Mit Kostenwahrheit Umwelt und Menschen schützen

Franz Fischler fordert Kostenwahrheit bei allen Produkten, damit sich nachhaltiges Wirtschaften rechnet

‘Kosten für Ressourcenverbrauch, Umweltverschmutzung und soziale Standards müssen stärker in die Preise einbezogen werden, damit ein kostengerechter Preis entstehen kann. Nur so wird sich Nachhaltigkeit und ökosoziales Wirtschaften für ProduzentInnen und KonsumentInnen rechnen’, betonte Franz Fischler, Präsident des Ökosozialen Forums, bei einer Diskussionsveranstaltung zum Thema Kostenwahrheit in Wien. ‘Der Klimawandel ist eine Folge von Marktversagen. Dass es nach wie vor keine gesetzlichen Vorgaben zur Lösung solcher Probleme gibt, ist klares Politikversagen’, kritisierte Fischler.

Aktuelles dramatisches Beispiel für ein fundamentales Markt- und Politikversagen in Bezug auf Kostenwahrheit sei die Krise auf den internationalen Finanzmärkten. ‘Während die Gewinne jahrelang vor allem von Spekulanten eingestreift wurden, muss für die Verluste jetzt die Allgemeinheit zahlen’, so Fischler. ‘Die Selbstregulierung, die oft gepriesene unsichtbare Hand des Marktes, hat nicht funktioniert. Jetzt sind klare gesetzliche Regeln und eine massive Verbesserung der Transparenz auf den Finanzmärkten notwendig.’

„Get the prices right!“

Es darf nicht egal sein, ob sich Unternehmen oder KonsumentInnen umweltgerecht verhalten oder nicht, weil die Kosten die gleichen sind. Die Frage ist: Wer trägt die Kosten – der Verursacher oder die Allgemeinheit? Damit der Klimawandel eingebremst und mehr Bewusstsein für den wahren Preis von Produkten entstehen kann, sind Kostentransparenz und –wahrheit notwendig. ‘Moralische und ethische Begründungen sind zuwenig, um eine Wende am Markt einzuleiten. Hingegen sind Preissignale äußerst wirkungsvolle Botschaften.

Externe Effekte, wie negative Auswirkungen auf die Allgemeinheit, müssen künftig in unsere Marktwirtschaft eingebaut werden. Dazu braucht es dringend neue Rahmenbedingungen durch die Politik’, so Fischler. Der Auftrag lautet also: ‘Get the prices right!’

Modernisierung des Steuersystems in Österreich

Ein wichtiges Instrument zur Steuerung der Märkte in Richtung Ökosoziale Marktwirtschaft ist das Steuersystem. Österreich liegt mit einer Abgabenquote von rd. 42 % deutlich über dem EU-Durchschnitt. Der Faktor Arbeit ist - relativ gesehen - am stärksten belastet. Der Anteil der Einnahmen durch Energiesteuern an den Gesamtsteuereinnahmen wird dagegen seit 2004 ständig geringer und liegt mit knapp 4 % weit unter dem EU-Durchschnitt.1 Durch eine Steuerreform mit einer deutlichen Entlastung des Faktors Arbeit und einer stärkeren Besteuerung des Ressourcenverbrauchs könnten sich die wahren Kosten des Umweltverbrauchs in der wirtschaftlichen Kalkulation niederschlagen. ‘Die nächste Steuerreform in Österreich muss also weit über eine bloße Tarifkorrektur hinausgehen’, sagte Fischler in
Richtung neue Bundesregierung. ‘Umweltschutz muss das Anliegen aller Politikbereiche sein. Jedes Gesetz und jede Maßnahme muss auf ökologische, aber auch soziale Kriterien hin, geprüft werden und die Kosten müssen nach dem Verursacherprinzip getragen werden.’

Ein Steuersystem kann zudem Anreize für nachhaltiges Wirtschaften geben und das KonsumentInnen- und Mobilitätsverhalten maßgeblich beeinflussen.

Umweltschutz und soziale Standards müssen sich rechnen

Das Konzept der Ökosozialen Marktwirtschaft geht davon aus, dass sich Umweltschutz und soziale Standards letztlich auch wirtschaftlich rechnen müssen. Ein aktuelles Beispiel aus dem Bereich Umwelt und Gesundheit zeigt, dass Kostenwahrheit funktionieren kann: Eine Studie des WWF, dem Climate Action Network und der Health&Environment Alliance kommt zu dem Schluss, dass die EU zusätzliche 25 Mrd. Euro jährlich an Gesundheitskosten einsparen könnte, wenn sie ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 um 30 % statt wie bisher vorgesehen um 20 % reduziere und dadurch auch gesundheitliche Folgen durch Feinstaub usw. verringere.
‘Es ist auch nicht einzusehen, dass ganze Nationen oder einzelne Unternehmen davon profitieren, dass sie mit niedrigeren Sozialstandards produzieren als ihre Mitbewerber’, kritisierte Franz Fischler. Ein weiteres Beispiel für eine Schieflage sei, wenn sich die Freisetzung von MitarbeiterInnen positiv in den Bilanzen auswirke, die Allgemeinheit aber die Zeche in Form von Arbeitslosenunterstützung oder Frühpension zu zahlen hat. Da müsse der Staat mit Regelungen in Richtung Kostenwahrheit steuern, so der Präsident des Ökosozialen Forums.

Ökosoziale Marktwirtschaft im Gespräch

Mit der Veranstaltungsreihe ‘Ökosoziale Marktwirtschaft im Gespräch’ macht das Ökosoziale Forum das Wirtschaftsmodell der Ökosozialen Marktwirtschaft erneut zum Thema. 2009 jährt sich die Formulierung durch den damaligen Vizekanlzer Josef Riegler zum 20. Mal. Im Mittelpunkt des Konzepts steht die Überzeugung, dass nur ein Gleichgewicht zwischen leistungsorientierter Wirtschaft, sozialer Fairness und ökologischer Nachhaltigkeit langfristig erfolgreich sein kann.

In mehreren Gesprächen mit WissenschafterInnen, PolitikerInnen und der Zivilgesellschaft soll die Ökosoziale Marktwirtschaft jetzt angesichts neuer Herausforderungen wie Klimawandel und Globalisierung neu zur Diskussion gestellt werden. Das Projekt zur Weiterentwicklung des Wirtschaftsmodells wird vom Sustainable Europe Research Institut (SERI) und dem Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) wissenschaftlich unterstützt. Weitere Themen der Veranstaltungsreihe des Ökosozialen Forums werden unter anderem die Ökosoziale Agrarpolitik sowie das Spannungsfeld ‘Wachstum-Lebensqualität’ sein.


Weitere Information:
www.oekosozial.at

GastautorIn: Martina Baumeister, MSc für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /