „ihrem“ Verkehrsausschuss. Hier sind Änderungen besonders schwer durchzusetzen,
die „Dinosaurier haben die stärkste Lobby“. Aber die endlosen Debatten haben immerhin dazu geführt, dass nun über eine Internalisierung der externen Kosten und CO2-Beschränkungen diskutiert wird. Auch wenn man, so Lichtenberger, Vorschläge wie die absolute Begrenzung des Flugverkehrs nach wie vor nur „mit Rüstung“ machen kann.
Dennoch: Klar ist, dass wir „alles“ brauchen, so Lichtenberger: technische Lösungen, Verhaltensänderungen, reduzierten Fleischkonsum und alternative Mobilität.
In allen Bereichen muss das Bestmögliche getan werden, auf andere verweisen „gilt nicht“.

Andreas Wabl, Klimaschutzbeauftragter des Bundeskanzlers, sieht in der EU ein gutes Gegengewicht zu kleinkarierten Egoismen von Regionen und Industrien. Es sei richtig, dass durch Klimapolitik Industriestandorte und Arbeitsplätze bedroht sind, aber dazu brauchen wir eine Offensivstrategie! Damit die Ziele für 2020 erreicht werden, brauchen wir einen Ausbau der Demokratie, die Menschen müssen „mitgenommen“ werden.
Wir sollten nicht warten, bis uns soziale Verwerfungen vorantreiben.

Für Silva Herrmann von Global 2000 sind die 2020- Ziele der EU zu wenig und gehen – wie die Agrotreibstoffe – teilweise in die falsche Richtung. Nötig sind ihrer Ansicht nach: Kohärenz, Abschaffung umweltschädlicher Subventionen, Nutzung der Strukturfonds, absolute Energieeinsparung, Effizienz und heimische Maßnahmen statt Zukauf von CO2-Zertifikaten

Hermann Schultes, Nationalratsabgeordneter und Energiesprecher der ÖVP, warnte davor, zu denken, dass die Menschen „irgendwann in der Zukunft besser werden“.
Auch die zunehmende Knappheit an fossilen Energieträgern ist als Problem zu sehen: „Wie kommen wir aus der Ölwirtschaft raus?“Bei den Lösungen sei Planungssicherheit für jene, die an Alternativen arbeiten, sehr wichtig.

Jürgen Schneider vom Umweltbundesamt wies noch einmal darauf hin, dass die EU international die einzige Staatengruppe ist, die sich für Klimaschutz einsetzt – außer den vom Untergang bedrohten Südseeinseln.

Wenn auch (zu) langsam, ist die EU doch die einzige Staatengruppe, die bisher ihre Emissionen reduziert hat.

GastautorIn: Maga. Christiana Griesbeck für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /