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pixabay.com | ulleo | Wer als Spargelbauer beim Anbau unter Folie nicht mitmacht, hat heute oft das Nachsehen.

© pixabay.com | ulleo | Wer als Spargelbauer beim Anbau unter Folie nicht mitmacht, hat heute oft das Nachsehen.

Gerade noch Irrsinn, jetzt schon normal

Mit dem Flieger tausend Kilometer zum Konzert und abends zurück? Spargelfelder heizen, um möglichst früh ernten zu können? Was einem gestern noch ganz unsinnig vorkam, wird heute schon gemacht und gilt morgen als selbstverständlich. Eine Kolumne von Georg Etscheit

Der Irrsinn grassiert. Und wenn man sich gerade an den alten Irrsinn gewöhnt hat, kommt schon ein neuer, noch irrsinnigerer Irrsinn daher. Nein, er lässt einem keine Ruhe, der Irrsinn.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie die Billigflieger aufkamen. Das war Mitte der Neunziger, als auf Plakate erstmals für „Fliegen zum Taxipreis“ geworben wurde. Die Flugzeuge von Hapag-Lloyd Express waren gelb lackiert mit einem schwarz-weißen Rautenmuster, wie bei den US-Taxis, die man aus den Krimis kennt. Weil ein Flug nach New York, wo es die Checker Cabs in echt gibt, noch etwas kostspielig war. War.

Ich dachte damals, das ist doch ein völliger Irrsinn und kann nie und nimmer funktionieren. Nach Hamburg für ein paar Euro, viel billiger als die Bahn? Geht doch nicht, wenn auf einmal alle fliegen können und wollen, weils nix mehr kostet. Der Lärm! Der Kerosinverbrauch! Das Klima!

Geht doch. Heute redet niemand mehr abfällig über die Billigfluglinien, weil alle sie benutzen. Kürzlich erzählte mir ein Bekannter, unauffälliger, netter Mann, der sich eine Finca auf Mallorca gekauft hat, dass er während seines Urlaubs auf der Insel an einem Tag kurz zu einem Gig seiner Jazzcombo nach Deutschland gejettet sei und abends wieder zurück. Er hatte mit seiner Frau auch darüber nachgedacht, statt Mallorca ein Häuschen in Florida zu erwerben. Doch das sei dann doch ein bisschen zu weit, meinte er, da sei man nicht mehr flexibel genug. Ich glaube nicht, dass er sich als Ökoschwein fühlt. Ist eben normal geworden, der Irrsinn.

Auch so ein Irrsinn waren die Heizpilze, mit denen vor etwa zehn, fünfzehn Jahren findige Gastronomen anfingen, winters in München und andernorts ihre Freischankflächen zu temperieren. Damit die Leute bei Minusgraden schön draußen sitzen können, als wär es Palermo. Großes Wehklagen bei Ökologen, Grünen, Klimaschützern gab es damals und Eingaben an den Münchner Stadtrat, dem schmutzigen und sinnlosen Treiben ein Ende zu setzen.

Heute kräht kein Hahn mehr danach. Der Irrsinn ist ganz normal geworden. Was auch für jene röhrenden und stinkenden Laubbläser gilt, mit denen Hausmeister mittlerweile nicht nur im Herbst, sondern ganzjährig Jagd auf einzelne Blätter in der Hofeinfahrt machen. Leiser sind sie geworden, dank Elektromotor. Seitdem sind sie wohlgelitten.

Die Erde aufheizen – ganz direkt

Der nächste Irrsinn findet sich seit Anfang März wieder auf allen Wochenmärkten in München: Spargel mitten im Winter. Als ich vor ein paar Jahren erfuhr, dass bayerische Spargelbauern damit angefangen haben, ihre Felder zu heizen, um möglichst früh das „gesunde Edelgemüse“ (DPA) ernten zu können, lachte ich laut auf. Kann doch nicht sein? Felder heizen? Ist wohl ein Aprilscherz!

Quelle

Die Kolumne wurde von
der Redaktion „KLIMARETTER.INFO“ (Georg Etscheit) 2018 verfasst – das Nachrichten- und
Debattenmagazin zu Klima und Energiewende – der Artikel darf nicht ohne
Genehmigung von „Klimaretter.info“ (post@klimaretter.info) weiterverbreitet werden!   

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