Was kostet die Welt?

Auf dem Weg zur Kostenwahrheit- Wie? Ökosoziale Marktwirtschaft im Gespräch- Ein Rückblick auf eine Veranstaltung des Ökosozialen Forums

Wien - "Get the price right". Was kostet die Welt? Wie können wir Kostenwahrheit herstellen? Wie zukunftstauglich und nachhaltig ist eine Welt ohne diese? Diese Fragen stellte das Ökosoziale Forum am Dienstag in seiner ersten Veranstaltung der Reihe "Ökosoziale Marktwirtschaft im Gespräch" in zur Diskussion.

20 Jahre sind vergangen, seit Josef Riegler das Wirtschaftsmodell "Ökosoziale
Marktwirtschaft" erstmals formuliert hat und damit eine Debatte in diese Richtung angestossen hat. "Das Ökosoziale Forum lädt im Rahmen dieser Veranstaltung, der weitere zum Thema "Agrarpolitik" und "Wachstum und Lebensqualität" folgen sollen, dazu ein, das Konzept in Hinblick auf veränderte Rahmenbedingungen neu zu diskutieren." so Klemens Riegler, Geschäftsführer des Ökosozialen Forums in seiner Begrüßung.

Nach wie vor werden Kosten der Umweltverschmutzung oder fehlende Sozialstandards bei der Produktion von Produkten nicht in den Preis eingerechnet, sondern auf andere abgewälzt. Dass ein Gleichgewicht zwischen Ökologie, Ökonomie und sozialer Verantwortung in nachhaltiger Weise hergestellt werden soll, gepaart mit kulturellen Aspekten, darüber sind sich alle 27 Regierungschefs der EU einig. Im Detail gibt es jedoch große Unterschiede.

Fran Fischler, Präsident des Ökosozialen Forums, leitete die Diskussionsrunde.

Sigrid Stagl, Umweltökonomin an der University of Sussex zeigte den kulturellen Aspekt der Frage auf: "Für viele Fische ist in Afrika am Markt ein höherer Preis zu zahlen, als für einen Fisch, den wer viele Fische kaufen kann, kann sich einen höheren Preis leisten. Das ist afrikanische Gerechtigkeit. Auch ist der Preis Verhandlungssache. In Europa stehen die Preise im Supermarkt fest. Markt ist nicht nur Angebot und Nachfrage. Die Spielregeln der Märkte sind unterschiedlich. Gerechtigkeit und faire Preise brauchen einen Blick auf die Kultur, die Entwicklung usw. Richtig wären gleiche Rechte für alle 6 Mrd. Menschen auf der Erde- im Endeffekt stünde jedem genau ein 6 Milliardstel der Erde zu. Wir verbrauchen die Kapazitäten und die Ressourcen der anderen - wenn wir Kostenwahrheit ernst nehmen würden, müssten wir ganz anders handeln!"

Bernd Meyer, Volkswirtschafter an der Universität Osnabrück erklärte:" Auch Institutionen sind für den Markt wichtig z.B. die Rechtsordnung. Die Beeinträchtigung des Gutes Umwelt und die Knappheit der Ressourcen ist nicht in den Marktpreisen enthalten." Ökonomisch richtiges Handeln kann ökologisch katastrophal sein. " In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung fehlen die Schäden in der Umwelt und die Auswirkungen auf die Gesundheit. Eine Bewertung der Natur ist unmöglich, muss aber eigentlich in den Preisen der Güter enthalten sein. " so Meyer. "Wir müssen viel detaillierter aufzeigen, wie sich wirtschaftliche Systeme auf die Umwelt auswirken, Es ist eigentlich notwendig, Vermeidungskosten dem jeweiligen Verursacher zuzurechen."

Bruno Rossmann, grüner Abgeordneter zum Nationalrat, meinte: "Wir brauchen weit mehr Diskussion darüber, was auf uns zukommt. Unzählige Studien weisen darauf hin, vor welcher Situation wir heute stehen. " Die Probleme werden größer, sie wirken sich nicht nur auf die Umwelt, sondern immer mehr auch sozial aus. Rossmann wies darauf hin, dass beispielsweise die "Studie über den Ausstieg aus fossiler Energie" in Österreich kaum diskutiert worden sei. Eine Energiewende sei
dringend notwendig, der Handlungsbedarf müsse weit stärker kommuniziert werden.
Überfordern wir mit der Forederung nach Nachhaltigkeit nicht den Markt? Ist es nicht eine Frage der Politik, hier einzugreifen?

Prof. Meyer sagte, es gebe zwei Wege: Der erste sei die Einsicht, diese gehe über die Zivilgesellschaft, greife aber wahrscheinlich nicht genug. Der zweite wäre, die politischen Rahmenbedingungen zu ändern. Der Staat muss klare langfristige Ziele setze, diese muss er verfolgen und nicht verlassen. Die Politik muss handeln. Es geht nicht nur um die Klimaveränderung, diese ist die Folgewirkung, sondern vor allem um den Ressourcenverbrauch. Eine Entzauberung des "Marktes" ist notwendig, die Gesellschaft muss die Rahmenbedingungen ändern. Das dies möglich ist, zeigen gewisse Bereiche, z.B. die Energieeffizienzkriterien bei Elektrogeräten. Kaum jemand will schlechtere Geräte, wenn es welche mit geringem Energieverbrauch zu kaufen gibt.

Sigrid Stagl meinte, das "Froschsyndrom" gebe es auch bei den Menschen, mit kleinen Steueränderungen sei keine Steuerung möglich. WIr sitzen bereits im warmen Wasser, merken es aber nicht. Eine Idee wäre, jedem eine "Carbon Allowance" zu geben, da ärmere Haushalte meist niedrigen Verbrauch haben, und reichere Haushalte oft einen hohen Verbrauch, sei auch eine soziale Abfederung möglich, dadurch dass Reiche von den Armen Rechte zukaufen müssten. Das sei zwar ein teures System, es hätte aber absolute Signalwirkung.

Diskutiert wurde auch über den Zertifikatshandel. Frage ist: Wer soll in Zukunft einbezogen werden? Derzeit sind nur EVUs und die Industrie einbezogen. Der Ressourcenverbrauch des Einzelnen bleibt unberücksichtigt. Ein Fehler war, dass in der EU beim Start zuviele Gratiszertifikate ausgegeben wurden. Ein Zertifikatssystem ist leichter als einheitliche Steuern in der EU einführbar. Damit das ganze auch längerfristig funktioniert, ist sicher ein globales System notwendig. Die EU allein reicht hier nicht.

Auch das Publikum beteiligte sich mit zahlreichen Fragen an der lebhaften Debatte. Wenn mna über die Kosten redet, sollte auch viel mehr darüber gesprochen werden, was man gewinnt: Arbeitsplätze, Lebensqualität, Gesundheit, usw.

Eines war man sich einig: es ist Zeit zu handeln. Die Politik muss etwas tun, sowohl in Österreich, als auch in Europa, als auch global müssen Regeln eingeführt werden- der Markt allein regelt die Probleme sicher nicht!


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /